Rowan West

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Rowan West (* 1953 in Australien; † 17. Mai 2023) war ein Orgelbauer aus Altenahr.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

West erlernte das Orgelspiel an der Domorgel in Sydney. Nach dem Abitur und einer Lehre zum Orgelbauer in Australien erhielt er ein Churchill-Stipendium und übersiedelte 1975 nach Mitteleuropa. Hier vertiefte er sich bei Orgelbau Klais in Bonn, wo er als Intonateur arbeitete. 1976/1977 besuchte er die Norddeutsche Orgelakademie in Bunde und befasste sich erstmals mit Orgeln der Barockzeit. In Ludwigsburg schloss er 1986 die Meisterschule ab. 1987 machte sich West nach seiner Meisterprüfung selbständig. Der Betrieb beschäftigte 2016 fünf Mitarbeiter.[1] Die Flutkatastrophe 2021 zerstörte die Orgelwerkstatt vollständig.[2] Nach langer Krankheit starb Rowan West im Alter von 70 Jahren.[3]

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Anfang an bildete die norddeutsche Barockorgel einen Schwerpunkt im Wirken von Rowan West. Er schuf Orgelneubauten im Stil von Arp Schnitger und seiner Schule und restaurierte ihre Werke. In der Celler Stadtkirche St. Marien rekonstruierte West 1999 hinter dem erhaltenen Prospekt die verlorene Orgel von Berendt Hus, dem Lehrer Schnitgers. Seit 2012 restaurierte West einige Schnitger-Orgeln (Steinkirchen, Oederquart, Grasberg). In Linz und Berlin-Zehlendorf entstanden Neubauten im mitteldeutschen Stil von Gottfried Silbermann und in Prambachkirchen und Kempten Orgeln in süddeutscher Tradition des 18. Jahrhunderts. Erweitert wurde das Spektrum durch Orgelneubauten in französischem Stil (Altenhagen) und im Stil von Aristide Cavaillé-Coll (Alkoven) sowie durch Restaurierungen von romantischen Orgeln des 19. Jahrhunderts (Harsefeld, Buxtehude, Eutin).

Andere Neubauten spiegeln den ostwestfälischen Stil wider: Die Orgel in der Bartholomäuskirche in Bielefeld-Brackwede orientiert sich an den Werken von Johann Patroclus Möller, dem bedeutendsten westfälischen Orgelbauer. West restaurierte die Orgel von St. Andreas (Ostönnen), der ältesten spielbaren Orgel in Deutschland. Weite Beachtung fand Rowans Rekonstruktion der Schwalbennestorgel in Lemgo, St. Marien, in den Jahren 2009/2010 hinter dem Renaissance-Gehäuse der Gebr. Slegel von 1595 mit dem originalen Scherer-Prospektpfeifen von 1613. Die fehlenden Register wurden anhand der Scherer-Orgel in Tangermünde und niederländischer Instrumente kopiert.[4]

Rowan West war den traditionellen Handwerkstechniken im Orgelbau verpflichtet und baute Orgeln mit mechanischen Schleifladen. Bei der Pfeifenherstellung verwendete er das Sandgussverfahren und bei Holzkonstruktionen Schwalbenschwanzverbindungen. Die Massivhölzer wurden wie in der Barockzeit nur mit Hobeln und nicht mit Schleifpapier bearbeitet.[5] West war Projektpartner in dem Forschungsprojekt „Entwicklung von Maßnahmen zur Verminderung von Bleikorrosion an Orgelpfeifen aus dem 17. und 18. Jhdt.“, das von 2016 bis 2018 durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und die Klosterkammer Hannover gefördert wurde.[6]

