Sozial-ökologische Transformation

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Der Begriff sozial-ökologische Transformation wurde vor allem durch den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) ab 2011 im deutschsprachigen Diskurs über Umweltfragen bekannt.[Anm. 1][1] Mit dem Begriff verbindet der Beirat insbesondere die Forderung, dass die Gesellschaften ihre energetischen Grundlagen auf erneuerbare Energien im Sinne einer „Dekarbonisierung“ umstellen und damit die bisherige „fossilnukleare“ Wirtschaftsweise überwinden sollten.

Begriffsbestimmungen, nähere begriffliche Eingrenzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als der WBGU-Bericht 2011 erschien, war der Begriff „sozial-ökologische Transformation“ schon in Benutzung,[Anm. 1] allerdings in der Breite der Gesellschaft noch nicht sonderlich gebräuchlich; der WBGU sprach daher in diesem Zusammenhang von einer „großen Transformation“ als einem „fundamentalen Wandel, der einen Umbau der nationalen Ökonomien und der Weltwirtschaft innerhalb dieser [planetaren] Grenzen vorsieht, um irreversible Schädigungen des Erdsystems sowie von Ökosystemen und deren Auswirkungen auf die Menschheit zu vermeiden“. Demgemäß dient diese Idee als weitreichendes begriffliches Konzept zur Beschreibung des aktuellen und zukünftigen sozialen Wandels hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft. Hierin kann „Transformation“ als umfassender sozioökonomischer, politischer und soziokultureller Veränderungsprozess aufgefasst werden, in den auch politische Steuerung und politische wie gesellschaftliche Strategien eingehen, sich dabei jedoch nicht allein darauf reduzieren lässt.[2]

„Sozial-ökologische Transformation“ wurde in der umweltpolitischen Diskussion breit rezipiert, weil die Frage nach einer grundlegenden Veränderung der Wirtschaftsweise und der Lebensverhältnisse aufgeworfen wird: In ihrem Buch „Imperiale Lebensweise“ fassen die beiden Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen verschiedene Aspekte des Begriffs zusammen:

„‚Transformation‘ geht deutlich über die bislang dominanten umweltpolitischen und Nachhaltigkeitsperspektiven hinaus, die davon ausgehen, dass mit Technologien und Investionen - und den entsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten und politischen Rahmenbedingungen - ein Übergang in eine kohlenstoffarme Gesellschaft erreicht werden kann. Stattdessen werden grundlegendere Veränderungen für nötig gehalten, die von ‚Pionieren des Wandels‘ wie ökologisch orientierten Unternehmen, BürgerInneninitiativen oder WissenschaftlerInnen vorangetrieben werden sollen. Ergänzt wird das durch Hoffnungen auf einen gesellschaftlichen Wertewandel hin zur Nachhaltigkeit.“[3]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff sozial-ökologische Transformation lehnt sich an den Begriff „The Great Transformation“ von Karl Polanyi aus dem Jahr 1944 an. Ulrich Brand und Markus Wissen kritisieren in Bezug auf die radikale Gesellschaftskritik Polanyis, dass der neue Begriff der sozial-ökologischen Transformation „klassische Fragen der Transformation, nämlich jene nach Gerechtigkeit, einem guten Leben für alle und der Zurückdrängungen von Macht und Herrschaft - und damit etwa verbunden: der Veränderung von Eigentumsverhältnissen -, deutlich unterbelichtet.“[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Walter Kahlenborn, Jens Clausen, Siegfried Behrendt, Edgar Göll (Hrsg.): Auf dem Weg zu einer Green Economy: wie die sozialökologische Transformation gelingen kann. (= Neue Ökologie Bd. 3) transcript Verlag Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8376-4493-7
  • Jürgen P. Rinderspacher: Vor uns die Sintflut: Zeit als kritischer Faktor nachhaltiger Entwicklung. In: Carolin Bohn, Doris Fuchs, Antonius Kerkhoff, Christian Müller (Hrsg.): Gegenwart und Zukunft sozial-ökologischer Transformation. [Fachtagung „Transformation zur Nachhaltigkeit. Hindernisse, Wege, Strategien“, Münster (Westf.) 2018] Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden 2019, ISBN 978-3-8487-5835-7, S. 147–174.
  • Alexander Behr: Globale Solidarität. Wie wir die imperiale Lebensweise überwinden und die sozial-ökologische Transformation umsetzen.[5] oekom, München 2022, ISBN 978-3-96238-370-1

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b So wurde der Begriff der „sozial-ökologischen Transformation“, noch ohne im Umweltdiskurs breit angekommen zu sein, nachweislich etwa von Egon Becker längere Zeit zuvor bereits gebraucht. Vergl.: Egon Becker: Sozial-ökologische Transformation: Anmerkungen zur politischen Ökologie der Nachhaltigkeit. In: Entwicklung und Zusammenarbeit. (ISSN 0721-2178) Bd. 38, H. 1 (1997), S. 8–11.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WGBU): Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Berlin 2011.
  2. Ulrich Brand: Transition und Transformation: sozialökologische Perspektiven. In: Michael Brie (Hrsg.): Futuring: Perspektiven der Transformation im Kapitalismus über ihn hinaus. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2014, ISBN 978-3-89691-969-4, S. 242–280, darin auf S. 249 f.
  3. Ulrich Brand, Markus Wissen: Imperiale Lebensweise: zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus. 7. Aufl. [= unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. 2017]. oekom Verlag, München, ISBN 978-3-86581-843-0, S. 29.
  4. Ulrich Brand, Markus Wissen: Imperiale Lebensweise: zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus. 7. Aufl. [= unveränd. Nachdr. der 1. Aufl. 2017]. oekom Verlag, München, ISBN 978-3-86581-843-0, S. 33.
  5. oekom verlag GmbH- www.oekom.de: Globale Solidarität | oekom verlag. Abgerufen am 21. Januar 2023.