Risikogruppe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Risikogruppe oder Risikopatienten werden im medizinischen Kontext Personen bezeichnet, die aufgrund bestimmter intrinsischer oder extrinsischer Faktoren oder aufgrund bestimmter Verhaltensweisen ein im Vergleich zur Gesamtbevölkerung erhöhtes Risiko haben, bestimmte Krankheiten zu bekommen oder mit medizinischen Komplikationen konfrontiert zu sein. Die Faktoren und Verhaltensweisen umfassen zum Beispiel genetische Dispositionen, erworbene Immundefizite, Stress, Übergewicht, Drogenkonsum oder auch Stoffwechselerkrankungen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehören Infektionskrankheiten, chronische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Krebserkrankungen und chronische Lungenerkrankungen weltweit zu den häufigsten Krankheiten.[1] Im Folgenden werden die Risikogruppen für diese Krankheitsbilder charakterisiert.

Risikogruppen für Infektionskrankheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Infektionskrankheiten werden von Erregern wie Viren, Bakterien, Pilzen oder Parasiten verursacht und können prinzipiell jeden Menschen treffen. Die meisten Todesfälle weltweit verursachen hierbei Pneumonien, Durchfallerkrankungen, AIDS, Tuberkulose und Malaria.[2]

Personen mit Autoimmunkrankheiten, chronisch-entzündlichen Erkrankungen sowie Patienten unter immunmodulatorischer Therapie haben ein erhöhtes Infektionsrisiko, da die Funktion des Immunsystems bei diesen Personen meist eingeschränkt ist.[3][4] Zu diesen Risikogruppen gehören Menschen mit einem angeborenen oder erworbenen Immundefekt, beispielsweise mit einer HIV-Infektion,[5] sowie Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen wie Rheuma.[4] Immunsuppressive Therapien werden beispielsweise bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen,[4] nach einer Organtransplantation oder im Zuge einer Krebsbehandlung angewendet.[6]

Eine besondere Gefahr für Menschen mit Immunschwäche sind sogenannte opportunistische Erreger. Hierzu gehören z. B. Herpesviren und Pilze wie Pneumocystis jirovecii oder Aspergillus spp.[7] Gegen zahlreiche Erreger ist jedoch eine Schutzimpfung möglich, beispielsweise gegen Pneumokokken und Meningokokken der Serogruppen A, C, W, Y und B.[8]

Impfen bei Immundefizienz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos explizit das Impfen von immungeschwächten Personen. Der Impfschutz sollte möglichst weitreichend sein.[8] Empfohlen wird, den Impfstatus bei den Betroffenen sowie deren Umfeld zu kontrollieren, Lücken zu identifizieren und unter Beachtung bestimmter Sicherheits- und Effektivitätsabstände zu schließen.[6]

Es ist jedoch bekannt, dass die Impfquote innerhalb der vulnerablen Gruppe der Immundefizienten gering ist.[9][10] So lag die Impfquote bei Menschen mit bestimmten Grunderkrankungen, die eine Indikation für eine Pneumokokkenimpfung darstellen, im Jahr 2020 deutschlandweit nur bei ca. 19 %.[10]

Gründe für die geringe Impfquote sind vermutlich mangelnde Aufklärung, aber auch Unsicherheit aufseiten der impfenden Ärzteschaft, beispielsweise durch fehlende Erfahrung mit spezifischen Immundefekten, fehlenden Zugang zu immunologischen Spezialambulanzen, oder Ängste, dass Impfungen die Grunderkrankung verstärken könnten.[9]

Allerdings ist für keinen derzeit in Deutschland zugelassenen Tot- oder Lebendimpfstoff ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Impfen und beispielsweise einer neu aufgetretenen Autoimmunkrankheit oder chronisch-entzündlichen Erkrankung oder einem Schub bei bereits bestehender Erkrankung belegt. Im Gegenteil ist bekannt, dass impfpräventable Infektionen bei ungeimpften Patienten mit Autoimmunkrankheiten oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen die Morbidität und Mortalität erhöhen und dass Impfungen das Risiko für infektionsgetriggerte Krankheitsschübe verringern können.[4]