Werkliste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Ort Kirche Bild Manuale Register Bemerkungen
1994 Bielefeld-Brackwede Bartholomäuskirche III/P 46 Neubau im Stil von Johann Patroclus Möller
1996 Taufkirchen an der Pram Pfarrkirche Taufkirchen an der Pram
II/P 25 Neubau im Stil von Arp Schnitger und seiner Schule[7]
1996 Altenhagen (Hagen) St. Meinolf
III/P 36 Neubau im französischen Stil[8]
1996 Remagen St. Peter und Paul
II/P 18 Umbau und Erweiterung der Klais-Orgel von 1969, die als Übergangsorgel gedacht war[9]
1997 Alkoven (Oberösterreich) Pfarrkirche
II/P 16 Neubau im Stil von Aristide Cavaillé-Coll hinter historischem Gehäuse[7]
1999 Celle St. Marien
III/P 49 Neubau hinter dem historischen Prospekt von Berendt Hus
2001 Belum St. Vitus II/p 11 Neubau hinter historischem Prospekt von Georg Wilhelm Wilhelmy (1786)
2001–2002 Harsefeld St. Marien und Bartholomäi
II/P 25 Restaurierung der Orgel von Friedrich Altendorf (1860–1861), elf Register rekonstruiert
2002 Bröckel St. Marien
II/P 12 im Stile Hendrik Niehoffs, ohne ein bestimmtes Instrument zu kopieren, Bleipfeifen auf Sand gegossen und gehämmert
2000–2003 Ostönnen St. Andreas
I/p 8 Restaurierung der Orgel, die in den ältesten Gehäuseteilen und Registern auf die Spätgotik (1431) zurückgeht
Orgel von St. Andreas (Ostönnen)
2005 Wolfsburg-Fallersleben St. Michaelis II/P 27 Neubau hinter historischem Prospekt im Stil der Vorgängerorgel von 1814
2006 Linz Martin-Luther-Kirche III/P 33 Neubau im Stil von Gottfried Silbermann
2006–2007 Buxtehude St. Petri III/P 52 Nachrestaurierung der Orgel von Philipp Furtwängler (1858–1859), Rekonstruktion der 7 gemischten Stimmen
2006–2007 Berlin Universität der Künste Berlin
II/P 22 Neubau im Stil der norddeutschen Barockorgel[10]
2001–2009 Grünendeich St. Marien II/p 17 Restaurierung der Orgel von Dietrich Christoph Gloger (1766), Rekonstruktion von 9 Registern
2008–2009 Prambachkirchen Pfarrkirche
II/P ca. 22 Neubau im mittel- und süddeutschen Stil der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
2009 Eutiner Schloss Schlosskapelle I/P 10 Restaurierung der Orgel von Johann Friedrich Schulze hinter dem Gehäuse von Arp Schnitger (1693)
2009 Neustadt in Holstein Stadtkirche Neustadt in Holstein
III/P 33 Neubau im Stil einer Renaissance-Orgel; Pfeifen und Kehlen wurden alten Vorbildern norddeutscher Orgeln nachgebaut; Besonderheiten:
  • das benötigte Orgelmetall für das Pfeifenwerk wurde mit historischen Verfahren bearbeitet (Sandguss, auf Stärke gehämmert)
  • Brustwerk mit fünf Registern, deren Pfeifen mit Schwerthebeln bedient werden
2009–2010 Lemgo St. Marien
II/P 20 Gehäuse von Gebr. Slegel (1595) und Prospektpfeifen des Hauptwerks von Fritz Scherer (1612–1613) erhalten, ansonsten Rekonstruktion auf den Zustand von 1613.[11]
Orgel
2006–2011 Wesselburen St. Bartholomäus
II/P 31 Rekonstruktion der Orgel von Johann Hinrich Klapmeyer (1736–1738); Prospekt und einige Register erhalten; 18 Register in einem ersten Bauabschnitt 2006, Rest erfolgte bis 2011.
2011 Bad Breisig St. Marien
II/P 28 Neubau hinter dem Prospekt von Johann Friedrich Constabel (1760) im Stil des norddeutschen Hochbarock
Orgel
2012 Steinkirchen St. Martini et Nicolai II/P 28 Restaurierung der Orgel von Arp Schnitger (1685–1687): Verbesserung von Technik und Intonation, historische Stimmung
Orgel von St. Martini et Nicolai (Steinkirchen)
2012 Neuenkirchen (Hadeln) St. Marien II/P 18 Restaurierung der Orgel von Christoph Donat (1661–1662), Dietrich Christoph Gloger (1738) und Johann Georg Wilhelm Wilhelmy (1835–1836)
