Sintaschta-Kultur

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Prähistorische Kulturen Russlands[1]
Mittelsteinzeit
Kunda-Kultur 7400–6000 v. Chr.
Jungsteinzeit
Bug-Dnister-Kultur 6500–5000 v. Chr.
Dnjepr-Donez-Kultur 5500–4000 v. Chr.
Sredny-Stog-Kultur 4500–3500 v. Chr.
Jekaterininka-Kultur 4300–3700 v. Chr.
Kammkeramische Kultur 4200–2000 v. Chr.
Fatjanowo-Kultur um 2500 v. Chr.
Kupfersteinzeit
Nordkaspische Kultur
Kurgankultur 5000–3000 v. Chr.
Samara-Kultur um 5000 v. Chr.
Chwalynsk-Kultur 5000–4500 v. Chr.
Botai-Kultur 3700–3100 v. Chr.
Jamnaja-Kultur 3600–2300 v. Chr.
Afanassjewo-Kultur 3500–2500 v. Chr.
Ussatowe-Kultur 3300–3200 v. Chr.
Glaskowo-Kultur 3200–2400 v. Chr.
Bronzezeit
Poltavka-Kultur 2700–2100 v. Chr.
Potapovka-Kultur 2500–2000 v. Chr.
Katakombengrab-Kultur 2500–2000 v. Chr.
Abaschewo-Kultur 2500–1800 v. Chr.
Sintaschta-Kultur 2100–1800 v. Chr.
Okunew-Kultur um 2000 v. Chr.
Samus-Kultur um 2000 v. Chr.
Andronowo-Kultur 2000–1200 v. Chr.
Susgun-Kultur um 1700 v. Chr.
Srubna-Kultur 1600–1200 v. Chr.
Kolchis-Kultur 1700–600 v. Chr.
Begasy-Dandybai-Kultur um 1300 v. Chr.
Karassuk-Kultur um 1200 v. Chr.
Ust-Mil-Kultur um 1200–500 v. Chr.
Koban-Kultur 1200–400 v. Chr.
Irmen-Kultur 1200–400 v. Chr.
Spätirmen-Kultur um 1000 v. Chr.
Plattengrabkultur um 1300–300 v. Chr.
Aldy-Bel-Kultur 900–700 v. Chr.
Eisenzeit
Baitowo-Kultur
Tagar-Kultur 900–300 v. Chr.
Nosilowo-Gruppe 900–600 v. Chr.
Ananino-Kultur 800–300 v. Chr.
Tasmola-Kultur 700–300 v. Chr.
Gorochowo-Kultur 600–200 v. Chr.
Sagly-Baschi-Kultur 500–300 v. Chr.
Jessik-Beschsatyr-Kultur 500–300 v. Chr.
Pasyryk-Stufe 500–300 v. Chr.
Sargat-Kultur 500 v. Chr.–400 n. Chr.
Kulaika-Kultur 400 v. Chr.–400 n. Chr.
Tes-Stufe 300 v. Chr.–100 n. Chr.
Schurmak-Kultur 200 v. Chr.–200 n. Chr.
Taschtyk-Kultur 100–600 n. Chr.
Tschernjachow-Kultur 200–500 n. Chr.

Die Sintaschta-Kultur (englisch Sintashta culture, wissenschaftlich Sintašta-Kultur) ist eine archäologische Kultur der Bronzezeit, die nach Radiokarbondaten auf etwa 2250–1650 v. Chr. datiert wird.[2][3] Sie wird teilweise mit zeitgleichen Gruppen zur Sintaschta-Petrowka-Kultur[4] oder zur Sintaschta-Arkaim-Kultur[5] zusammengefasst. Sintaschta ist der namengebende Fundort. Die Sintaschta-Kultur wurde traditionell als frühe Phase der Andronowo-Kultur angesehen.

