Schweizerisches Arbeiterhilfswerk

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Schweizerisches Arbeiterhilfswerk
(SAH)
Rechtsform Dachverein
Gründung 1936 (Stiftung)
2011 (heutiger Dachverein)
Gründer Schweizerischer Gewerkschaftsbund, SP Schweiz
Sitz Bern
Geschäftsstelle Zieglerstrasse 29, 3007 Bern
Vorsitz Samuel Bendahan, Nationalrat
Geschäftsführung Caroline Morel, Leiterin Nationales Sekretariat (2008 geschaffen)
Mitglieder 10 unabhängige Regionalvereine und Solidar Suisse (Beobachterstatus)
Website sah-schweiz.ch

Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) wurde 1936 von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz und dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund gegründet. Die zehn unabhängigen Regionalvereine des SAH setzen sich schweizweit für Arbeit und Integration ein.[1]

Solidar Suisse war bis 2005 der Auslandsbereich des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks[1] und ist heute eine eigenständige Schweizer Nonprofit-Organisation, die sich für globale Fairness und gegen extreme Ungleichheit einsetzt.[2]

Seit 2011 ist das Schweizerische Arbeiterhilfswerk als Dachverein (SAH Netzwerk) organisiert, in welchem die zehn Regionalvereine innerhalb der Schweiz sowie Solidar Suisse (mit Beobachterstatus) die Mitgliedsverbände sind.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als SAH bis 2005[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1932 wurde die Proletarische Kinderhilfe als Hilfsorganisation für Kinder von Schweizer Arbeitslosen gegründet. Ab 1933 organisierte das Hilfswerk, geleitet von Regina Kägi-Fuchsmann, unter dem neuen Namen Arbeiterkinderhilfe der Schweiz Erholungsaufenthalte für französische Arbeiterkinder und weitete seine Aktivitäten zudem auf Frankreich und Österreich aus.

1936 gründeten der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz das Schweizerische Arbeiterhilfswerk.[4] Ihr Ziel war es, bedürftige Arbeiterfamilien im In- und Ausland zu unterstützen. Die neue Organisation leistete zudem humanitäre Hilfe im Spanischen Bürgerkrieg. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die Organisation in der Flüchtlingshilfe aktiv. Im Rahmen der Aktion «Colis Suisse» verschickte das SAH in Zusammenarbeit mit zahlreichen freiwilligen Helfern Lebensmittelpakete in die Flüchtlingslager Europas. Damit unterstützte es zehntausende von Kriegsflüchtlingen.

Erstmals engagierte sich das SAH 1947 politisch im Rahmen einer Abstimmungskampagne in der Schweiz, nämlich zu Gunsten der Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung. Ab 1949 leistete das SAH – als eines der ersten Schweizer Hilfswerke – internationale Entwicklungshilfe, u. a. in Griechenland, Palästina/Israel und Jugoslawien und nach dem Algerienkrieg auch in Algerien und Tunesien. 1951 wurde das SAH Gründungsmitglied des Internationalen Arbeiterhilfswerks IAH, welches sich 1995 in SOLIDAR umbenannte. Zusammen mit der Österreichischen Volkshilfe leistete das SAH beim Volksaufstand 1956 umfangreiche Hilfe an die ungarischen Flüchtlinge. Die Besetzung der Tschechoslowakei nach dem Prager Frühling, der Bürgerkrieg in Biafra und die Unterdrückung Oppositioneller durch das Militärregime in Griechenland bewirkten die Flucht von tausenden politisch Verfolgten, die vom SAH Unterstützung erhielten. Nach dem Volksaufstand in Nicaragua entstand in Europa in den 1970er-Jahren eine grosse Solidaritätsbewegung für Zentralamerika. Das SAH entsandte Freiwillige nach Nicaragua und führte eine gross angelegte Alphabetisierungskampagne durch. In Nicaragua wurde 1986 der Hilfswerksmitarbeiter Yvan Leyvraz von Contras ermordet.

Die Organisation hat seither ihre Entwicklungszusammenarbeit laufend ausgebaut:

  • 1974 wurde das erste Brunnenbau-Projekt in Obervolta (heute Burkina Faso) durchgeführt.
  • Nach der Machtübernahme durch das Pinochet-Regime in Chile und dem Militärputsch in der Türkei stiegen die Asylgesuche in der Schweiz an. Ab 1984 engagierte sich das SAH gegen die regelmässigen Verschärfungen des Asylrechts.
  • Nach dem Zusammenbruch der Berliner Mauer 1989 folgte ein rasanter Umbruch in Osteuropa. In Zusammenarbeit mit Gewerkschaftsverbänden vor Ort begann das SAH in Rumänien mit arbeitsmarktlichen Massnahmen und Bildungsprogrammen für Gewerkschaften.
  • 1990 begann das Engagement des SAH in Südafrika.

Zu Beginn der 1990er-Jahre war die Schweiz mit einem für sie neuen Problem konfrontiert: Die Erwerbslosigkeit stieg von bisher unter einem auf plötzlich fünf Prozent. Das SAH entwickelte daraufhin Erwerbslosenprogramme. Die Regionalstellen des SAH wurden ausgebaut und 2005 in selbständige Vereine umgewandelt. Diese regionalen SAH-Vereine in der Schweiz blieben unter dem bisherigen Namen bestehen. Die 10 Regional-Vereine sind auch heute weiterhin unter dem Namen Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH innerhalb der Schweiz tätig.[5] Sie sind von Solidar Suisse unabhängige Organisationen, während die Solidar Suisse als ehemalige Auslandsabteilung der SAH für weltweite Hilfsprojekte zuständig ist.

