Sirkeli Höyük

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Der Sirkeli Höyük

Der Sirkeli Höyük ist mit einer Fläche von annähernd 80 ha[1] einer der größten Tells (Siedlungshügel) Kilikiens. Er liegt 40 Kilometer östlich der Millionenstadt Adana, nordwestlich des Dorfes Sirkeli im Landkreis Ceyhan, am Durchbruch des Ceyhan durch die Misis-Berge (türk. Nur Dağ).

Lage und Bedeutung des Fundortes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Koordinaten: 37° 0′ 14″ N, 35° 44′ 43″ O

Reliefkarte: Türkei
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Sirkeli Höyük
Felsrelief, im Hintergrund die Burg Yılan Kalesi

Unmittelbar am Sirkeli Höyük vorbei verläuft die wichtigste Straße durch die Region, die im Osten nach Syrien und im Westen über die Kilikische Pforte nach Zentralanatolien führt. Die historische Bedeutung dieser Route wird durch die Anlage der mittelalterlichen Burg Yılankale am gegenüberliegenden Flussufer sowie den Verlauf der Bagdad-Bahn und der modernen Autobahn verdeutlicht, die beide nahe am Sirkeli Höyük vorbeiführen.

Der ca. 300 × 400 Meter große Ruinenhügel besteht aus einem 30 Meter hohen, ovalen Haupthügel und einem nach Norden vorgelagerten trapezoiden Sattel. Südöstlich und südlich ist eine ausgedehnte von einer doppelten Stadtmauer umgebene Unterstadt bezeugt. Die Bergkuppen südlich und südwestlich des Hügels bildeten eine ebenfalls intramurale Oberstadt, zu der auch eine Nekropole mit Kammergräbern gehörte. Extramural sind Werkstattbereiche nachgewiesen, auf der gegenüberliegenden Flussseite ist eine Vorstadt bezeugt.

Quer durch den Ruinenhügel verläuft von Südwesten nach Nordosten eine Felsrippe, an deren nordöstliche Kante zwei Felsreliefs angebracht sind (s. u.).

Offenbar war der Ort vom Chalkolithikum (ab ca. 5000 v. Chr.) über die gesamte Bronze- (3000–1200 v. Chr.) und Eisenzeit (1200–300 v. Chr.) bis in die hellenistische Epoche (ca. 100 n. Chr.) besiedelt. Einiges deutet darauf hin, dass er mit der antiken Handels- und Kultstadt Lawazantiya (assyrisch Lusanda, griechisch Loandos) zu identifizieren ist, der Heimatstadt der berühmten hethitischen Großkönigin Puduḫepa, Tochter eines Priesters der Liebesgöttin Šauška und Gattin des Großkönigs Ḫattušili III. (ca. 1265–1236 v. Chr.), der mit dem ägyptischen Pharao Ramses II. den ältesten bekannten Friedensvertrag schloss. Nach neueren Forschungen wird jedoch eher eine Identifikation mit Kummanni (assyrisch Kisuatni) angenommen.

Monumente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seiner Lage verdankt der Ort eine Schlüsselstellung, die nicht zuletzt in der Anbringung zweier hethitischer Felsreliefs an der Ruine ihren Ausdruck fand: Das besser erhaltene zeigt den hethitischen Großkönig Muwatalli II. (reg. 1290–1272 v. Chr.) und ist somit eines der bislang ältesten bekannten hethitischen Felsreliefs. Die Figur ist nach links gewandt und trägt ein langes Gewand und eine Rundkappe. Die Füße sind mit Schnabelschuhen bekleidet. Details der Kleidung wie Säume und Faltenwurf sind noch gut zu erkennen. Der König war bartlos und mit langen Haaren dargestellt, auch Einzelheiten des Gesichts waren erkennbar. Durch eine Absplitterung ist der Gesichtsbereich heute nicht mehr sichtbar. Als Symbol der Königswürde hält die Gestalt einen Krummstab in der linken Hand, die rechte Hand ist, ähnlich wie beim EGO-Zeichen („Ich“) der luwischen Hieroglyphen, zum Gesicht erhoben. Hinter der Gestalt ist eine Hieroglyphen-Beischrift herausgemeißelt, in der der Abgebildete als Muwatalli bezeichnet wird.

