Schicht (Unternehmen)

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Bekanntestes Produkt von Georg Schicht war die Schicht- oder Hirsch-Seife

Die Georg Schicht AG war ein ursprünglich aus Aussig a. d. Elbe (Böhmen) stammendes Unternehmen der chemischen Industrie, dass unter Johann Schicht zum größten Seifen- und Hygieneproduktehersteller in Europa aufstieg. 1929 gehörte die Schicht AG zu den Mitbegründern von Unilever und wurde als Markenname noch bis in die 1950er Jahre beibehalten.

Die von Schicht verwendeten Markennamen Schicht-Seife und Hirsch-Seife wurden zu Gattungsbegriffen für Kernseife in Tschechien und Österreich.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johann Schicht

Das Unternehmen geht auf den Bauern und Fleischhauer Georg Schicht d. Ä. (1820–1887) zurück, ein Vater von neun Kindern. Dieser erhielt 1848 die Befugnis zur Produktion und Verkauf von Seifen in der Region um Reichenberg und begann im selben Jahr mit einer Seifenproduktion in seinem Haus im nordböhmischen Ringelshain.[2] Durch den beruflichen Erfolg wurde es ihm möglich, im Jahr 1867 eine neuerbaute Seifensiederei zu eröffnen.[3]

1878 übergab Schicht sen. das Unternehmen seinen Söhnen Josef (1851–1923), Franz (1853–1924) und Johann, während der jüngste Sohn Heinrich (1857–1929) erst später aufgenommen wurde.[4] Der 1849 geborene Sohn Georg Schicht d. J. (1849–1913) machte sich in Wien mit einem eigenen Betrieb selbstständig.[5] Die Söhne erweiterten das Absatzgebiet des väterlichen Unternehmens durch Errichtung von Verkaufsfilialen in Aussig, Reichenberg und Teplitz. Johann Schicht hatte bereits 1873 die Idee, die Produktion in den Verkehrsknoten Aussig zu verlegen, um Transportprobleme von Rohmaterial und Fertigprodukten zu lösen. 1882 realisierten die Brüder Schicht die Idee der Expansion und errichteten zwischen den heutigen Aussiger Ortsteilen Kramoly und Novosedlice in Střekov (Schreckenstein) eine Fabrik, die im Folgejahr in Betrieb genommen wurde.[3][6]

Fabrikanlagen in Aussig (1903)

Während sich Johann Schicht nun um die neue Fabrik in Aussig kümmerte, lenkte sein Bruder Heinrich die Produktion in Ringelshain. Ab 1885 wuchs das kleine Unternehmen mit zunächst lediglich 12 Beschäftigten exponentiell an. Erzeugt wurden neben Seifen eine Menge anderer Artikel, wie beispielsweise Kerzen und Margarine. Johann Schicht erkannte bald die Bedeutung von importierten tropischen Ölen für die Seifenherstellung und richtete in der Folge weitere Produktionsstätten in der Fabrik ein, so 1887 zur Herstellung von Palmöl und 1891 für Wasserglas, 1896 folgte die Erzeugung von Stearin und 1896 von Glyzerin. Bereits 1894 war die Feinseifenerzeugung aufgenommen worden, die Schicht-Seife oder (nach dem Logo, einem springen Hirschen) Hirschseife wurde rasch zum Gattungsbegriff für Kernseife. 1894 wurde auf der hygienischen Ausstellung in Wien der Firma Georg Schicht in Aussig a. d. Elbe auf ihre „Patentseife“ die goldene Medaille zuerkannt.[3][7]

Um 1900 gründete Wilhelm Schicht in Ringelshain die Nährmittelwerke Ceres,[8] benannt nach der Göttin Ceres. Dieser Markenname bezeichnete in der Folge zahlreiche Lebensmittel, zunächst Fruchtsäfte aus Ringelshain. Spätestens ab 1905 wurde unter Ceres vor allem Kokosfett aus Ringelshain und Aussig[9] bezeichnet, dieser Markenname ist auch heute noch in Verwendung. Das Unternehmen Schicht errichtete daneben auch eine eigene Maschinenfabrik und eine Schmiede, betrieb Kohlenminen und Kraftwerke. Es investierte auch in einige Chemie- und Lebensmittelerzeugungsunternehmen. Eine Niederlassung wurde 1906 in Mährisch Ostrau gegründet.[6]