Die Sintaschta-Leute betrieben intensiven Kupferbergbau und bedeutende Bronzeherstellung.[6] In Gräbern der Kultur wurden Reste von mindestens 30 der frühesten Streitwagen identifiziert.[7][8][9]

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rote Fläche: Vermutete Ausdehnung des Streitwagens

Die Sintaschta-Kultur entwickelte sich aus der Wechselwirkung zweier vorhergehender Kulturen. Ihr unmittelbarer Vorgänger in der Ural-Tobol-Steppe war die Poltavka-Kultur, ein Ableger der Rinderzucht betreibenden Jamnaja- („Grubengrab“)-Kultur, deren Angehörige zwischen 2800 und 2600 v. Chr. in diese Region einwanderten. Einige Sintaschta-Städte wurden über alten Poltawka-Siedlungen oder in der Nähe von Poltawka-Gräberfeldern erbaut. Motive der Poltawka-Keramik finden sich auf der Sintaschta-Keramik wieder. Die materielle Kultur der Sintaschta zeigt zudem Einflüsse der späten Abaschewo-Kultur.

Die ersten Sintaschta-Siedlungen erscheinen um 2100 v. Chr. Die sumpfigen Tiefebenen um den Ural und am oberen Tobol, die zuvor als Winterrückzugsgebiete genutzt wurden, wurden nun für das Überleben immer wichtiger. Unter diesem Druck begannen die Poltawka und Abaschewo permanent in befestigten Anlagen in den Flusstälern zu siedeln, wobei sie allerdings die besser zu verteidigenden Hügelkuppen mieden.[10] Kennzeichnend für die Abaschewo-Kultur war eine Kriegsführung zwischen den verschiedenen Stämmen,[11] die durch den Kampf um knappe Ressourcen verstärkt wurde. Dies führte zum Bau zahlreicher Befestigungsanlagen sowie zur Entwicklung des Streitwagens. Die Streitigkeiten zwischen den Stammesgruppen spiegeln sich in der hohen Zahl von Verletzungsopfern in den Sintashta-Gräbern wider.

Metallherstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wirtschaft der Sintaschta beruht vor allem auf der Kupfermetallurgie. Kupfererze aus den nahegelegenen Minen, wie Vorovskaya Yama, wurden in die Sintaschta-Siedlungen gebracht und zu Kupfer und Arsenbronze weiterverarbeitet. In ausgegrabenen Gebäuden der Fundplätze in Sintaschta, Arkaim und Ust'e fanden sich Überreste von Schmelzöfen und Schlacke.[10] Ein Großteil des Metalls war für den Export in die Städte der Oasenkultur Zentralasiens bestimmt. Dieser Metallhandel verknüpfte die Steppenregion erstmals mit den antiken städtischen Zivilisationen des Nahen Ostens: die Reiche und Stadtstaaten Irans und Mesopotamiens waren bedeutende Märkte für Metall. Über diese Handelsrouten gelangten zunächst wohl Pferde und Streitwagen, letztendlich vermutlich indoiranischsprachige Menschen von der Steppe in den Nahen Osten.[12][13]

Pferde und Streitwagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Librado et al. (2021) deckten in einer genetischen Studie auf, dass die in Sintashta domestizierten Pferde nicht die Vorfahren unserer heutigen domestizierten Pferde waren.[14][15] In Asien verbreiteten sich Indoiranische Sprachen, Streitwagen und Pferde gemeinsam im Gefolge der Sintashta-Kultur zu Beginn des zweiten vorchristlichen Jahrtausends.

Ethnische und linguistische Identität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf Grund von Ähnlichkeiten der Grabkultur mit denen im Rigveda nimmt David Anthony (2007) an, dass die Menschen der Sintaschta-Kultur Proto-Indoiranisch sprachen.[16]

Aufgrund ihrer Herkunft von aus dem Uralgebiet ausgewanderten Stämmen wäre es aber wohl zu kurz gefasst, die Träger der Sintaschta-Kultur als ausschließlich indoiranische Ethnie zu beschreiben, und allem Anschein nach waren auch andere indogermanischsprachige Gruppen an ihrer Ausformung beteiligt.[17] Frühe indoiranische Lehnwörter im Uralischen legen nahe, dass finno-ugrische Stämme seit etwa 3000 v. Chr. benachbart waren.[18][19]

Expansion Indogermanischer Stämme; Indoiranische Stämme werden durch einen roten beziehungsweise geben Pfeil gekennzeichnet.

