Sinupret

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Sinupret ist der Markenname eines pflanzlichen Kombinationspräparats für die symptomatischen Behandlung von Entzündungen der Nasennebenhöhlen[1], dessen Nutzen wissenschaftlich umstritten ist.[2] Es wird vom deutschen Unternehmen Bionorica SE in Neumarkt in der Oberpfalz hergestellt und ist in verschiedenen Darreichungsformen wie Dragees, Saft und Tropfen verfügbar.

Das Produkt ist nach Angaben des Unternehmens das meistverkaufte Phytotherapeutikum in Deutschland (Stand 2009).[3]

Inhaltsstoffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sinupret enthält als arzneilich wirksame Bestandteile Eisenkraut, Enzianwurzel, Holunderblüten, Sauerampferkraut und Schlüsselblumenblüten in gepulverter Form oder als Extrakt. In Sinupret-Tropfen und -Saft ist Ethanol enthalten.[4] Die überzogenen Tabletten enthalten übliche Tablettierhilfsstoffe wie etwa Stärken bzw. Cellulosen, Lactose und Saccharose. Die Grünfärbung des Überzugs entsteht durch Zusatz von Chlorophyllpulver (E141), Indigocarmin-Aluminiumsalz (E132) und Riboflavin (E101).[5][6]

Entwicklung, Vermarktung und Zulassung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sinupret wurde im Jahre 1933 vom Firmengründer Josef Popp in Nürnberg entwickelt.[7]

Im Jahre 1997 erfolgte die Nachzulassung (Tropfen, Liquitabs) bzw. Neuzulassung (überzogene Tabletten, Saft) nach dem deutschen Arzneimittelgesetz[7] zur Anwendung bei akuten, unkomplizierten Entzündungen der Nasennebenhöhlen. Da klinische Daten lediglich zur Wirksamkeit hinsichtlich der nasalen Sekretion und des Gesichtsschmerzes existieren, wird die Zulassung vom Arzneiverordnungs-Report kritisiert: So fehle eine pharmakologische Zuordnung der fünf Wirkstoffe, die antiviral, antiinflammatorisch und sekretolytisch wirken sollen. Das Medikament habe demnach 1997 die Nachzulassung erhalten, ohne dass die eingereichten Daten einer streng wissenschaftlichen Überprüfung standhalten konnten.[8]

In etlichen anderen europäischen Ländern ist Sinupret zugelassen, wie beispielsweise in Dänemark (2003), Österreich (1984), Schweden (2001), der Schweiz, Tschechien (1997) und Ungarn (1997).[9][10][11][12][13] In den USA wird Sinupret nicht als Medikament, sondern als Nahrungsergänzungsmittel („Dietary Supplement“) vermarktet.[14]

Im Jahr 1998 wurde das Präparat in Deutschland 3,8 Millionen Mal verschrieben. Im Jahre 2009 betrug der Umsatz in Deutschland 52 Mio. Euro, Sinupret war in Deutschland das meistverkaufte pflanzliche Präparat und das meistverkaufte rezeptfreie Erkältungsmittel.[15]

2012 wurde die Produktpalette über eine Neuzulassung um Sinupret extract erweitert, das anders als die älteren Präparate einen neuen, konzentrierten Pflanzenextrakt enthält.[16] Dispergierbare Tabletten (Liquitabs) wurden 2013 aus dem Sortiment genommen.

Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten mit Bionorica brachte Hexal AG im Oktober 2016 ein zu Sinupret forte wirkstoffgleiches Präparat auf den Markt,[17] das als traditionelles pflanzliches Arzneimittel zugelassen war. Nachdem es sich am Markt nicht durchsetzte,[18] ist es aus dem Vertrieb genommen.[19]

Wirksamkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse für eine entzündungshemmende, antibakterielle oder antivirale Wirkung von Sinupret liegen nicht vor.

