Siegfried Stumpf

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Siegfried Stumpf (* 21. Oktober 1950) ist ein ehemaliger deutscher Polizeibeamter. Von 2006 bis 2011 war er Polizeipräsident am Polizeipräsidium Stuttgart.

Polizei-Laufbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stumpf begann seine Laufbahn 1967 bei der Bereitschaftspolizei in Lahr. Er wechselte 1970 ans Polizeipräsidium Stuttgart und zwei Jahre später zur Bereitschaftspolizei in Göppingen. 1973 wurde er zur Landespolizeidirektion Stuttgart versetzt, wo er bis zum Polizeirat aufstieg. Von 1984 bis 1987 leitete er die Schutzpolizei in Tübingen und nach seiner erneuten Versetzung an die Landespolizeidirektion Stuttgart dort die Schutzpolizeiinspektion Süd. Nach seiner Ernennung zum Polizeioberrat 1991 wechselte er ans Innenministerium Baden-Württemberg ins Landespolizeipräsidium. 1993 zum Polizeidirektor ernannt, war er ab 1994 an der Landespolizeidirektion Tübingen Leiter Referat Einsatz und Stellvertreter des Leiters der Schutzpolizei. 1997 wieder bei der Landespolizeidirektion Stuttgart, war er zunächst Leiter der Schutzpolizei und wurde 1999 zum Leitenden Polizeidirektor ernannt. Im Februar 1999 ließ er das aus Protest gegen Abdullah Öcalans Verhaftung besetzte griechische Generalkonsulat in Stuttgart trotz Drohungen mit Selbstverbrennung räumen.[1]

Im Jahr 2000 stieg er zum Leiter Polizeiliche Aufgaben auf und wechselte drei Jahre später als Leiter der Polizeidirektion nach Reutlingen. 2004 wurde er zum Innenministerium versetzt und zum Landeskriminaldirektor ernannt. Am 1. Mai 2006 wurde er als Nachfolger von Martin Schairer zum Polizeipräsidenten von Stuttgart ernannt und trug damit die Führungsverantwortung für rund 2.600 Mitarbeiter.[2]

Schwarzer Donnerstag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Überregional bekannt wurde er im Zuge der Proteste gegen Stuttgart 21, als die Räumung des Schlossgartens am 30. September 2010 um fünf Stunden vorgezogen wurde, um vermuteten Informationslecks in den Reihen der Polizei zu begegnen.[3][4] Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass zu diesem Zeitpunkt eine angemeldete Schülerdemonstration unterwegs war.[5] Aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen bei diesem Polizeieinsatz ging dieser Tag als Schwarzer Donnerstag in die Geschichte der Protestbewegung ein. Wegen der zahlreichen Verletzten – der bekannteste unter ihnen der Ingenieur Dietrich Wagner, der durch einen Wasserwerferstrahl fast völlig erblindete – wurde gegen Stumpf Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet.[6] Wenige Tage nach dem Einsatz sagte er, es täte ihm leid, „dass das so gelaufen ist“,[7] verteidigte jedoch das Vorgehen gegenüber den Verletzten als „rechtmäßig“.[8] Er bestritt eine Einmischung der Politik vor dem Einsatz und stellte den Einsatz als verhältnismäßig und gerechtfertigt dar;[9] die Aufforderung des Ministerpräsidenten Mappus, „keine Verfestigung“ des Widerstands zuzulassen, sei schon seit Wochen die Linie „von Stadt, Land und Polizei“ gewesen.[10] In der Folge forderten Grüne und SPD zuerst im Landtag und anschließend auch mit Stadtratsmehrheit seinen Rücktritt.[11]

Ermittlungen und Strafbefehl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zusammenhang mit dem Wasserwerfereinsatz nahm die Staatsanwaltschaft gegen Stumpf Ermittlungen auf, die im Dezember 2011 eingestellt wurden.[12] Auf einem Video, einem Beweismittel in einem Prozess im Sommer 2014 gegen andere Polizisten, ist Stumpf nachmittags im Schlosspark zu sehen, wie er den Wasserwerfereinsatz wahrnimmt und nicht einschreitet.[12] Deshalb nahm die Staatsanwaltschaft erneut Ermittlungen gegen ihn auf.[12] Im März 2015 erhielt er wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt in vier Fällen einen Strafbefehl über 120 Tagessätze à 130 Euro. Wie die Stuttgarter Nachrichten die Aussage des Amtsgerichts Stuttgart wiedergeben, hätte Stumpf „mit einer Anweisung das rüde Vorgehen seiner Polizisten gegen Protestler im Schlossgarten beenden und womöglich schwere Verletzungen verhindern können.“[12] Stumpf akzeptierte den Strafbefehl, „nicht zuletzt, um damit seiner Familie und ihm weitere öffentliche Auseinandersetzungen über die Sinnhaftigkeit der Vorwürfe zu ersparen“, und gilt damit als vorbestraft.[13]

