Rheinberger Platt

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Das Rheinberger Platt oder die Rheinberger Mundart, Eigenbezeichnung Rinbäärkse Plat, ist eine niederfränkische Dialektvariante, die in der niederrheinischen Stadt Rheinberg und den heute zu Rheinberg gehörenden Ortsteilen Orsoy, Ossenberg, Millingen, Alpsray, Budberg und Eversael gesprochen wird. Dabei zählt Rheinberg zum nordniederfränkischen Mundartraum, gekennzeichnet u. a. durch die Verwendung des Personalpronomens „ek“ anstelle von „ich“. Im Südniederfränkischen jenseits der Uerdinger Linie wird stattdessen „esch“ oder „isch“ verwendet.

Mundartraum des Niederfränkischen

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Niederfränkisch und Rheinmaasländisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rheinberger Mundart, üblicherweise Rheinberger Platt oder Rinbäärkse Plat genannt, gehört zum Niederfränkischen, das auch die südwestlichen Dialekte des Niederländischen umfasst. In diesem Mundartraum kam im 14. Jahrhundert eine lokale Schrift- und Kanzleisprache auf, das heute so bezeichnete Rhein-Maasländisch (siehe Karte). Während sich das Niederländische – auch in der Form des Afrikaans – zu einer eigenständigen Schriftsprache entwickelt hat, wurden die niederfränkischen Mundarten auf deutschem Gebiet zu Dialekten innerhalb des Deutschen als Dachsprache. Allerdings wurden noch im 18. Jahrhundert am Niederrhein neben dem Hochdeutschen auch das Niederländische als Schriftsprache verwendet, dazu als dritte Variante eine deutsch-niederländische Mischsprache. Näheres zur genetischen Einteilung, insbesondere die historische Verwandtschaft zu anderen Dialektgruppen, findet sich im Artikel Germanische Sprachen.

Rhein-Maasländisch war eine mittelalterliche Kanzlei- und Schreibsprache, die im niederfränkischen Sprachraum entstanden ist.

Die niederfränkischen Dialekte sind in Deutschland, den Niederlanden und in Belgien vertreten. Sie bildet geographisch einen Bereich, der im Nordosten von den westfälischen Dialekten (die zum Niederdeutschen gehören), im Nordwesten vom Brabantischen (ebenfalls niederfränkisch), im Südwesten vom Wallonischen (also Französischen) und im Süden vom Ripuarischen (einer mittelfränkischen Dialektgruppe mit dem Zentrum Köln) begrenzt wird. Die Grenzlinie im Süden bildet die sogenannte Benrather Linie, die etwa von Aachen über Jülich bis Düsseldorf verläuft und niederdeutsche sowie niederfränkische von hochdeutschen Dialekten trennt (maken versus machen, ik versus ich). Weiterhin gibt es die Uerdinger Linie; südlich davon wird das Personalpronomen „ich“ als „isch“ gesprochen, nördlich davon, am unteren Niederrhein, als „ek“. Die markante Nordostgrenze zwischen dem Niederfränkischen und Niederdeutschen verläuft rechtsrheinisch etwa auf der Linie Bocholt – Recklinghausen – Dortmund, die Grenze zum nahverwandten Brabantischen innerhalb der heutigen Niederlande etwa von Leuwen über Nijmegen bis Arnhem.

Die kleverländische Dialektgruppe und ihre südlichen Übergangsdialekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kleverländisch (Nordniederfränkisch) umfasst die linksrheinischen Mundarten im Raum Kleve, Goch, Xanten, Kevelaer, Straelen, Kempen, Moers, Vluyn, Rheinberg sowie die rechtsrheinischen Dialekte von Emmerich bis Duisburg. Im Süden liegen die südniederfränkischen Übergangsdialekte zum Ripuarischen, wie sie im Raum Mönchengladbach – Krefeld – Düsseldorf und im Bergischen Land gesprochen werden. Die Trennlinie zwischen dem Kleverländischen und dem Südniederfränkischen bildet die Uerdinger Linie. So weist z. B. das Krefelder Platt Krieewelsch bereits zahlreiche Eigenschaften der ripuarischen Mundart auf, wie z. B. esch statt ik („ich“), den j-Anlaut anstelle von /g/ (jedöns „Gedöns“), Velarisierung der Alveolare (onger „unter“) und eine Form des typisch kölnischen „Singsangs“. Das im Krefelder Ortsteil Hüls gesprochene Hölsch Plott dagegen benutzt „ek“ bzw. „ök“ und weist überwiegende Merkmale des Nordniederfränkischen auf.

Kleverländisch (blau) und Ostbergisch (grün)

Unterschiede innerhalb des Kleverländischen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jedes Dorf hat seine sprachlichen Besonderheiten. Innerhalb des Kleverländischen besteht das Rheinberger Platt aus einer Gruppe recht ähnlicher Lokalmundarten, die auch in den benachbarten Dörfern Ossenberg, Millingen, Alpsray, Budberg und Eversael gesprochen werden. Das Rheinberger Platt unterscheidet sich durchaus wiederum vom südlich angrenzenden Grafschafter und Vluyner Platt oder der südwestlich gesprochenen Straelener Mundart, aber auch von der nördlich angrenzenden Gocher Variante. Die Unterschiede liegen vor allem in der Umsetzung der alten westgermanischen Langvokale und Diphthonge /i:/, /u:/, /au/ und /ai/ (Quelle Horster 1996).