Nahebei fand sich ein weiteres, antik ausgemeißeltes Relief, das in der Forschung zumeist als Darstellung des Kurunta (= Ulmi-Teššup), des Sohnes von Muwatalli II., gedeutet wird. Wahrscheinlicher ist aber, dass es dessen Bruder, den von Ḫattušili III. (ca. 1265–1236 v. Chr.) entmachteten Muršili III. (= Urḫi-Teššup, ca. 1272–1265 v. Chr.), zeigte und nach dessen Absetzung ausradiert wurde.[2]

An der Oberseite der Reliefwand, unmittelbar oberhalb der Reliefs, sind mehrere muldenartige Aushöhlungen angebracht, die offenbar im Zusammenhang mit den Bildwerken standen und der Libation, dem Ausgießen von Flüssigkeiten im Zuge von Kulthandlungen dienten. Diese Mulden waren Teil einer ausgedehnten Anlage, zu der neben den Reliefs auch ein aus Stein gemauertes, größeres Gebäude gehörte, das sich unmittelbar westlich der Mulden an die Felsrippe anlehnt. Das Ensemble wird als Kultstätte für den hethitischen Großkönig gedeutet.

Archäologische Funde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Überreste des entfernten Reliefs

Die bisher bei Grabungen gefundenen Objekte zeigen, dass der Ort während der gesamten Siedlungsdauer ein kultureller Schmelztiegel war.

Bemerkenswert sind außer den hethitischen Felsreliefs eine in späthethitischem Stil (ca. 10. Jh. V. Chr.) aus Stein gefertigte Säulenbasis in Form zweier Löwen, bemalte mittelbronzezeitliche (ca. 2000–1500 v. Chr.) Keramik der sogenannten ›Syro-Kilikischen Ware‹, mittelbronzezeitliche Terrakotten im nordsyrischen Stil, hethitische Schnabelkannen (ca. 1600–1300 v. Chr.), zahlreiche aus Zypern beeinflusste bemalte Keramikgefäße der Spätbronze- und der Eisenzeit (ca. 1500–600 v. Chr.), phrygische und levantinische Fibeln (ca. 700 v. Chr.) sowie phönizische Glasperlen, u. a. in Gesichtsform. Hinzu kommen einige Gegenstände der Verwaltung, so Siegel und Siegelungen aus verschiedenen Perioden sowie zahlreiche Metallgeräte und Waffen.

Ausgrabungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

John Garstang führte 1936 eine kurze Untersuchung auf dem Sirkeli Höyük durch. Er legte fünf kleinere Sondagen an. Zwischen 1992 und 1996 fanden durch die Universität München und die Bayerische Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Barthel Hrouda und 1997 durch die Universität Innsbruck unter der Leitung von Horst Ehringhaus Ausgrabungen statt. Es wurden eine größere Anzahl von unterschiedlich großen Grabungsschnitten (Arealen) angelegt, vor allem auf der Kuppe des Haupthügels sowie im Nordosten der Unterstadt unmittelbar oberhalb der Felswand mit den Reliefs am Abhang zum Fluss hin.

