Scotty Bowers

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George Albert „Scotty“ Bowers (* 1. Juli 1923 in Ottawa, Illinois; † 13. Oktober 2019 in Los Angeles, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Zuhälter, der zwischen den 1940er- und 1980er-Jahren offenbar viele Hollywood-Stars zu seinen Klienten zählte. Seine 2012 veröffentlichte Autobiografie Full Service brachte ihm internationale Aufmerksamkeit ein.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Scotty Bowers diente im Zweiten Weltkrieg im United States Marine Corps und nahm unter anderem an der Schlacht um Iwojima teil, in der sein Bruder und sein bester Freund starben.[1] Nach Bowers’ Darstellung wurde er nach Kriegsende Tankwart am Hollywood Boulevard, wo ihm erstmals 1946 der Schauspieler Walter Pidgeon 20 US-Dollar für Sex bezahlt haben soll. Anschließend verbreitete sich sein Ruf in Hollywood und Bowers begann, junge Männer und Frauen aus seinem Bekanntenkreis für hetero-, bi- und homosexuelle Kunden zu rekrutieren.[2] Offiziell habe er als Barkeeper und persönlicher Assistent, etwa für den Regisseur George Cukor, gearbeitet.[3]

Bowers sah sich nicht als Zuhälter im eigentlichen Sinne, da er kein Geld genommen habe für die Vermittlung anderer Personen, sondern nur, wenn er selbst direkt am Sex beteiligt gewesen sei.[4] Da viele seiner Aktivitäten illegal gewesen seien, habe er die Adressen seiner Kunden stets im Kopf behalten.[5] Bowers behauptete auch, er habe dem Sexwissenschaftler Alfred Kinsey bei dessen Recherchen zum Sexualverhalten geholfen, indem er ihm vom Verhalten seiner Kunden berichtete.[6] Mit der Ausbreitung des HI-Virus in den 1980er-Jahren habe er sich von der Sexvermittlung zurückgezogen.[7] Noch mit über 80 Jahren betätigte sich Bowers als Barkeeper auf Hollywood-Partys.[8]

Bowers starb im Oktober 2019 im Alter von 96 Jahren in seinem Haus am Laurel Canyon.[9] Die Ehefrau von Bowers, der sich selbst als bisexuell bezeichnete, war bereits 2018 gestorben.[10]

Full Service und Dokumentarfilm Scotty and the Secret History of Hollywood[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine 2012 veröffentlichte Autobiografie Full Service: My Adventures in Hollywood and the Secret Sex Lives of the Stars, die in Zusammenarbeit mit dem Autor Lionel Friedberg geschrieben wurde, brachte Bowers erstmals breite öffentliche Aufmerksamkeit ein. Bekannte internationale Zeitungen rezensierten sie und er gab mehrere Interviews für das US-Fernsehen. Johanna Adorján schrieb in ihrer Rezension für die FAS: „Mehrere große Verlage wollten das Buch nicht drucken, weil es so unverblümt Klatsch ist, nicht gut geschrieben, eher hastig draufloserzählt, kein tieferer Sinn, keine zweite Ebene – einfach Bahnhofsklo-Tratsch über berühmte Menschen, die heute tot sind und sich nicht wehren können. Leider ist einiges davon ganz interessant.“[11]

Bowers behauptete unter anderem, dass die Beziehungen von König Edward VIII. und Wallis Simpson sowie Katharine Hepburn und Spencer Tracy öffentlich inszeniert gewesen seien, da beide Paare vorwiegend homosexuell gewesen seien.[12] Neben weniger bekannten Kunden habe er für berühmte Personen wie Cole Porter, Laurence Olivier, Tyrone Power, Tennessee Williams, Howard Hughes, Charles Laughton, Montgomery Clift, Anthony Perkins, Malcolm Forbes, Harold Lloyd, Tony Richardson, Bette Davis, Gloria Swanson, Rita Hayworth, Errol Flynn (der laut Bowers eine Vorliebe für minderjährige Mädchen gehabt haben soll), Bob Hope, W. Somerset Maugham, Vincent Price, J. Edgar Hoover – nach seiner Behauptung ein Transvestit – und Brian Epstein als Zuhälter gearbeitet. Er persönlich habe unter anderem mit Cary Grant und dessen angeblichem Lebensgefährten Randolph Scott, Édith Piaf, Lana Turner und Vivien Leigh Sex gehabt.[13][14]