Regionale Unterschiede der kleverländischen Mundarten

Goch Rheinb. Straelen Vluyn Duisburg
Zeit tit tit tiit tiit tiit
Haus hüs hüs huus huus huus
Kraut krüt krüt kruut kruut krout
Baum boom boom buem boum boum
Bein been been bien bein bäin

Dass selbst innerhalb des Rheinberger Platts feine Unterschiede bestehen, erkennt man wiederum vor allem an der unterschiedlichen Umsetzung von westgermanisch /u:/ und /au/ (Horster 1996).

Unterschiede innerhalb der Rheinberger Mundart

Osbg. Mill. Alps. Rhbg. Budb. Evers.
Haus hüs/hus ü ü ü ü ü u
Kraut krüt/krut ü ü ü ü/u u u
Zaun tün/tun ü ü ü/u u u u
braun brun u u u u u u
Taube duuv uu uu uu uu uu uu

Die Abkürzungen bedeuten: Osbg. = Ossenberg, Mill. = Millingen, Alps. = Alpsray, Rhbg. = Rheinberg, Budb. = Budberg und Evers. = Eversael.

Dialektbewahrung und Sprachgebrauch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Josef Gormanns hat 1989 ein Wörterbuch der Rheinberger Mundart und Theodor Horster 1996 ein Rheinberger Wörterbuch herausgegeben, damit haben beide einen entscheidenden Schritt zur Bewahrung des Rheinberger Platts gemacht. Während die ältesten Bewohner Rheinbergs und der umliegenden Dörfer sich immer noch zuweilen untereinander im Platt unterhalten, kann es die Gruppe der mittelalten einheimischen Bürger gerade noch verstehen, die Jüngeren oder Kinder kommen kaum noch mit der niederrheinischen Mundart in Kontakt.

Als Beispiel für die Rheinberger Mundart einige Sätze aus einem Bericht über das große Hochwasser mit Eisgang aus dem Jahre 1929 aus Gormanns 1989 (in vereinfachter Notation):

„Inne februar neegentinhondertneegenontwentech, as man glöwne, de wenter trök af, as di Rinberkse sech of dä fastelowent froine, brook öwer nach' äne strenge wenter herin, schlemmer as 1890, woerfan aale lüj dumols gärn vertellne. Öwer därtech grat onder null fror et schteen on been. Nor wenech daach schtoon dä Rin.“

„Im Februar 1929, als man glaubte, der Winter zöge ab, (und) als die Rheinberger sich auf die Fastnacht freuten, brach über Nacht ein strenger Winter herein, schlimmer als 1890, wovon alte Leute damals gern erzählten. (Bei) über 30 Grad unter Null fror es Stein und Bein. Nach wenigen Tagen stand der Rhein.“

Der niederrheinische Regiolekt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf einer Ebene zwischen der deutschen Hochsprache und der lokalen Mundart ist der niederrheinische Regionaldialekt (auch Regiolekt) anzusiedeln, eine Variante des Standarddeutschen mit mundartlichen Einsprengseln vor allem im lautlichen und lexikalischen Bereich, die heute von vielen Niederrheinern als Umgangssprache verwendet wird:

Hochdeutsch: Erzähle mir einmal, was das ist.
Niederrheinischer Regiolekt: Erzähl mir ma, wat dat is.
Rheinberger Mundart: Vertell mik es, wat dat is.
Standardniederländisch: Vertel mij eens, wat dat is.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rheinberger Platt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gormanns, Josef: Wörterbuch der Rheinberger Mundart. Schriften der Stadt Rheinberg zur Geschichte und Heimatkunde,
    Band 2. Stadt Rheinberg 1989.
  • Gormanns, Josef (Hrsg.): Ons Modersprook in Rhinberk on Ömgägend. Zwei Bände. Michael Schiffer, Rheinberg 1980 und 1981.
  • Horster, Theodor: Rheinberger Wörterbuch. Eine Dokumentation der Mundart am unteren Niederrhein. Mit einer Einleitung von Georg Cornelissen. Rheinland-Verlag, Köln 1996.
  • Bakker, Frens & Kruijsen, Joep: Het Limburgs onder Napoleon: Achttien Limburgse en Rijnlandse dialectvertalingen van 'De verloren zoon’ uit 1806–1807. 2007 (Auf S. 130–132 steht eine Übersetzung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn in die Rheinberger Mundart aus dem Jahre 1806!)

Verwandtes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georg Cornelissen: Zur Sprache des Niederrheins im 19. und 20. Jahrhundert.
    In: Dieter Geuenich (Hrsg.) : Der Kulturraum Niederrhein im 19. und 20. Jahrhundert. Peter Pomp, Bottrop 1997
  • Elmentaler, Michael: Die Schreibsprachgeschichte des Niederrheins.
    In: Dieter Heimböckel (Hrsg.): Sprache und Literatur am Niederrhein. Peter Pomp, Bottrop 1998
  • Hantsche, Irmgard: Atlas zur Geschichte des Niederrheins. Peter Pomp, Bottrop – Essen 2000.
  • Tervooren, Helmut: Die sprachliche Situation am Niederrhein im 16. bis 18. Jahrhundert.
    In: Dieter Geuenich (Hrsg.): Der Kulturraum Niederrhein. Von der Antike bis zum 18. Jahrhundert. Peter Pomp, Bottrop 1996.
  • Aloys Wittrup: Aus Rheinbergs vergangenen Tagen. Michael Schiffer, Rheinberg 1955

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]