Gemeinsam mit verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften hat die STIKO daher Anwendungshinweise für das Impfen bei Immundefizienz entwickelt. Impfungen mit Totimpfstoffen gelten hierbei allgemein als sicher für Menschen mit Immunschwäche.[9] Zu den empfohlenen Indikationsimpfungen gehören u. a. Impfstoffe gegen Hepatitis B, Influenza, Meningokokken der Serogruppen A, B, C, W, Y sowie Pneumokokken.[8] Lebendimpfstoffe sollten bei immundefizienten Patienten dagegen stets individuell bezüglich ihres Nutzen-Risiko-Verhältnisses geprüft werden. Sie unterliegen der ärztlichen Einzelfallentscheidung.[9]

Risikogruppen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptartikel: Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellen weltweit die führende Todesursache dar.[11] In Deutschland sind etwa 40 Prozent aller Todesfälle auf sie zurückzuführen. Vor allem koronare Herzkrankheit und akute Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall verursachen hohe Kosten für das Gesundheitssystem.[12] Zur Risikogruppe für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und Adipositas sowie Raucher und Personen, die wenig körperliche Aktivität ausüben und einen ungesunden Lebensstil pflegen.[12]

Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt als stark beeinflussbar. Es bietet daher ein hohes Präventionspotential.[12] Laut dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e. V. sind die vier wichtigsten Präventionsmaßnahmen:[13]

  • Nicht rauchen
  • Sich gesund ernähren: ein hoher Anteil an Vollkornprodukten, Gemüse und Obst sowie mehr pflanzlicher statt tierischer Fette und ein verringerter Fleischkonsum
  • Sich ausreichend bewegen: tägliche Spaziergänge mit sieben- bis achtminütigem zügigen Gehen verringern das Risiko bereits um 20 Prozent
  • Stress reduzieren: Zeit- und Leistungsdruck wirken sich auf den Körper aus – insbesondere bei dauerhafter Belastung schadet das der Herzgesundheit

Risikogruppen für Krebserkrankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Krebs hat eine Vielzahl an Ausprägungen – das unkontrollierte Wachstum und die Ausbreitung abnormer Zellen kann nahezu in jedem Organ und Gewebe des Körpers auftreten.[14] Die Eingrenzung einer Risikogruppe ist dementsprechend komplex. Genetische Dispositionen, Umwelteinflüsse und Gewohnheiten werden als multifaktorielle Ursachen für Krebs diskutiert.[15] Die Deutsche Krebshilfe gibt u. a. die folgenden Personengruppen als Risikogruppen für bestimmte Krebserkrankungen an:[16]

Prinzipiell steigt das Risiko für eine Krebserkrankung mit zunehmendem Lebensalter. Kinder bekommen relativ selten Krebs, ältere Menschen sind deutlich häufiger betroffen.[17] In Deutschland lag das mittlere Erkrankungsalter im Jahr 2016 für Männer bei 70 Jahren, für Frauen bei 69 Jahren.[18]

Risikogruppen für chronische Lungenerkrankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den chronischen Lungenerkrankungen gehören Asthma bronchiale und die Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung (COPD).[19] Beide Krankheiten sind nicht heilbar. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist COPD die dritthäufigste Todesursache weltweit.[20] Die Prävalenz nimmt zu. Für Deutschland wird bis zum Jahr 2030 mit einem Anstieg auf 7,9 Millionen Erkrankte gerechnet.[21]