Viele seiner prominenten Kunden hätten damals gesellschaftlich inakzeptable, teilweise strafbare Vorlieben gehabt; deren Bekanntwerden hätte durch die Moralklauseln der Hollywood-Filmstudios zum Ende ihrer Karrieren führen können. Bowers sei daher für seine Diskretion geschätzt worden.[15] Der bei der Buchveröffentlichung 88-jährige Bowers gab an, dass er lange geschwiegen habe, da er keine seiner Kunden verletzen wolle.[16] 2017 veröffentlichte der Regisseur Matt Tyrnauer den Dokumentarfilm Scotty and the Secret History of Hollywood, in der Bowers und weitere Zeitzeugen zu Wort kamen.

Glaubwürdigkeit der Aussagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Scotty Bowers’ Behauptungen wurden unter Historikern und Journalisten, die sich mit dem klassischen Hollywood beschäftigten, breit diskutiert. Der Daily Telegraph schrieb kritisch und fand viele Behauptungen bizarr,[17] die New York Times und der Guardian behandelten seine Aussagen dagegen als glaubwürdig.[18] So schrieb die New York Times, dass die Existenz von Bowers und seinen Tätigkeiten bereits vor der Veröffentlichung seines Buches von vielen älteren Hollywood-Persönlichkeiten hinter vorgehaltener Hand erwähnt wurde.[19]

Der Autor Gore Vidal unterstützte die Behauptungen[20] und erwähnte Bowers in seiner Autobiografie. In den Tagebüchern von Cecil Beaton findet er ebenfalls Erwähnung.[21] Robert Benevides, der langjährige Lebensgefährte von Bowers’ Kunden Raymond Burr, bekräftigte 2016 die Behauptungen von Bowers im Interview.[22] Als Beweis für seine Tätigkeiten führte Bowers auch Geschenke seiner Klienten an; so vermachte ihm der Schauspieler Beech Dickerson drei Häuser und der Kameramann Néstor Almendros schenkte ihm seinen Oscar.[23] Der Regisseur Matt Tyrnauer, der den Dokumentarfilm über Bowers drehte, fand weitere Hinweise für die Wahrheit seiner Behauptungen und interviewte Personen, die über Bowers an Hollywood-Persönlichkeiten zur Prostitution vermittelt wurden.[24][25]

Mediale Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Figur des Tankwarts und Zuhälters Ernie West in der Netflix-Serie Hollywood (2020) basiert auf Bowers und seinen Erlebnissen.[26][27][28][29] Matt Tyrnauer, der Regisseur der Filmbiografie über Bowers, merkte allerdings an, dass die Figur des Ernie deutlich aggressiver und ausbeuterischer gezeichnet werde, als es der reale Bowers im Umgang mit den Prostituierten und Klienten gewesen sei.[30]