Wegen gesundheitlicher Probleme wandelte Johann Schicht das Einzelunternehmen im Jahr 1906 mit Hilfe der Anglobank in eine Aktiengesellschaft um, an der die Familie Schicht zu 80 % beteiligt war.[10][11] Das Firmenkapital betrug 10 Millionen Kronen.[6] Als Johann Schicht im Jahr 1907 starb, hatte die Georg Schicht AG rund 1.800 Beschäftigte. Sein Sohn Heinrich Schicht (1880–1959; er entwickelte u. a. das erfolgreiche Waschmittel Frauenlob[3]) folgte als Präsident des Unternehmens nach, während Sohn Georg III. (1884–1961) als Vizepräsident und kaufmännischer Direktor die Leitung des Unternehmens übernahm. 1911 erfolgte die Fusion mit dem bisher größten heimischen Konkurrenten, der 1839 gegründeten Ersten österreichische Seifensieder-Gewerks-Gesellschaft „Apollo“ in Wien. Deren bisherige Eigentümer, Felix und Max Fischer, erhielten Aktien der Georg Schicht AG und wurden in den Vorstand berufen.[3][11]

Werbung für Schicht-Seife

In den Jahren 1912/13 erfolgte die schrittweise Übernahme der Firma Emanuel Khuner & Sohn (Marke Kunerol) in Wien-Atzgersdorf, mit der sich die Schicht AG schon seit 1906 in erbittertem Konkurrenzkampf[10] befunden hatte. Das Unternehmen blieb jedoch eigenständig und wurde weiterhin von Paul und Georg Khuner geführt. Diese erhielten den Kaufpreis nicht wie üblich in Aktien, sondern in bar.[11] Nach diesen teilweise geheimgehaltenen Transaktionen stieg die Georg Schicht AG zum größten chemischen Betrieb Europas auf und war für 90 % der Speisefetterzeugung Österreich-Ungarns verantwortlich. Dieser Geschäftszweig machte jedoch nur 8 % des Verkaufserlöses des Unternehmens auf, das am Vorabend des Ersten Weltkriegs rund 5.000 Mitarbeiter zählte.[11]

1916 gründete Schicht in Wien als Verkaufsgesellschaft für Kosmetikprodukte die Parfümerie Elida. 1917 gründete Georg III. Schicht die Finanzierungsgesellschaft Limmat in Zürich und mit der Heima in Amsterdam eine Gesellschaft zur Rohstoffbeschaffung, beide in neutralen Staaten gelegen, deren Gewinne für das im Bereich der Mittelmächte gelegene Gesamtunternehmen lebenswichtig waren.[3]

Nach dem Zerfall der Donaumonarchie fielen bis zu 75 % des Marktes für das Unternehmen weg. Dieses wurde in der Folge geteilt und neben dem Stammhaus in Aussig im Jahr 1924 die Österreichische Georg Schicht AG als Tochterfirma zur Wahrung der Interessen in der neu entstandenen Republik Österreich gegründet, im Aufsichtsrat saßen ausschließlich Familienmitglieder. Im Jahr 1923 eine neue Margarinefabrik in Atzgersdorf gebaut und die Margarinemarke Thea auf den Markt gebracht. 1925 wurde die Firma F. A. Sarg’s Sohn & Co. in Wien-Liesing übernommen, welche die weltweit erste Zahnpasta in Tuben unter dem Markennamen Kalodont herstellte.[3][11]

Am 26. April 1929 kam in Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) der erste Tonfilm in der Tschechoslowakei zur Aufführung, ein Werbespot der Georg Schicht AG.[12]

Nachdem bereits vor dem Ersten Weltkrieg Sondierungsgespräche mit den niederländischen Margarineproduzenten van den Bergh und Jurgens sowie den britischen Lever Brothers gab, schritt man Ende der 1920er Jahre zum Zusammenschluss. Im Jahr 1929 wurde aus zehn Unternehmen der Branche, unter ihnen die Georg Schicht AG, der Konzern Unilever gegründet. Georg und Franz Schicht (1891–1972) wurden in den Aufsichtsrat des Konzerns nach London berufen, während Heinrich weiterhin die Produktion in Aussig leitete, wo eine Zentrale für Mittel- und Osteuropa entstand. Die Österreichische Georg Schicht AG besaß nach der Fusion fünf Fabriken in Wien und Klosterneuburg mit rund 1.000 Mitarbeitern.[3][6][11]

