Senatus consultum Silanianum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Senatus consultum Silanianum ist ein im Jahr 10 n. Chr. ergangener Beschluss des römischen Senats[1][2] und gilt als eine der berüchtigten ermittlungsrechtlichen Maßnahmen der Augustusära. Das Rom der konstitutionellen Wende von der Republik zur Kaiserzeit trat zunehmend für ein öffentliches Verfahrensrecht ein.

Dies insbesondere in den Fällen, in denen es Todesfälle aufzuklären galt. Als spezielle Regelung für das Verhältnis von Sklaven zu ihrem Herrn, ordnete der Beschluss bereits für das Ermittlungsverfahren an, dass Sklaven zur Aufklärung des (gewaltsamen) Todes ihres Herrn gefoltert werden durften. Man erhoffte so, die entscheidenden Informationen zur Todesursache eines römischen Bürgers zu erlangen. Zweifel bestehen in der Forschung darüber, ob die Maßnahmen auch im Falle eines Suizids des Patrons anwendbar waren.[3] Widersetzten sich die Sklaven, durften sie zu Tode gefoltert werden, es sei denn, es war bereits erwiesen, dass sie sich zum Schutz ihres Herren eingesetzt hatten.[4]

Der Senatskonsult wurde sowohl unter den zeitgenössischen als auch unter den später wirkenden Juristen der Hoch- und Spätklassik intensiv diskutiert. Thematisiert wurde der Beschluss dabei nicht nur als Verbindlichkeit schaffende Rechtsquelle, denn die Durchsetzung von Senatuskonsulten war aufgrund des Gradmessers aller Anordnungen, der lex (gesetztes Recht), in der Antike anfangs rege umstritten (legis vicem optinere).[5] Thematisiert wurde der Beschluss auch zu seinem tatbestandlichen Regelungsprofil. Ausweislich des „Index auctorum“ der justinianischen Digesten, hat Iulius Paulus dem Konsult als Rechtsquelle gar eine Monografie gewidmet (Ad senatus consultum Silanianum).[3]

Die Diskussionen der Juristen lassen sich in den Digesten nachlesen. Festgehalten sind dort die Ausführungen der Klassiker Ulpian und Gaius. Beide machen anschaulich, welche Schärfe das sensible Thema der Folterung testamentarisch Freigelassener – bereits zu Neros Zeiten – in die Diskussion brachte. Nero soll so lange Testamentseröffnungsverbote verhängt haben, bis die erkennungsdienstlichen Untersuchungen abgeschlossen waren. Währenddessen ließ er ungebrochen Foltermaßnahmen vornehmen, selbst dann, wenn das Konsult keinen Raum dafür hergab. Um auch Maßnahmen rechtfertigen zu können die vom Konsult nicht gedeckt waren, soll Nero 57 n. Chr. einen ergänzenden Senatsbeschluss veranlasst haben; dieser wurde schließlich als „senatus consultum Neronianum“ bekannt. Kraft der ergänzenden Anordnung durfte Nero Freigelassene wie Sklaven behandeln.

Um die Wende ins zweite Jahrhundert kehrte Trajan zur ursprünglichen Idee des Beschlusses zurück, wenngleich Freigelassene in den Anwendungsbereich des Beschlusses einbezogen blieben.[6] Bei Freigelassenen galt jedoch die Einschränkung, dass im Sinne des senatus consultum gegen sie lediglich die erklärten Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet werden durften, nicht aber unterlagen sie dem Sanktionsapparat, also Bestrafungsmaßnahmen.[7] Schon Hadrian relativierte das Senatskonsult wieder, denn er interpretierte es als rein strafrechtliche Maßnahme, anwendbar in allen Fällen. Er verlangte folglich einen Nachweis für den erhobenen Schuldvorwurf gegen den Gewaltuntergebenen.[1] Bis in die Zeit Justinians wurden ergänzende oder abändernde Anordnungen getroffen, um die erkennungsdienstlichen Maßnahmen an die Gegebenheiten anzupassen.[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Joseph Georg Wolf: Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr., (vorgetragen am 17. Jan. 1987), Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse; 1988,2; ISBN 978-3-533-04023-1, S. 48 f.
  2. Max Kaser: Römisches Privatrecht. Kurzlehrbücher für das juristische Studium. München 1960. Ab der 16. Auflage 1992 fortgeführt von Rolf Knütel. 18. Auflage ISBN 3-406-53886-X, I § 67 I S. 283, Anm. 3 und § 67 II 3, S. 285, Anm. 25.
  3. a b c Wolfgang Ernst: Rechtserkenntnis durch Richtermehrheiten. „Group choice“ in europäischen Justiztraditionen, Mohr Siebeck 2016, ISBN 978-3-16-154361-6, S. 37 ff (38).
  4. Friedrich Ebel, Georg Thielmann: Rechtsgeschichte: von der Römischen Antike bis zur Neuzeit, 3. neu bearbeitete Auflage, C.F. Müller Heidelberg 2003, ISBN 3-8114-1199-3, S. 60.
  5. Max Kaser: Römische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode. in: Forschungen zum Römischen Recht Band 36. Verlag Böhlau, Wien, Köln, Graz, 1986. ISBN 3-205-05001-0. S. 16 f.
  6. Digesten 19,5,3,18 ff. Ulpian, 50 ed., 29,5,25,2. Gaius 17 ed. prov.
  7. Digesten, 29,5,10,1.