Laut Medienberichten von 2020 soll ein Spielfilm über das Leben von Bowers gedreht werden. Seth Rogen und Evan Goldberg arbeiten an einem Drehbuch, Luca Guadagnino soll demnach die Regie führen.[31]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Paul Teetor: The Apparently True Story of the Man Who Secured Gay Lovers for Old Hollywood. 19. März 2012, abgerufen am 16. Oktober 2019 (amerikanisches Englisch).
  2. Amy Nicholson: Hollywood’s secret history: Scotty Bowers on sex and stars in the Golden Era. In: The Guardian. 3. August 2018, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  3. Pat Saperstein: Scotty Bowers, Old Hollywood’s Sexual Matchmaker, Dies at 96. In: Variety. 14. Oktober 2019, abgerufen am 16. Oktober 2019 (englisch).
  4. Paul Teetor: The Apparently True Story of the Man Who Secured Gay Lovers for Old Hollywood. 19. März 2012, abgerufen am 16. Oktober 2019 (amerikanisches Englisch).
  5. Amy Nicholson: Hollywood’s secret history: Scotty Bowers on sex and stars in the Golden Era. In: The Guardian. 3. August 2018, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  6. Amy Nicholson: Hollywood's secret history: Scotty Bowers on sex and stars in the Golden Era. In: The Guardian. 3. August 2018, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  7. Hollywoods Männer liebten einen Callboy. Abgerufen am 16. Oktober 2019.
  8. Peter Debruge: Scotty Bowers: Bartender to Babylon. In: Variety. 23. Juni 2006, abgerufen am 16. Oktober 2019 (englisch).
  9. Martin Pengelly: Scotty Bowers, ‘male madame to the stars’, dies aged 96. In: The Guardian. 15. Oktober 2019, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  10. Scotty Bowers, “Male Madame” to the Stars, Dies at 96. Abgerufen am 16. Oktober 2019 (englisch).
  11. Johanna Adorján: Erotische Biographie „Full Service“: Welche Gürtellinie? ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  12. Johanna Adorján: Erotische Biographie „Full Service“: Welche Gürtellinie? ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  13. Hollywoods Männer liebten einen Callboy. Abgerufen am 16. Oktober 2019.
  14. Martin Pengelly: Scotty Bowers, ‘male madame to the stars’, dies aged 96. In: The Guardian. 15. Oktober 2019, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  15. Scotty Bowers, “Male Madame” to the Stars, Dies at 96. Abgerufen am 16. Oktober 2019 (englisch).
  16. Hollywoods Männer liebten einen Callboy. Abgerufen am 16. Oktober 2019.
  17. Lewis Jones: Full Service by Scotty Bowers: review. 9. März 2012, ISSN 0307-1235 (telegraph.co.uk [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  18. Martin Pengelly: Scotty Bowers, ‘male madame to the stars’, dies aged 96. In: The Guardian. 15. Oktober 2019, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  19. Brooks Barnes: Scotty Bowers and His Sexual Tell-All of Old Hollywood. In: The New York Times. 27. Januar 2012, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  20. Joanna Walters: Sex fixer to the stars lifts lid on scandal in Hollywood’s golden age. In: The Guardian. 1. Februar 2012, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  21. Cecil Beaton: Beaton in the Sixties: The Cecil Beaton Diaries as He Wrote Them, 1965–1969. Alfred A. Knopf, New York 2004 (archive.org [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  22. Paul Teetor: The Apparently True Story of the Man Who Secured Gay Lovers for Old Hollywood. 19. März 2012, abgerufen am 16. Oktober 2019 (amerikanisches Englisch).
  23. Peter Debruge: Scotty Bowers: Bartender to Babylon. In: Variety. 23. Juni 2006, abgerufen am 16. Oktober 2019 (englisch).
  24. Anne Thompson: ‘Scotty and the Secret History of Hollywood’ Exposes Star Myths, from Tracy & Hepburn to Cary Grant. In: IndieWire. 2. August 2018, abgerufen am 16. Oktober 2019 (englisch).
  25. Michael Schulman: A Hollywood Hedonist Turns Ninety-Five. 9. August 2018, ISSN 0028-792X (newyorker.com [abgerufen am 16. Oktober 2019]).
  26. Town&Country Mag: How the Hollywood Cast Compares to Their Real-Life Counterparts, In Photos
  27. TIME.com: The True Stories Behind Ryan Murphy's New Netflix Series Hollywood
  28. Vulture.com: The True Hollywood Stories Behind Hollywood’s Alternate History
  29. Entertainment.ie: What's fact and what's fiction in Ryan Murphy's 'Hollywood'?
  30. Annie Goldsmith: The Secret History of Hollywood's Golden Age Gas Station Hustler, Scotty Bowers. 1. Mai 2020, abgerufen am 1. November 2020 (amerikanisches Englisch).
  31. Mike Fleming Jr: Searchlight Sets Luca Guadagnino To Helm, Seth Rogen & Evan Goldberg To Script Adaptation Of Gay Hustler Docu ‘Scotty And The Secret History Of Hollywood’. In: Deadline. 29. Juli 2020, abgerufen am 5. Februar 2021 (amerikanisches Englisch).