2006 wurden die Ausgrabungen im Rahmen einer Kooperation zunächst der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, seit 2011 der Universität Bern mit der Çanakkale Onsekiz Mart Üniversitesi (Universität von Çanakkale) unter der Leitung von Mirko Novák und Ekin Kozal (bis 2013) bzw. Deniz Yașin-Meier (seit 2014) wieder aufgenommen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Mirko Novák, Ekin Kozal und Deniz Yaşin Meier (Hg.): Sirkeli Höyük. Ein urbanes Zentrum am Puruna-Pyramos im Ebenen Kilikien. Schriften zur Vorderasiatischen Archäologie 13. Harrassowitz, Wiesbaden 2019. ISBN 978-3-447-11161-4
  • Alexander Ahrens: John Garstang at Sirkeli Höyük, Cilician Plain, in 1936–1937: Old Photographs and New Evidence from the Renewed Excavations. In: Anatolica (Annuaire international pour les civilisations de l'Asie antérieure) 40 (2014), S. 47–60. [DOI: 10.2143/ANA.40.0.3036674]
  • Alexander Ahrens, Ekin Kozal, Mirko Novák: Sirkeli Höyük in Smooth Cilicia. A General Overview from the 4th to the 1st Millennium BC. In: Paolo Matthiae u. a. (Hrsg.): Proceedings of the 6th International Congress of the Archaeology of the Ancient Near East, 5 May – 10 May 2008, "Sapienza", Università di Roma (6ICAANE); Vol. 2: Excavations, Surveys and Restorations, Reports on Recent Field Archaeology in the Near East (Wiesbaden 2010), S. 55–74.
  • A. Ahrens, E. Kozal, Chr. Kümmel, M. Novák: Neues aus dem Hethiterreich – Entdeckungen auf dem Sirkeli Höyük. In: Archäologie in Deutschland 1/2008, S. 4.
  • A. Ahrens, E. Kozal, Chr. Kümmel, I. Laube, M. Novák: Sirkeli Höyük – Festung oder Kultstadt?. In: Antike Welt 3/2009, 42–46.
  • A. Ahrens, E. Kozal, Chr. Kümmel, I. Laube, M. Novák: Sirkeli Höyük – Kulturkontakte in Kilikien. Vorbericht über die Kampagnen 2006 und 2007 der deutsch-türkischen Mission. In: Istanbuler Mitteilungen 58 (2008), S. 67–107.
  • M. Forlanini: How to infer Ancient Roads and Intineraries from heterogenous Hittite Texts: The Case of the Cilician (Kizzuwatnean) Road System, KASKAL 10, 2013, S. 1–34.
  • Ekin Kozal und Mirko Novák: Sirkeli Höyük. A Bronze and Iron Age Urban Settlement in Plain Cilicia. In: Ü. Yalçın (Hg.): Anatolian Metals VI, Der Anschnitt Beiheft 25 (Bochum 2013), S. 229–238. ISSN 0003-5238
  • Ekin Kozal und Mirko Novák: Facing Muwattalli: Some Thoughts on the Visibility and Function of the Rock Reliefs at Sirkeli Höyük, Cilicia. In: E. Kozal, M. Akar, Y. Heffron, Ç. Çilingiroğlu, T.E. Şerifoğlu, C. Çakırlar, S. Ünlüsoy und E. Jean (Hg.): Questions, Approaches, and Dialogues in the Eastern Mediterranean Archaeology Studies in Honor of Marie-Henriette and Charles Gates, Alter Orient und Altes Testament 445 (Münster 2017), S. 371–388. ISBN 978-3-86835-251-1
  • Barthel Hrouda: Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungsergebnisse auf dem Sirkeli Höyük/Südtürkei von 1992–1996. In: Istanbuler Mitteilungen 47 (1997), S. 91–150.
  • Horst Ehringhaus: Vorläufiger Bericht über die Ausgrabung auf dem Sirkeli Höyük, Provinz Adana/Türkei im Jahre 1997. In: Istanbuler Mitteilungen 49 (1999), S. 83–140.
  • Horst Ehringhaus: Götter, Herrscher, Inschriften – Die Felsreliefs der hethitischen Großreichszeit in der Türkei. von Zabern 2005, ISBN 3-8053-3469-9, S. 95–101.
  • Mirko Novák, Susanne Rutishauser: Kizzuwatna: Archaeology. In: M. Weeden und L.Z. Ullmann (Hg.): Hittite Landscape and Geography. Handbuch der Orientalistik I,125 (Leiden 2017), S. 134–145. ISBN 978-90-04-34174-6
  • Alexander Sollee, Susanne Rutishauser, Christian Hübner, Birthe Hemeier und Mirko Novák: Die Wiederentdeckung des antiken Kummanni/Kisuatni: Fernerkundung, geophysikalische Prospektion und archäologische Ausgrabungen am Sirkeli Höyük, Türkei. In: Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern 2018, S. 102–125.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Sirkeli – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bisherige Erkenntnisse hinsichtlich der Forschungsziele. Chronologie, Sirkeli Höyük, Ausgrabungsprojekt.
  2. E. Kozal, M. Novák: Facing Muwattalli. Some Thoughts on the Visibility and Function of the Rock Reliefs at Sirkeli Höyük, Cilicia, in: E. Kozal, et al. (Hg.): Questions, Approaches, and Dialogues in the Eastern Mediterranean Archaeology Studies in Honor of Marie-Henriette and Charles Gates, Alter Orient und Altes Testament 445 (Münster 2017), S. 371–388. Zur Darstellung siehe Horst Ehringhaus: Götter, Herrscher, Inschriften – Die Felsreliefs der hethitischen Großreichszeit in der Türkei, von Zabern 2005, S. 97–98. ISBN 3-8053-3469-9