Werbeschilder für Kunerol und Thea-Margarine

Im Jahr 1939, nach dem Anschluss Österreich und dem Einmarsch deutscher Truppen in der Tschechoslowakei, wurden die Tochterfirmen mit Unilever Deutschland verschmolzen. Während Georg Schicht von London aus die Tschechoslowakische Exilregierung unterstützte, verblieb Heinrich im nun im Deutschen Reich gelegenen Unternehmen und führte dieses bis 1945 weiter. 1946 wurden die in der Tschechoslowakei gelegenen Produktionsstätten sowie wie der Besitz der Familie Schicht aufgrund der Beneš-Dekrete enteignet und in der Folge verstaatlicht. Ein Einspruch seitens Unilever blieb wirkungslos. Von den österreichischen Betrieben existierten nur doch die Standorte in Simmering und Atzgersdorf, wovon letzterer in der sowjetischen Besatzungszone lag und der USIA angehörte. Immerhin gelang es, den erneut als Österreichische Georg Schicht AG firmierenden Betrieb für eine Lohnherstellung für das stark von Kriegsereignissen gezeichnete und ab 1946 als Unilever firmierende Werk in Simmering zu bewegen.[3][11][6]

Der Markenname Schicht wurde von Unilever noch bis in die 1950er Jahre für Waschmittel und Seife verwendet.

Überbleibsel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unilver verwendet nach wie vor Marken wie OMO

Die Marke Kuner wird von Unilever nach wie vor für Mayonnaise und Saucen verwendet, ebenso die Marke Thea für Margarine zum Backen sowie OMO für Waschmittel. Die Marke Ceres wurde von Unilever 2004 an die Firma Vereinigte Fettwarenindustrie (VFI, ehemals Estermann) in Wels verkauft.[13] Zudem gibt es immer noch Seifen der Marke Hirsch auf dem Markt.[14]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Franz Mathis: Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1987, ISBN 3-7028-0256-8.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das Seifenhersteller-Epos aus Aussig. In: deutsch.radio.cz. 11. Mai 2019, abgerufen am 5. April 2024.
  2. zur Familie siehe auch Josef Mentschl: Schicht. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 722 (Digitalisat).
  3. a b c d e f g h i Schicht - Deutsche Biographie. In: deutsche-biographie.de. Abgerufen am 4. April 2024.
  4. J. Mentschl: Schicht, Georg der Ältere. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 10, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1994, ISBN 3-7001-2186-5, S. 105.
  5. J. Mentschl: Schicht, Georg der Jüngere. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 10, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1994, ISBN 3-7001-2186-5, S. 105.
  6. a b c d e SETUZA | History (Memento vom 9. Februar 2008 im Internet Archive)
  7. Tages-Neuigkeiten. […] Hohe Auszeichnung.. In: Badener Bezirks-Blatt, 7. Juli 1894, S. 5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bbb
  8. Annonce Ceres. In: Blatt der Hausfrau, Heft 44 (1900), S. 21 (Online bei ANNO)
  9. Annonce Ceres. In: Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 23. April 1905, S. 31 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/cer
  10. a b Ceres-Speisefett. In: Pilsner Tagblatt / Pilsner Tagblatt. Westböhmische Tageszeitung / Westböhmische Tageszeitung / Westböhmische Tageszeitung. Pilsner Tagblatt, 4. April 1906, S. 5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/pit
  11. a b c d e f g Mathis: Big Business in Österreich. S. 321–324.
  12. Vor 95 Jahren wurde erstmals in der Tschechoslowakei ein Tonfilm gezeigt. In: deutsch.radio.cz. 21. April 2024, abgerufen am 23. April 2024.
  13. Josef Lehner: Nicht die VFI muss bekannt sein, sondern das Kronenöl. In: nachrichten.at. 27. Oktober 2009, abgerufen am 9. September 2021.
  14. Hirsch Terpentinseife 2er-Packung online kaufen. In: mpreis.at. Abgerufen am 5. April 2024.