Nach den Kriegen auf dem Balkan (1991–2001) engagierte sich das SAH in Bosnien und Kosovo, nach dem Hurrikan Mitch (2000) in Zentralamerika und nach dem Tsunami in Südostasien (2004).

Nach Reorganisation des SAH[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2005 kam es zur Aufteilung des SAH, indem die Auslandsabteilung des SAH selbstständig wurde, währenddem die nationale Arbeit von den zehn regionalen SAH-Vereinen übernommen wurde.[6] Diese gründeten daraufhin zur nationalen Koordination 2008 ein Sekretariat in Bern.[7]

Seither engagiert sich v. a. Solidar Suisse mit politischen Kampagnen in der Schweiz. Zu den ersten bekannten Kampagnen gehören «Kehr$eite – keine Ausbeutung mit unseren Steuergeldern» (2008) und «An$toss – keine Ausbeutung bei der Fussball-WM» (2010).

2011, im selben Jahr, als sich die Schwesterorganisation in Solidar Suisse umbenannte, gründeten die Regionalvereine die Dachorganisation SAH Netzwerk, zu dessen Aufgabe die Koordination der lokalen SAH-Vereine, der Kontakt zu Solidar Suisse sowie das Betreiben des nationalen Sekretariats gehört.[8][3]

In den 2010er-Jahren wurden mit «Solidar-Gemeinderating – global denken, lokal handeln» (2011, 2013, 2016 und 2019), «Fair Trade – what else?» (2011) und zwei Kampagnen für faire Arbeitsbedingungen bei der Produktion von Pfannen und Spielwaren (2016, 2017, 2018) weitere nationale Kampagnen durchgeführt.

Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Regionale SAH-Vereine

In der Schweiz engagieren sich zehn unabhängige regionale SAH-Vereine (Basel, Bern, Freiburg, Genf, Schaffhausen, Tessin, Waadt, Wallis, Zentralschweiz, Zürich) in 16 Kantonen mit rund 900 Mitarbeitenden für benachteiligte Menschen. Sie bieten Bildungs-, Beschäftigungs- und Arbeitsintegrationsprogramme für erwerbslose und ausgesteuerte Menschen an und unterstützen Asylsuchende, Flüchtlinge und Migranten mit Beratung und Begleitung.[9]

Das SAH ist einer von 11 Mitgliedsverbänden der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH).[10]

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die regionalen SAH-Vereine sind unabhängig und werden von jeweils eigenständigen Vorständen geführt. National vernetzt sind sie über den Verein SAH Netzwerk, das nationale Sekretariat sowie über die Regionalkonferenz (Reko), in denen alle Geschäftsführenden der SAH-Regionalvereine Mitglied sind.

Präsidenten des SAH bis 2005[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis 2005 wurde der SAH national von einem Präsidenten geführt. Der letzte Präsident über den gesamten SAH, Ruedi Winkler, war nach der Reorganisation ab 2005 Präsident der neu organisatorisch eigenständigen Auslandsabteilung.

Jahr Präsidenten (Trägerorganisation/Funktion)
1936–1940 Adolf Lüchinger (SP, Stadtpräsident Zürich)
1940–1955 Paul Wieser
1955–1970 Adolf Maurer (SP, Stadtrat Zürich)
1970–1976 Louis Joye (SEV, SGB)
1976–1990 Karl Aeschbach (GBH, SGB)
1990–1996 Hans-Jakob Mosimann (vpod)
1996–2003 Regine Aeppli (SP, Regierungsrätin)
2003–2005 Ruedi Winkler

Präsidenten Netzwerk SAH (ab 2011)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Präsidenten (Trägerorganisation/Funktion)
2011–2012 vakant
2012–2017 Jean Christophe Schwaab (SP, Nationalrat)
2018–2020 Mattea Meyer (SP, Nationalrätin)
2020–2023 Marina Carobbio (SP, Ständerätin)[11]
ab 2023 Samuel Bendahan (SP, Nationalrat)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Björn Erik Lupp: Von der Klassensolidarität zur humanitären Hilfe. Die Flüchtlingshilfe der politischen Linken 1930–1950. Chronos, 2006, ISBN 3-0340-0744-2.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Partner SAH Schweiz
  2. Themen auf solidar.ch
  3. a b Gremien. Schweizerisches Arbeiterhilfswerk, abgerufen am 21. November 2023.
  4. Solidarität seit 1936 (Memento vom 31. Juli 2015 im Internet Archive). Solidar Suisse.
  5. 11 Regionalvereine in 18 Kantonen und allen Sprachregionen der Schweiz. SAH Schweiz, abgerufen am 15. August 2019.
  6. Die Geschichte von Solidar Suisse. Solidar Suisse, abgerufen am 20. November 2023.
  7. Über uns. Schweizer Arbeiterhilfswerk, abgerufen am 20. November 2023.
  8. Schweizerisches Arbeiterhilfswerk (Hrsg.): Statuten SAH Schweiz. 25. November 2019 (sah-schweiz.ch [PDF; 5,2 MB; abgerufen am 21. November 2023]).
  9. SAH Schweiz. Abgerufen am 4. Juli 2016.
  10. Organisation der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Stand 2023
  11. Neue Präsidentin SAH Schweiz. Schweizerisches Arbeiterhilfswerk, 23. November 2020, abgerufen am 20. November 2023 (Medienmitteilung).