Genetische Studien unterstützen die Annahme einer Indoiranischen Identität. So zeigen sämtliche historische aber auch moderne Indoiranische sowie Iranische Völker eine, zumindest teilweise, genetische Kontinuität mit Proben der Sintaschta-Kultur auf. Die Sintaschta-Kultur selbst steht im Kontext der frühen Expansion der Indogermanen und gilt als Wiege für die frühen Indoiranischen Völker.[20][21][22]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Sintaschta-Kultur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Datierungen in der Tabelle sind den einzelnen Artikeln entnommen und müssen nicht immer zuverlässig sein. Kulturen auf Gebieten anderer ehemaliger Sowjetrepubliken wurden einbezogen.
  2. Anthony: The Horse, the Wheel and Language. 2007, S. 374–377; Note 17
  3. Kuz'mina: The Origin of the Indo-Iranians. 2007, Appendix two.
  4. Koryakova: An Overview of the Andronovo Culture. 1998.
  5. Koryakova: Sintashta-Arkaim Culture. 1998.
  6. Hanks, Linduff (Hrsg.): Social Complexity in Prehistoric Eurasia. Monuments, Metals and Mobility. 2009.
  7. Kuznetsov: The emergence of Bronze Age chariots in eastern Europe. In: Antiquity. Band 80, Nr. 309, 2006, S. 638–645.
  8. Stefan Burmeister, Peter Raulwing: Festgefahren. Die Kontroverse um den Ursprung des Streitwagens. Einige Anmerkungen zu Forschung, Quellen und Methodik. In: Peter Anreiter, Eszter Bánffy, László Bartosiewicz, Wolfgang Meid, Carola Metzner-Nebelsick (Hrsg.): Archaeological, Cultural and Linguistic Heritag. Festschrift for Erzsébet Jerem in Honour of her 70th Birthday (= Archaeolingua. 25). Archaeolingua Alapítvány, Budapest 2012, ISBN 978-963-9911-28-4, S. 93–113, (Rezension: Katharina Rebay-Salisbury, in: European Journal of Archaeology. Band 16, Nr. 3, 2013, S. 569–573, doi:10.1179/146195713X13721616775719).
  9. Hans J. J. G. Holm: The Earliest Wheel Finds, their Archaeology and Indo-European Terminology in Time and Space, and Early Migrations around the Caucasus (= Archaeolingua. Series minor. 43). Archaeolingua Alapítvány, Budapest 2019, ISBN 978-615-5766-30-5.
  10. a b Anthony: The Horse, the Wheel and Language. 2007, S. 390–391.
  11. Anthony: The Horse, the Wheel and Language. 2007, S. 383 f.
  12. Anthony: The Horse, the Wheel and Language. 2007, S. 391.
  13. Anthony: The Horse, the Wheel and Language. 2007, S. 435–418.
  14. Pablo Librado et al.: The origins and spread of domestic horses from the Western Eurasian steppes. In: Nature. Band 598, Nr. 7882, Oktober 2021, ISSN 1476-4687, S. 634–640, doi:10.1038/s41586-021-04018-9 (englisch).
  15. Scientists found modern domestic horses’ homeland in southwestern Russia. In: Science News. 20. Oktober 2021, abgerufen am 14. November 2021.
  16. Anthony: The Horse, the Wheel and Language. 2007, S. 408–411.
  17. Kuz'mina: The Origin of the Indo-Iranians. 2007, S. 222.
  18. Jaakko Häkkinen: Uralic evidence for the Indo-European homeland. 2012.
  19. Jaakko Häkkinen: Early contacts between Uralic and Yukaghir. 2012.
