Schmelzflussindex

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Schmelze-Volumenfließrate (englisch MVR = Melt Volume-flow Rate oder ehemals und bis heute oft umgangssprachlich als Melt Volume Rate oder MVI = Melt Volume Index bezeichnet) dient zur Charakterisierung des Fließverhaltens (Formmassenprüfung) eines Thermoplasten bei bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen. Die Bestimmung der Schmelze-Massefließrate erfolgt analog der Schmelze-Volumenfließrate und unterscheidet sich im Messergebnis durch die Schmelzedichte. Es ist ein Maß für die Viskosität einer Kunststoffschmelze. Daraus lässt sich auf den Polymerisationsgrad, also die mittlere Anzahl von Monomereinheiten in einem Molekül schließen.

Der MVR/MFR nach ISO 1133 wird mittels eines Kapillarrheometers ermittelt, wobei das Material (Granulat oder Pulver) in einem beheizbaren Zylinder aufgeschmolzen und unter einem durch die Auflagelast entstehenden Druck durch eine definierte Düse (Kapillare) gedrückt wird. Ermittelt wird das austretende Volumen bzw. Masse der Polymerschmelze (des sogenannten Extrudats) als Funktion der Zeit. Ein wesentlicher Vorteil der Schmelze-Volumenfließrate liegt in der einfachen Messung des Kolbenwegs bei bekanntem Kolbendurchmesser zur Bestimmung des ausgetretenen Schmelzevolumens. Im Gegensatz dazu müssen bei der Schmelze-Massefließrate die abgestochenen Schmelzestränge gewogen werden und es entsteht ein zusätzlicher Aufwand für die Handhabung.

oder

Die Einheit für den MVR ist cm³/10 min, für den MFR g/10 min.

Beispiel: MFR/190/5 (Prüftemperatur 190 °C, Masse 5 kg) von Hostalen GM5010T2 (Polyethylen) = 0,4 – 0,7 g/10 min

Wird ein Kunststoff – beispielsweise durch Chemikalienangriff oder Strahlung – so geschädigt, dass ein Kettenabbau einsetzt, so verringert sich seine Schmelzviskosität und die Schmelze-Volumenfließrate steigt. Auch Materialverunreinigungen oder Fehler während der Verarbeitung können den MVR/MFR negativ beeinflussen. Der MVR/MFR sagt nur indirekt etwas über die Fließeigenschaften von Kunststoffen aus, er ist vielmehr ein Wert, der in der Qualitätssicherung Anwendung findet.

Hauptanwendungsgebiete der Schmelze-Volumenfließrate/Schmelze-Massefließrate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Produktionskontrolle
  • Wareneingangskontrolle
  • Schadensanalyse/Kundenreklamation

Typische Prüfbedingungen einiger Kunststoffe

Prüflast/kg
Prüftemperatur/°C 0,325 1,2 2,16 3,8 5 10 21,6
125 EVA
150 EVA
190 PE
EVA
POM
PE
PP
PE
WPC
200 PS
220 ABS
SAN
ASA
230 PP PMMA
PP
PVDF
235 PA-12
PA-11
PA-12
PA-11
PA-11
250 PBT
260 PBT PMP PMMI
275 PA
280 PPE/PS PET
PPE/PS
PPE/PS PPE/PS
300 PC PPE/PS PA-GF
PPE/PS
PPE/PS
315 PPS
330 PC PA6T
340 PC PEI
343 PSU
360 PES
PPSU
PSU
400 PES
PPSU
PEEK
Quellen: DIN Taschenbuch Thermoplastische Formmassen, CAMPUS-Datenbank, Werkstoffdatenblätter der Hersteller

Messunsicherheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Schmelze-MasseFließrate (MFR) stehen Ringversuchsdaten zur Verfügung. Die Vergleichstandardabweichung sR ist in einem breiten Bereich linear von der MFR abhängig. Ihr relativer Wert – sR,rel – kommt je nach Werkstoff gewöhnlich zwischen 3 und 8 % zu liegen. Deutlich höhere sR,rel-Werte werden jedoch für die meisten Polykondensate beobachtet, wenn die Probe nicht nach ISO 1133-2 vorbehandelt wird. Ringversuchsdaten, die auf Polykondensaten mit geeigneter Probenvorbehandlung basieren, liegen noch nicht vor. sR ist ein guter Schätzwert für die Standardunsicherheit u.[1]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Otto Schwarz: Kunststoffkunde, Würzburg: Vogel Verlag, 2005, ISBN 3-8023-1987-7
  • Walter Hellerich; Günther Harsch; Siegfried Haenle: Werkstoff-Führer Kunststoffe: Eigenschaften, Prüfungen, Kennwerte, Hanser Fachbuchverlag München, 2004, ISBN 3-446-22559-5
  • ISO 1133 (DIN EN ISO 1133) Bestimmung der Schmelze-Massefließrate (MFR) und der Schmelze-Volumenfließrate (MVR) von Thermoplasten
  • ISO 1133-2 (DIN EN ISO 1133-2) Kunststoffe – Bestimmung der Schmelze-Massefließrate (MFR) und der Schmelze-Volumenfließrate (MVR) von Thermoplasten – Teil 2: Verfahren für Materialien, die empfindlich gegen ein zeit- bzw. temperaturabhängige Vorgeschichte und/oder Feuchte sind

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bruno Wampfler, Samuel Affolter, Axel Ritter, Manfred Schmid: Messunsicherheit in der Kunststoffanalytik - Ermittlung mit Ringversuchsdaten. Hanser, München 2017, ISBN 978-3-446-45286-2, S. 83–84.