Sedentarisierung

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Als Sedentarisierung (Sesshaftmachung, v. frz.: Sédentarité, Sesshaftigkeit) wird die Ansiedlung von Nomaden und die Umwandlung nomadischer und halbnomadischer Gesellschaften hin zur Sesshaftigkeit bezeichnet. Zumeist ist Sedentarisierung Teil einer gezielten Regierungspolitik. Dabei werden üblicherweise wirtschaftliche und oft agrarpolitische Ziele verfolgt, aber Sedentarisierung wurde historisch auch als Zwischenschritt zum Völkermord nomadischer und halbnomadischer Gruppen verwendet.

Neuzeitliche Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kasachstan (Sowjetunion)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab den 1920er-Jahren trieb die Regierung der Sowjetunion in der Kasachischen ASSR (ab 1936: Kasachische SSR) einen Prozess der Sedentarisierung voran. Die Sedentarisierung Kasachstans und die damit verbundenen Konflikte zwischen Staatsmacht und den nomadischen kasachischen Viehzüchtern trug entscheidend zur Hungersnot in Kasachstan von 1930–33 bei.[1][2][3][4]

Mauretanien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Mauretanien kam es wiederholt zu Projekten, die nomadische Bevölkerung der westlichen Sahara fest anzusiedeln.[5]

Roma (Österreich-Ungarn)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Österreich-Ungarn kam es, besonders im Burgenland, zu Zwangsansiedlungen der Roma.[6]

Roma (Nazi-Deutschland)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge des Porajmos, des Völkermords des NS-Staats an den Roma, wurden die halbnomadischen Elemente der Roma zunächst zwangsangesiedelt, um daraufhin ihre weitere Ermordung, insbesondere im Zigeunerlager Auschwitz, durchzusetzen.[6]

Somalia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Somalia kam es seit der Unabhängigkeit zu Versuchen, die Nomaden und Halbnomaden des Landes stärker an bestimmte Regionen zu binden und damit ihre Sedentarisierung voranzutreiben.[7]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sarah Cameron: The Hungry Steppe: Famine, Violence, and the Making of Soviet Kazakhstan. Cornell University Press, Ithaca 2018, ISBN 978-1-5017-3045-0 (englisch).
  2. Sarah Cameron: The Kazakh Famine of 1930-33: Current Research and New Directions. In: East/West: Journal of Ukrainian Studies. Band 3, Nr. 2, 10. September 2016, ISSN 2292-7956, S. 117–132, doi:10.21226/T2T59X (englisch).
  3. Sarah Cameron: Questioning the Distinctiveness of the Ukrainian Famine. In: Contemporary European History. August 2018, ISSN 0960-7773, S. 460–464, doi:10.1017/S0960777318000346 (englisch).
  4. Niccoló Pianciola: The Collectivization Famine in Kazakhstan, 1931–1933. In: Harvard Ukrainian Studies. Band 25, Nr. 3/4, 2001, ISSN 0363-5570, S. 237–251 (englisch).
  5. Urs Peter Ruf: Mobil Sesshafte: Sedentarisierung und Geschichte der Nomaden in Mauretanien. Verlag für Entwicklungspolitik Breitenbach, Saarbrücken 1995, ISBN 3-88156-648-1.
  6. a b Autriche et Hongrie 1850-1938. In: Projet éducation des enfants roms en Europe. Abgerufen am 21. April 2021 (französisch).
  7. Jasmin Touati: Sedentarisierung von Nomaden: Chancen und Gefahren einer Entwicklungsstrategie am Beispiel Somalias. Breitenbach, Saarbrücken 1991, ISBN 3-88156-506-X.