  20. Perle Guarino-Vignon, Nina Marchi, Julio Bendezu-Sarmiento, Evelyne Heyer, Céline Bon: Genetic continuity of Indo-Iranian speakers since the Iron Age in southern Central Asia. In: Scientific Reports. Band 12, Nr. 1, 14. Januar 2022, ISSN 2045-2322, S. 733, doi:10.1038/s41598-021-04144-4, PMID 35031610 (nature.com [abgerufen am 30. April 2024]).
  21. Alexander Lubotsky: Indo-European and Indo-Iranian Wagon Terminology and the Date of the Indo-Iranian Split. In: The Indo-European Puzzle Revisited: Integrating Archaeology, Genetics, and Linguistics. Cambridge University Press, Cambridge 2023, ISBN 978-1-00-926175-3, S. 257–262 (cambridge.org [abgerufen am 30. April 2024]).
  22. Vagheesh M. Narasimhan, Nick Patterson, Priya Moorjani, Nadin Rohland, Rebecca Bernardos, Swapan Mallick, Iosif Lazaridis, Nathan Nakatsuka, Iñigo Olalde, Mark Lipson, Alexander M. Kim, Luca M. Olivieri, Alfredo Coppa, Massimo Vidale, James Mallory, Vyacheslav Moiseyev, Egor Kitov, Janet Monge, Nicole Adamski, Neel Alex, Nasreen Broomandkhoshbacht, Francesca Candilio, Kimberly Callan, Olivia Cheronet, Brendan J. Culleton, Matthew Ferry, Daniel Fernandes, Suzanne Freilich, Beatriz Gamarra, Daniel Gaudio, Mateja Hajdinjak, Éadaoin Harney, Thomas K. Harper, Denise Keating, Ann Marie Lawson, Matthew Mah, Kirsten Mandl, Megan Michel, Mario Novak, Jonas Oppenheimer, Niraj Rai, Kendra Sirak, Viviane Slon, Kristin Stewardson, Fatma Zalzala, Zhao Zhang, Gaziz Akhatov, Anatoly N. Bagashev, Alessandra Bagnera, Bauryzhan Baitanayev, Julio Bendezu-Sarmiento, Arman A. Bissembaev, Gian Luca Bonora, Temirlan T. Chargynov, Tatiana Chikisheva, Petr K. Dashkovskiy, Anatoly Derevianko, Miroslav Dobeš, Katerina Douka, Nadezhda Dubova, Meiram N. Duisengali, Dmitry Enshin, Andrey Epimakhov, Alexey V. Fribus, Dorian Fuller, Alexander Goryachev, Andrey Gromov, Sergey P. Grushin, Bryan Hanks, Margaret Judd, Erlan Kazizov, Aleksander Khokhlov, Aleksander P. Krygin, Elena Kupriyanova, Pavel Kuznetsov, Donata Luiselli, Farhod Maksudov, Aslan M. Mamedov, Talgat B. Mamirov, Christopher Meiklejohn, Deborah C. Merrett, Roberto Micheli, Oleg Mochalov, Samariddin Mustafokulov, Ayushi Nayak, Davide Pettener, Richard Potts, Dmitry Razhev, Marina Rykun, Stefania Sarno, Tatyana M. Savenkova, Kulyan Sikhymbaeva, Sergey M. Slepchenko, Oroz A. Soltobaev, Nadezhda Stepanova, Svetlana Svyatko, Kubatbek Tabaldiev, Maria Teschler-Nicola, Alexey A. Tishkin, Vitaly V. Tkachev, Sergey Vasilyev, Petr Velemínský, Dmitriy Voyakin, Antonina Yermolayeva, Muhammad Zahir, Valery S. Zubkov, Alisa Zubova, Vasant S. Shinde, Carles Lalueza-Fox, Matthias Meyer, David Anthony, Nicole Boivin, Kumarasamy Thangaraj, Douglas J. Kennett, Michael Frachetti, Ron Pinhasi, David Reich: The formation of human populations in South and Central Asia. In: Science. Band 365, Nr. 6457, 6. September 2019, ISSN 0036-8075, doi:10.1126/science.aat7487, PMID 31488661 (science.org [abgerufen am 30. April 2024]).