Register vergriffener Werke

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Das Register vergriffener Werke ist ein seit 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München geführtes Verzeichnis, in dem auf Meldung von Verwertungsgesellschaften vergriffene Werke eingetragen werden, die vor 1966 veröffentlicht worden sind. Falls der Rechteinhaber an einem Werk nicht innerhalb von sechs Wochen ab Bekanntgabe der Eintragung seinen Widerspruch erklärt, so darf unter bestimmten Bedingungen davon ausgegangen werden, dass die meldende Verwertungsgesellschaft berechtigt ist, Dritten Nutzungsrechte zur nicht gewerblichen Nutzung des Werkes einzuräumen. Ziel der Regelung ist insbesondere die erleichterte Nutzbarkeit vergriffener Printwerke im Rahmen von Digitalisierungsvorhaben.[1]

Das Register vergriffener Werke ist demnach also kein vollständiges Register aller vergriffenen Werke, sondern enthält nur solche, deren Lizenzierung konkret von einer Verwertungsgesellschaft beabsichtigt wird. Der Anreiz für eine Verwertungsgesellschaft, die Eintragung eines Werks in das Register zu beantragen, besteht dabei in der Lizenzgebühr, zu der sie im Erfolgsfall (kein fristgerechter Widerspruch des Rechteinhabers) einem digitalisierungswilligen Dritten die benötigten Nutzungsrechte einräumen kann.

Die Einrichtung des Registers wurde durch Änderung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWG) mit Wirkung zum 1. April 2014 bestimmt.[2] Seit Ablösung des UrhWG durch das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) findet das Register seine gesetzliche Grundlage in § 52 VGG.

Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vergriffene Werke sind nach gängigem Verständnis solche Werke, die nicht mehr lieferbar, mithin also nicht mehr über den Verlag im Handel erhältlich sind.[3] Ist ein Werk vergriffen, so besteht deshalb regelmäßig ein Zugangsproblem für die interessierte Leserschaft: Sie kann allenfalls noch versuchen, erhaltene Bestände von Dritten käuflich zu erwerben (insbesondere über Antiquariate) oder ein in fremdem Eigentum stehendes Exemplar einzusehen (etwa in einer Bibliothek oder einem Archiv). Gerade Institutionen wie Bibliotheken und Archive sind zwar oftmals gewillt, solche Werke einem größeren Personenkreis verfügbar zu machen, indem sie Digitalisate entsprechender Bestände – insbesondere über das Internet – bereitstellen. Ein solches Vorgehen ist nach den bestehenden urheberrechtlichen Bestimmungen jedoch regelmäßig erst dann erlaubnisfrei zulässig, wenn das betreffende Werk durch Ablauf des Urheberrechtsschutzes (Regelschutzfrist: 70 Jahre bis nach dem Tod des Urhebers) gemeinfrei geworden ist.[4]

Um die Versorgung der Bevölkerung mit vergriffenen Werken zu verbessern, nutzte der deutsche Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2012/28/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 25. Oktober 2012 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke (Verwaiste-Werke-Richtlinie) den dort eröffneten Spielraum, nationale Regelungen für die Digitalisierung und Nutzung vergriffener Werke zu schaffen.[5] Um Digitalisierungsvorhaben zu erleichtern, statuierte er hierzu im neu geschaffenen § 13d UrhWG (heute: § 52 VGG) eine – widerlegbare – gesetzliche Vermutung: Wenn bereits irgendwelche Rechteinhaber eine Verwertungsgesellschaft hinsichtlich ihrer vergriffenen Werke mit der Wahrnehmung der Vervielfältigungsrechte (§ 16 UrhG) oder Rechte der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) beauftragt haben, dann wird vermutet, dass diese Verwertungsgesellschaft auch berechtigt ist, Nutzungsrechte an solchen vergriffenen Werken einzuräumen, von deren Rechteinhabern die Verwertungsgesellschaft tatsächlich nicht mit der Rechtewahrnehmung beauftragt worden ist. Obwohl diese Rechteinhaber der Verwertungsgesellschaft also gar keine Wahrnehmungsrechte eingeräumt haben, wird vermutet, dass die Verwertungsgesellschaft Dritten Rechte an den betreffenden Werken einräumen darf. Diese weitreichende Befugnis wird jedoch nur unter engen Bedingungen gewährt (§ 51 Abs. 1 Nr. 1–4 VGG):

  • Zum einen muss das jeweilige Werk vergriffen sein;
  • es muss vor dem 1. Januar 1966 in Büchern, Fachzeitschriften, Zeitungen, Zeitschriften oder in anderen Schriften veröffentlicht worden sein;
  • es muss sich im Bestand von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen, Archiven oder von im Bereich des Film- oder Tonerbes tätigen Einrichtungen befinden;
  • die Vervielfältigung und die öffentliche Zugänglichmachung, für die die Verwertungsgesellschaft ein Nutzungsrecht einräumen will, darf nicht gewerblichen Zwecken dienen;
  • das Werk muss auf Antrag der Verwertungsgesellschaft in das Register vergriffener Werke eingetragen worden sein.