Lediglich zur symptomatischen Behandlung von Entzündungen der Nasennebenhöhlen liegen solche Erkenntnisse vor,[1] die aber vom Arznei-Telegramm kritisiert werden: So sei laut einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten klinischen Studie an 386 Patienten zur symptomatischen Wirkung von Sinupret extract das Hauptzielkriterium (ein Symptomwert, der nasale Sekretion, retronasale Sekretion, Verstopfung der Nase, Kopfschmerz und Gesichtsdruck berücksichtigt) nach Behandlung mit dem wirkstoffhaltigen Medikament (Verum) zwar signifikant verbessert gegenüber der Behandlung mit einem wirkstofffreien (Placebo)[20][21], die Qualität dieses Nutzenbelegs wird aber kritisiert ("Insgesamt erscheint [...] der Nutzen des Extraktgemisches nicht hinreichend belegt. [...] Bewährte Schmerzmittel und kurzzeitig verwendete, abschwellende Nasentropfen halten wir bei akuter unkomplizierter Rhinosinusitis eher für geeignet [...]").[22]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entsprechend einem BGH-Urteil aus dem Jahr 2021 darf der Hersteller Bionorica nicht mehr behaupten, dass Sinupret die Ursachen einer Entzündung („entzündungshemmend“, „antiviral“) bekämpft („Der Wortlaut der Zulassung, die das Anwendungsgebiet [‚bei ... Entzündungen‘] beschreibt, enthält keine Aussage dahingehend, dass das zugelassene Arzneimittel auch ‚gegen‘ Entzündungen der Nasennebenhöhlen wirkt.“). Die Behauptung einer Wirkung, die sich alleine aus Tiermodellen (Rattenpfotenödemtest) ableitet, sei zudem irreführend und damit unzulässig.[1]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c BGH: Streit um Werbeaussagen - Sinupret wirkt bei Entzündungen – aber nicht gegen. Abgerufen am 21. Dezember 2022.
  2. Sinupret Extract gegen Sinusitis? In: arznei-telegramm. Band 43, Nr. 11, 2012, ISSN 0066-8192, S. 91 (arznei-telegramm.de [abgerufen am 18. Februar 2017]).
  3. Herkunft sichert Zukunft – Sinupret® feierte 75-jähriges Jubiläum. Bionorica SE, 14. August 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Januar 2011; abgerufen am 5. November 2017 (Pressemitteilung).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bionorica.de
  4. Gebrauchsinformationen Sinupret Tropfen / Saft, Stand Mai 2010.
  5. Gebrauchsinformation Sinupret forte, Stand September 2014.
  6. Gebrauchsinformation Sinupret extract, Stand Juli 2017.
  7. a b Unternehmensgeschichte von Bionorica. (Memento des Originals vom 15. Dezember 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bionorica.de
  8. Ernst E., März R.W., Sieder Ch.: Akute Bronchitis: Nutzen von Sinupret. In: Fortschr. Med. Band 115, 1997, S. 52–53. zit. nach Ulrich Schwabe, Dieter Paffrath: Arzneiverordnungs-Report 2015. Aktuelle Zahlen, Kosten, Trends und Kommentare. Springer, 2015, ISBN 978-3-662-47186-9, S. 990 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Produktresumé for Sinupret, overtrukne tabletter. Oktober 2009.
  10. Fachinformation Sinupret Tropfen (für Österreich). September 2010.
  11. Produktresumé Sinupret, dragerad tablett, Februar 2009.
  12. Souhrn Údajů o Přípravku Sinupret Perorální kapky, roztok. November 2010.
  13. ALKALMAZÁSI ELŐÍRÁS SINUPRET bevont tabletta. November 2010.
  14. Bionorica USA > Sinupret Adult Strength. Produktseite USA.
  15. Maike Telgheder: Röslers Pläne bremsen Forschung. In: Handelsblatt. 27. Juli 2010, abgerufen am 18. Februar 2017.
  16. Daniel Rücker: Bewährter Extrakt, neue Konzentration. In: Pharmazeutische Zeitung. Ausgabe 39, 2012.
  17. Benjamin Wessinger: Pflanzliche Erkältungsmittel: „SolvoHexal ist kein Generikum“. In: Deutsche Apothekerzeitung online (DAZ.online). 14. Oktober 2016, abgerufen am 18. Februar 2017.
  18. N. Tröbitscher: Bestellkürzung vor Preiserhöhung, apotheke adhoc, 27. Februar 2019.
  19. Gelbe Liste Online, abgerufen am 22. Dezember 2022.
  20. Jund et al.: Clinical efficacy of a dry extract of five herbal drugs in acute viral rhinosinusitis. In: Rhinology. Band 50, Nr. 4, Dec 2012, S. 417–426. PMID 23193534.
  21. Jund, R., Mondigler, M., Steindl, H. et al.: Klinische Wirksamkeit eines pflanzlichen Kombinationspräparates in der Behandlung der akuten viralen Rhinosinusitis. In: MMW – Fortschritte der Medizin. Band 157, Suppl 4, 2015, S. 6–11, doi:10.1007/s15006-015-2934-4.
  22. Sinupret Extract gegen Sinusitis? In: arznei-telegramm. Band 43, Nr. 11, 2012, ISSN 0066-8192, S. 91 (arznei-telegramm.de [abgerufen am 18. Februar 2017]).