Provisorische Regierung Päts III

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Konstantin Päts, hier in einer Aufnahme von 1934

Die dritte provisorische Regierung der Republik Estland unter Ministerpräsident Konstantin Päts (Provisorische Regierung Päts III) amtierte vom 27. November 1918 bis 9. Mai 1919. Sie blieb 164 Tage im Amt.

Parteien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Koalitionsregierung wurde in einer Absprache aller Gruppierungen des estnischen Landtags (Maanõukogu) eingesetzt. Die in ihr vertretenen Parteien bildeten ein weites politisches Spektrum ab:

Hinzu kam je ein Vertreter der deutschen, schwedischen und russischen Minderheit in Estland.

Es handelte sich angesichts der drohenden Kriegsgefahr mit Sowjetrussland um eine Umbildung des bisherigen Kabinetts. Ministerpräsident Konstantin Päts übernahm zusätzlich das Amt des Kriegsministers in enger Absprache mit General Andres Larka.

Kabinett[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ressort Name Amtszeit Partei
Ministerpräsident Konstantin Päts 27.11.1918 – 09.05.1919    EMRL
Stellvertretender Ministerpräsident    August Rei 27.11.1918 – 24.01.1919 ESDTP
Kriegsminister Konstantin Päts 27.11.1918 – 09.05.1919 EMRL
Arbeits- und Sozialminister August Rei 27.11.1918 – 23.12.1918 ESDTP
Innenminister August Peet 27.11.1918 – 09.05.1919 parteilos
Außenminister Jaan Poska 27.11.1918 – 09.05.1919 EDE
Landwirtschaftsminister Otto Strandman 27.11.1918 – 09.05.1919 ETE
Finanzminister Juhan Kukk 27.11.1918 – 09.05.1919 ETE
Gerichtsminister Jüri Jaakson 27.11.1918 – 09.05.1919 EDE
Industrie- und Handelsminister Nikolai Köstner 27.11.1918 – 12.03.1919 ESDTP
Geschäftsführender Industrie- und Handelsminister    Voldemar Puhk[1] ??.12.1918 – 12.03.1919 ESDTP
Industrie- und Handelsminister August Janson 12.03.1919 – 09.05.1919 ESDTP
Bildungsminister Karl Luts[2] 27.11.1918 – 12.03.1919 ESDTP
Bildungsminister Harald Alfred Laksberg    12.03.1919 – 09.05.1919 parteilos   
Verkehrsminister Eduard Säkk 27.11.1918 – 09.05.1919 ETE
Ernährungsminister Jaan Raamot 27.11.1918 – 06.02.1919 EMRL
Geschäftsführender Arbeits- und Sozialminister Karl Ast 23.12.1918 – 05.02.1919 ESDTP
Minister für die deutsche Bevölkerung Hermann Georg Willibald Koch    28.11.1918 – 09.05.1919 DbPE
Minister für die schwedische Bevölkerung Hans Pöhl 11.12.1918 – 09.05.1919 parteilos
Minister für die russische Bevölkerung Aleksei Sorokin 28.02.1919 – 09.05.1919 VKK
Bevollmächtigter Minister im Ausland Jaan Tõnisson 27.11.1918 – 09.05.1919 EDE

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Regierung stand vor drei großen Herausforderungen. Zum einen Stand sie im Krieg mit Sowjetrussland um die estnische Unabhängigkeit. Zum zweiten musste sie die westlichen Regierungen für eine Anerkennung der estnischen Souveränität gewinnen. Und drittens stellte die katastrophale Versorgungslage der Bevölkerung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Regierung vor große Probleme.

Sie trat am Vorabend des Estnischen Freiheitskriegs ihr Amt an. Sowjetrussland erkannte die Loslösung Estlands von Russland (24. Februar 1918) nicht an. Mit der Niederlage des kaiserlichen Deutschlands im Ersten Weltkrieg im November 1918 und dem beginnenden Abzug der deutschen Truppen aus dem Baltikum sah es eine militärische Chance, Estland unter Kontrolle der Bolschewiki zu stellen.

Am 29. November 1918, einen Tag nach Beginn des Krieges, eroberten die Bolschewiki die nordostestnische Stadt Narva. Im Dezember 1918 brachten sie weitere ost- und südestnische Städte unter ihre Kontrolle, darunter die zweitgrößte Stadt Tartu. Das Eingreifen der britischen Marine verhinderte im Dezember eine Eroberung Tallinns durch bolschewistische Seestreitkräfte. Erst zum Jahreswechsel 1918/1919 konnte das neu aufgestellte estnische Heer und die estnische Marine das Kriegsglück zu ihren Gunsten wenden, insbesondere durch den Einsatz von Panzerzügen. Am 19. Januar 1919 konnte die estnische Regierung Narva zurückerobern, am 14. Januar Tartu. Dennoch zog sich der Krieg bis Februar 1920 hin.

Vor allem die britische Regierung half Estland, die Ernäherungslage der Bevölkerung zu verbessern. Ab März 1919 trafen Lebensmittellieferungen ein. Die finnische Regierung unterstützte Estland mit großzügigen Darlehen. Weitere Staaten stellten Estland finanzielle Hilfsprogramme zur Verfügung.

Beide Entwicklungen führten im Frühjahr 1919 zu einer Konsolidierung des estnischen Staatswesens. Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung der Republik Estland (Asutav Kogu) fanden vom 5. bis 7. April 1919 statt. Die Wahlbeteiligung lag bei ca. 80 Prozent.

Die Wahlen brachten einen Sieg der linksgerichteten Parteien, insbesondere der Eesti Sotsiaaldemokraatlik Tööliste Partei (Estnischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, ESDTP) und der Eesti Tööerakond (Estnische Arbeitspartei, ETE) sowie der Eesti Rahvaerakond (Estnischen Volkspartei, ER). Die agrarisch orientierte Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Konstantin Päts erlitt eine Niederlage.

Die verfassungsgebende Versammlung trat am 23. April 1919 erstmals in Tallinn zusammen. Sie wählte den Sozialisten August Rei zu ihrem Vorsitzenden. Am 9. Mai 1919 trat die erste reguläre estnische Regierung unter Ministerpräsident Otto Strandman (ETE) ihr Amt an.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Nikolai Köstner hielt sich in dieser Zeit im Ausland auf
  2. Karl Luts war in Russland inhaftiert