2011–2013 Berlin-Zehlendorf Paulus-Kirche
II/P 22 Neubau im Stil von Gottfried Silbermann und Tobias Heinrich Gottfried Trost, ohne ein bestimmtes Instrument zu kopieren. Als Ergänzung zum Neubau in französisch-symphonischer Tradition von Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt (2011–2013)[12]
2015–2016 Grasberg Ev.-luth. Kirche
II/P 21 Sanierung der Orgel von Arp Schnitger (1693–1694): Neubelederung, Reinigung und Beseitigung des Schimmelbefalls, Wartungsarbeiten und Neuintonation
2016 Marbach am Neckar Ev. Stadtkirche
II/P 17 Mensuren und Intonation der von Friedrich Lieb erbauten → Orgel
2013–2017 Oederquart St. Johannis III/P 28 Rekonstruktion der Orgel von Arp Schnitger hinter dem erhaltenen Prospekt mit originalen Prospektpfeifen aus Zinn (1682) in drei Bauabschnitten[13]
2018 Nassau Johanniskirche II/P 16 Neubau mit Wechselschleifen[14]
2019 München Hochschule für Musik und Theater
II/P 28 Neubau einer „Bach-Orgel“
Orgel
2019/2020 Grundhof Marienkirche
II/P 21 Rückführung der Orgel von Johann Daniel Busch auf den Zustand von 1763[15]
2018–2021 Kempten (Allgäu) Basilika St. Lorenz
I/P 13 Neubau im süddeutschen Stil des Hochbarock hinter historischem Prospekt eines unbekannten Orgelbauers (1740)
2021 Buxtehude St. Petri, Chororgel
II/P 13 im Rückpositiv-Gehäuse von Paul Ott der Orgel von St. Cosmae et Damiani (Stade); Erweiterung der Orgel von Gebr. Hillebrand (1974–1975) um 6 neue Register, 2 Transmissionen, 4 Wechselschleifen und 2 Extensionen; im Juli 2021 durch Hochwasser zerstört[3]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rowan West – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Orgeln am Mittelrhein und eine heilige Stiege, S. 6. Abgerufen am 18. August 2021.
  2. Hochwasser Westdeutschland. Hochwasser zerstört auch 'unsere' Orgelwerkstatt – die Firma West besteht weiterhin und nimmt die Arbeit wieder auf. In: Internetpräsenz. Ev.-luth. Kirchengemeinde Apensen, 1. Juli 2021, archiviert vom Original am 11. Dezember 2021; abgerufen am 18. August 2021.
  3. a b Nachruf Rowan West (1953–2023), abgerufen am 5. Juli 2023.
  4. Orgeln. In: St. Marien Lemgo. Abgerufen am 18. August 2021.
  5. Deutschlandradio Kultur: Perfekter Klang im Kirchenraum. Abgerufen am 18. August 2021.
  6. MPA Bremen. Abgerufen am 18. August 2021.
  7. a b Roman Summereder: Aufbruch der Klänge. Materialien, Bilder, Dokumente zu Orgelreform und Orgelkultur im 20. Jahrhundert. Edition Helbling, Innsbruck 1995, ISBN 3-900590-55-9, S. 321.
  8. Orgel in Altenhagen. Abgerufen am 18. August 2021.
  9. Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 40). Band 4: Regierungsbezirke Koblenz und Trier, Kreise Altenkirchen und Neuwied. Teil 2. Schott, Mainz 2005, ISBN 978-3-7957-1342-3, S. 890.
  10. Orgel in Berlin, Institut für Kirchenmusik. Abgerufen am 18. August 2021.
  11. Alle Register wurden auf Sand gegossen und gehämmert. Die Mensuren und Pfeifenbauweise wurden von Slegel und Scherer kopiert, die Trompete ist nach Albert Kiespenning aus dem Jahr 1612 in Wijk bij Duurstede kopiert, die Bärpfeife eine Rekonstruktion nach den Zeichnungen und Maßstäben in Syntagma musicum von Michael Praetorius.
  12. Paulus-Orgeln. In: Ev. Paulusgemeinde Berlin-Zehlendorf. Abgerufen am 18. August 2021.
  13. Orgel in Oederquart. Abgerufen am 18. August 2021.
  14. Orgel in Nassau. Abgerufen am 18. August 2021.
  15. Orgel in Grundhof. Abgerufen am 18. August 2021.