Als Hauptursache für COPD gilt das Rauchen.[21] Weitere Risikofaktoren sind Asthma und häufige Atemwegsinfektionen in der Kindheit oder genetische Erkrankungen wie Alpha-1-Antitrypsin-Mangel.[20] Aber auch Menschen, die beruflich Chemikalien und Staub ausgesetzt sind, haben ein erhöhtes Risiko. In Deutschland gehört COPD zu den bedeutendsten Berufskrankheiten.[21]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. WHO reveals leading causes of death and disability worldwide: 2000–2019. Abgerufen am 5. Oktober 2021 (englisch).
  2. Infektionskrankheiten. Abgerufen am 5. Oktober 2021.
  3. Redaktion: BMBF LS5 Internetredaktion: Infektionen und Immunsystem – DLR Gesundheitsforschung. Abgerufen am 5. Oktober 2021.
  4. a b c d Norbert Wagner, Frauke Assmus, Gabriele Arendt, Erika Baum, Ulrich Baumann: Impfen bei Immundefizienz: Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (IV) Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. Band 62, Nr. 4, April 2019, ISSN 1436-9990, S. 494–515, doi:10.1007/s00103-019-02905-1 (springer.com [abgerufen am 5. Oktober 2021]).
  5. Impfen bei Immundefizienz: Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen.(II) Impfen bei 1. Primären Immundefekterkrankungen und 2. HIV-Infektion. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. Band 61, Nr. 8, August 2018, ISSN 1436-9990, S. 1034–1051, doi:10.1007/s00103-018-2761-8 (springer.com [abgerufen am 5. Oktober 2021]).
  6. a b Hans-Jürgen Laws, Ulrich Baumann, Christian Bogdan, Gerd Burchard, Maximilian Christopeit: Impfen bei Immundefizienz: Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (III) Impfen bei hämatologischen und onkologischen Erkrankungen (antineoplastische Therapie, Stammzelltransplantation), Organtransplantation und Asplenie. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. Band 63, Nr. 5, Mai 2020, ISSN 1436-9990, S. 588–644, doi:10.1007/s00103-020-03123-w, PMID 32350583, PMC 7223132 (freier Volltext) – (springer.com [abgerufen am 5. Oktober 2021]).
  7. B. Salzberger, O. Witzke: Opportunistische Infektionen. In: Der Internist. Band 60, Nr. 7, 1. Juli 2019, ISSN 1432-1289, S. 667–668, doi:10.1007/s00108-019-0624-5 (springer.com [abgerufen am 5. Oktober 2021]).
  8. a b c Ständige Impfkommission (STIKO): Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2021. 26. August 2021, doi:10.25646/8824 (rki.de [abgerufen am 5. Oktober 2021]).
  9. a b c d Tim Niehues, Christian Bogdan, Jane Hecht, Thomas Mertens, Miriam Wiese-Posselt: Impfen bei Immundefizienz: Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen(I) Grundlagenpapier. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. Band 60, Nr. 6, Juni 2017, ISSN 1436-9990, S. 674–684, doi:10.1007/s00103-017-2555-4 (springer.com [abgerufen am 5. Oktober 2021]).
  10. a b Ständige Impfkommission (STIKO) Beim Robert Koch-Institut: Stellungnahme der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim RKI: Bestätigung der aktuellen STIKO-Empfehlungen zur Pneumokokken-Impfung während der Pandemie und Handlungshinweise bei eingeschränkter Lieferbarkeit (Stand: 4. November 2020). 19. November 2020, doi:10.25646/7212 (rki.de [abgerufen am 5. Oktober 2021]).
  11. Cardiovascular diseases (CVDs). Abgerufen am 5. Oktober 2021 (englisch).
  12. a b c RKI – Themenschwerpunkt Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Abgerufen am 5. Oktober 2021.
  13. Prävention: DZHK. Abgerufen am 5. Oktober 2021.
  14. Cancer. Abgerufen am 5. Oktober 2021 (englisch).
  15. Causes. Abgerufen am 5. Oktober 2021 (englisch).
  16. Isabell-Annett Beckmann: Ihr Krebsrisiko, sind Sie gefährdet? In: Stiftung Deutsche Krebshilfe (Hrsg.): Die blauen Ratgeber. Bonn 2015.
  17. Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum: Welche Krebsarten in welchem Lebensalter am häufigsten sind – Leukämie, Brustkrebs, Darmkrebs: Wie hoch ist das Risiko in meinem Alter? 6. September 2018, abgerufen am 5. Oktober 2021.
  18. Robert Koch-Institut, Gesellschaft Der Epidemiologischen Krebsregister In Deutschland E.V.: Krebs in Deutschland 2015/2016. Robert Koch-Institut, 2019, doi:10.25646/5977.2 (rki.de [abgerufen am 5. Oktober 2021]).
  19. RKI – Themenschwerpunkt chronische Lungenerkrankungen. Abgerufen am 5. Oktober 2021.
  20. a b Chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Abgerufen am 5. Oktober 2021 (englisch).
  21. a b c Jonas Stoll: COPD. 5. Februar 2018, abgerufen am 5. Oktober 2021.