Eine zentrale Funktion der Eintragung im Register vergriffener Werke ist dabei, dass der Rechteinhaber an dem vergriffenen Werk die Rechtewahrnehmung durch die Verwertungsgesellschaft noch verhindern kann. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 VGG darf die Vermutung nämlich dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Rechteinhaber innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntmachung der Eintragung seinen Widerspruch gegen die beabsichtigte Wahrnehmung erklärt.

Funktionsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eintragungen werden auf Antrag von Verwertungsgesellschaften vorgenommen. Dem DPMA müssen in diesem – elektronisch einzureichenden – Antrag der Werktitel, die Bezeichnung des Urhebers, der Verlag, von dem das Werk veröffentlicht worden ist, das Datum der Werkveröffentlichung sowie der Name der antragenden Verwertungsgesellschaft mitgeteilt werden.[6] Die Modalitäten des Eintragungsverfahrens sind durch Verordnung des Bundesjustizministeriums festgelegt (Verordnung über das Register vergriffener Werke [VergWerkeRegV]).[7] Die Eintragung in das Register ist insbesondere gebührenpflichtig; derzeit (Stand: Juni 2016) beträgt die Gebühr pro Eintragung einen Euro (§ 2 Abs. 1 VergWerkeRegV). Eine Prüfung der Berechtigung des Antragstellers oder der Richtigkeit der zur Eintragung angemeldeten Tatsachen nimmt das DPMA nicht vor (§ 52 Abs. 2 Satz 1 VGG). Das Register ist über die Internetseite des DPMA für jedermann einsehbar (§ 52 Abs. 3, 4 VGG).[8]

Im Register verzeichnet das DPMA neben den gemeldeten Pflichtangaben jeweils auch die Angabe, ob der Rechteinhaber der Wahrnehmung seiner Rechte durch die Verwertungsgesellschaft widersprochen hat (§ 52 Abs. 1 Nr. 6 VGG). Ein solcher (formlos zu erklärender) Widerspruch durch den Rechteinhaber ist – einerseits – innerhalb der oben genannten Sechs-Wochen-Frist gegenüber dem DPMA oder der Verwertungsgesellschaft möglich;[9] in diesem Fall können die Nutzungsinteressenten das Werk erst gar nicht erlaubnisfrei nutzen (Rechtsgrundlage: § 51 Abs. 1 Nr. 5 VGG). Andererseits kann, entsprechend dem Vermutungscharakter, der Nutzung auch später gegenüber der Verwertungsgesellschaft widersprochen werden (Rechtsgrundlage: § 51 Abs. 2 VGG).[10] Die Berechtigung zur Nutzung des vergriffenen Werkes entfällt dann ab Erklärung des Widerspruchs mit Wirkung für die Zukunft.[11] Erfolgt ein Widerspruch gegenüber der Verwertungsgesellschaft, setzt diese das DPMA davon in Kenntnis, das anschließend die Eintragung im Register entsprechend modifiziert.

Die ersten Eintragungen in das Register vergriffener Werke wurden im August 2015 vorgenommen.[12] Bis Ende November 2015 wurden 1431 Eintragungen verzeichnet.[12]

Lizenzierungsservice[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bund und Länder haben sich mit der Verwertungsgesellschaft Wort und der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst in einem am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Rahmenvertrag[13] auf ein Lizenzierungsverfahren geeinigt. Privilegierte Institutionen (also öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen, Archive sowie im Bereich des Film- oder Tonerbes tätige Einrichtungen) können diesem Rahmenvertrag durch Erklärung gegenüber der VG Wort beitreten. Die beigetretenen Institutionen können sodann bei der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) elektronisch eine Lizenz für die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung beantragen. Diese Lizenz erfasst allerdings nur die nicht gewerblichen Nutzung im Rahmen einer so genannten digitalen Bibliothek. (Nutzungen mit anderer Zwecksetzung sind vom Rahmenvertrag nicht erfasst.) Die DNB prüft den Antrag auf die Einhaltung der gesetzlichen Erfordernisse und übermittelt ihn im Anschluss elektronisch an die VG Wort, von wo er wiederum an das DPMA weiterleitet wird. Bleibt ein Widerspruch aus, informiert die VG Wort schließlich die antragstellende Institution darüber, dass sie das Werk nun im Rahmen der Lizenz verwerten darf. Die Lizenzgebühren pro Werk betragen dabei – abhängig vom Erscheinungszeitpunkt – einmalig zwischen fünf und fünfzehn Euro. Die aufgelaufenen Lizenzgebühren werden den Institutionen samt den von der VG Wort verauslagten Eintragungsgebühren zweimal jährlich in Rechnung gestellt.