Ruhestand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 2011 war Stumpf für das Amt des Präsidenten des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg im Gespräch,[14] wurde jedoch nicht ernannt.[15] Im April 2011 bat er aus gesundheitlichen Gründen um Versetzung in den Ruhestand, diesem Gesuch wurde innerhalb weniger Tage entsprochen.[16] Das Tempo dieses Verfahrens stieß auf Erstaunen und Gegner von Stuttgart 21 und Parkschützer kritisierten die Pensionierung bei vollen Bezügen als „Bauernopfer“, das von den anderen Verantwortlichen ablenken solle.[17] Sein Nachfolger wurde Thomas Züfle.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Verbandsinterner Informationsdienst der DPolG Baden-Württemberg Nr. 21 vom 11. Juni 2006 (PDF; 98 kB@1@2Vorlage:Toter Link/www.dpolg-bw.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.).
  2. Polizeipräsidium Stuttgart; Organisation. In: polizei-stuttgart.de. Archiviert vom Original am 16. Mai 2013; abgerufen am 18. Juni 2013.
  3. Fällarbeiten für Stuttgart 21 beginnen in der Nacht.@1@2Vorlage:Toter Link/www.swp.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Südwest Presse. 30. September 2010, abgerufen am 23. Juni 2013.
  4. „Stuttgart 21“-Demonstration: Polizeichef traute eigenen Beamten nicht. In: Spiegel Online. 2. Oktober 2010, abgerufen am 23. Juni 2010.
  5. Wurde Polizei von Schülerdemo überrascht?@1@2Vorlage:Toter Link/www.swp.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Südwest Presse. 4. Oktober 2010, abgerufen am 23. Juni 2013.
  6. Strafanzeige gegen Polizeichef. (Memento vom 7. März 2016 im Internet Archive) In: Südwest Presse. 5. Oktober 2010.
  7. Bettina Wieselmann: Es tut uns leid. (Memento vom 13. Januar 2013 im Internet Archive) In: Südwest Presse. 6. Oktober 2010.
  8. Christine Bilger: Stumpf trifft Opfer des 30. September. In: Stuttgarter Zeitung. 6. April 2010, abgerufen am 23. Juni 2013.
  9. Polizeipräsident verteidigt Wasserwerfer. In: Süddeutsche Zeitung. online, 29. November 2010, abgerufen am 23. Juni 2013.
  10. Bettina Wieselmann: Stuttgarter Polizeichef sagt vor dem Untersuchungsausschuss aus. (Memento vom 13. Januar 2013 im Internet Archive) In: Südwest Presse. 30. November 2010, abgerufen am 23. Juni 2013.
  11. Jörg Nauke: Ratsmehrheit fordert Rücktritt. In: Stuttgarter Zeitung. 29. Januar 2011, abgerufen am 23. Juni 2013.
  12. a b c d Siegfried Stumpf muss sich entscheiden. In: Stuttgarter Zeitung. 9. März 2015, abgerufen am 14. März 2015.
  13. Oliver im Masche: Ex-Polizeichef Stumpf akzeptiert Geldstrafe. In: Stuttgarter Zeitung. 18. März 2015, abgerufen am 24. März 2015.
  14. Bettina Wieselmann: Stumpf für LKA im Gespräch. (Memento vom 1. März 2016 im Internet Archive) In: Südwest Presse. 1. Februar 2011.
  15. Bettina Wieselmann, Raimund Weible: Stumpf wird nicht LKA-Chef. (Memento vom 18. Dezember 2015 im Internet Archive) In: Südwest Presse. 10. Februar 2011.
  16. Markus Heffner, Jörg Nauke: Stumpf geht in den Ruhestand. In: Stuttgarter Zeitung. 27. April 2011, abgerufen am 23. Juni 2013.
  17. Tatjana Bojic, DPA: Zwei Spitzenposten der Polizei vakant. (Memento vom 26. Juni 2013 im Webarchiv archive.today) In: Südwest Presse vom 28. April 2011.