Verhältnis zu anderen Registern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ebenfalls im Zusammenhang mit der Verwaiste-Werke-Richtlinie steht das beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (ehemals: Europäisches Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) geführte Register der verwaisten Werke.[14] Dieses dient aber einer anderen Funktion als das Register vergriffener Werke. Gleiches gilt für das beim DPMA geführte Register anonymer und pseudonymer Werke.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gabriele Beger: Verwaiste und vergriffene Werke im deutschen Urheberrecht. In: Medien und Recht. Band 32, Nr. 1, 2014, S. 18–20.
  • Nadine Klass: Die deutsche Gesetzesnovelle zur „Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes“ im Kontext der Retrodigitalisierung in Europa. In: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil. Nr. 10, 2013, S. 881–894.
  • Armin Talke: Verwaiste und vergriffene Werke: Kommt das 20. Jahrhundert endlich in die Digitale Bibliothek? In: Kommunikation und Recht. Band 17, Nr. 1, 2014, S. 18–24.
  • Simon Herrmann: Lizenzierungsservice Vergriffene Werke (VW-LiS) - Quellen des 20. Jahrhunderts digital zugänglich machen. In: AKMB-news. Band 25, Nr. 1, 2019, S. 24–27.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. Amtliche Begründung, BT-Drs. 17/13423 vom 8. Mai 2013, S. 11.
  2. Vgl. BGBl. 2013 I S. 3728.
  3. Vgl. Rehbinder/Peukert, Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, 18. Aufl. 2018, Rn. 568; Staats in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 61 Rn. 1; Beger, Verwaiste und vergriffene Werke im deutschen Urheberrecht, 2014, op. cit., S. 19.
  4. Eine Zugänglichmachung der Digitalisate wäre freilich unter den Voraussetzungen des § 52b UrhG an elektronischen Leseplätzen in den eigenen Räumlichkeiten von Bibliotheken, Museen oder Archiven möglich (die für eine solche Zugänglichmachung gedruckter Werke erforderliche Annexvervielfältigung – also die initiale Anfertigung des Digitalisats – ist von § 52b UrhG auch erfasst, vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2015, I ZR 69/11 = GRUR 2015, 1101 – Elektronische Leseplätze II, Rn. 29 ff.). Da diese Schrankenregelung jedoch ohnehin erfordert, dass die jeweilige Institution auch die zugehörige Vorlage vorhält und zugleich höchstens so viele Personen auf das Digitalisat zugreifen dürfen wie Werkexemplare im Bestand vorhanden sind, ergibt sich hinsichtlich der genuinen Zugänglichkeit vergriffener Werke keine wesentliche Verbesserung.
  5. Vgl. Amtliche Begründung, BT-Drs. 17/13423 vom 8. Mai 2013, S. 1.
  6. § 1 VergWerkeRegV i. V. m. § 52 Abs. 1 Nr. 1–5 VGG.
  7. Zur Ermächtigung siehe § 52 Abs. 5 VGG.
  8. Siehe DPMA, Register vergriffener Werke – Recherche, abgerufen am 10. Juni 2016.
  9. Vgl. Amtliche Begründung, BT-Drs. 17/13423 vom 8. Mai 2013, S. 18.
  10. Vgl. Staats in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 13e UrhWG Rn. 5.
  11. Vgl. Amtliche Begründung, BT-Drs. 17/13423 vom 8. Mai 2013, S. 18; Staats in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 13e UrhWG Rn. 5.
  12. a b Vgl. DPMA, Jahresbericht 2015 (Memento des Originals vom 10. Juni 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/dpma.de (PDF-Datei, 7,4 MB), abgerufen am 10. Juni 2016, S. 38.
  13. Rahmenvertrag zur Nutzung von vergriffenen Werken und in Büchern (PDF-Datei, 0,3 MB), Deutscher Bibliotheksverband (bibliotheksverband.de), abgerufen am 1. Februar 2017.
  14. Vgl. Art. 3 Abs. 6 Richtlinie 2012/28/EU, § 61a Abs. 4, 5 UrhG.