Tachyhydrit

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Tachyhydrit
Farbloses bis weißes Tachyhydrit-Kristallaggregat aus Staßfurt, Sachsen-Anhalt, Deutschland
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Thy[1]

Andere Namen

Tachhydrit

Chemische Formel
  • CaMg2Cl6·12H2O[2][3]
  • Oxidformel: CaCl2 · 2MgCl2 · 12H2O[4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Halogenide
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

III/B.08
III/C.08-030

3.BB.35
11.05.05.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem trigonal
Kristallklasse; Symbol trigonal-rhomboedrisch; 3
Raumgruppe R3 (Nr. 148)Vorlage:Raumgruppe/148[2]
Gitterparameter a = 10,14 Å; c = 17,32 Å[2]
Formeleinheiten Z = 3[2]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2
Dichte (g/cm3) gemessen: 1,667; berechnet: 1,673[5]
Spaltbarkeit vollkommen nach {1011}[5]
Farbe farblos, wachs- bis honiggelb
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 1,520[6]
nε = 1,512[6]
Doppelbrechung δ = 0,008[6]
Optischer Charakter einachsig negativ
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten sehr leicht wasserlöslich, stark hygroskopisch (wassersaugend)
Besondere Merkmale scharfer, bitterer Geschmack[5]

Tachyhydrit (auch Tachhydrit; IMA-Symbol Thy[1]) ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Halogenide“ mit der chemischen Zusammensetzung CaMg2Cl6·12H2O[2] und damit chemisch gesehen ein wasserhaltiges Calcium-Magnesium-Chlorid.

Tachyhydrit kristallisiert im trigonalen Kristallsystem, ist durchsichtig bis durchscheinend und entwickelt meist rundliche, farblose oder wachs- bis honiggelbe Massen. Synthetisch gezogen bildet das Mineral auch rhomboedrische oder tafelige Kristalle aus.

Mit einer Mohshärte von 2 gehört Tachyhydrit zu den weichen Mineralen und lässt sich ähnlich wie das Referenzmineral Gips mit dem Fingernagel ritzen.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tachyhydrit verdankt seinen Namen seiner hygroskopischen Eigenschaft, der Umgebungsluft die Feuchtigkeit zu entnehmen und dann rasch zu zerfließen. Abgeleitet wurde der Name von den altgriechischen Worten ταχύς [tachýs] für schnell und ὕδωρ [hydor] für Wasser, zusammengesetzt also „schnelles Wasser“.

Erstmals entdeckt wurde das Mineral in der Steinsalz-Lagerstätte bei Staßfurt in Sachsen-Anhalt und beschrieben 1856 durch Karl Friedrich Rammelsberg.

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tachyhydrit zur Klasse der „Halogenide“ und dort zur Abteilung der „Doppelhalogenide“, wo er zusammen mit Carnallit die „Carnallit-Tachyhydrit-Gruppe“ mit der System-Nr. III/B.08 und den weiteren Mitgliedern Koenenit und dem inzwischen als Mineralgemenge diskreditierten Almerait bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. III/C.08-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der etwas verfeinerten Abteilung „Doppelhalogenide (meist mit OH, H2O)“, wo Tachyhydrit zusammen mit Carnallit, Koenenit und Redikortsevit unbenannte Gruppe III/C.08 bildet.[7]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[8] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Tachyhydrit dagegen in die Abteilung der „Einfachen Halogenide mit H2O“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach dem Stoffmengenverhältnis von Metall (M) zu jeweiligem Halogen (X), so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „M : X = 1 : 2“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 3.BB.35 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Tachyhydrit zwar ebenfalls in die Klasse der „Halogenide“, dort allerdings in die Abteilung der „Komplexen Halogenide – Aluminiumfluoride“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 11.05.05 innerhalb der Unterabteilung der „Komplexen Halogenide - Aluminiumfluoride mit (A)mB(X)6“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tachyhydrit kristallisiert trigonal in der Raumgruppe R3 (Raumgruppen-Nr. 148)Vorlage:Raumgruppe/148 mit den Gitterparametern a = 10,14 Å und c = 17,32 Å sowie 3 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Mineral ist sehr gut wasserlöslich. Ein Liter Wasser mit einer Temperatur von 18,75 °C kann 1603 Gramm Tachyhydrit aufnehmen.[9]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tachyhydrit scheidet sich aus stark magnesiumhaltigen Restlaugen mariner Salzlagerstätten ab. Als Begleitminerale treten unter anderem Anhydrit, Bischofit, Carnallit, Halit, Kainit, Kieserit und Sylvin auf.

Als seltene Mineralbildung konnte Tachyhydrit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit weniger als 20 Fundorte dokumentiert sind (Stand: 2022).[10] Neben seiner Typlokalität Staßfurt trat das Mineral in Deutschland noch bei Tarthun und im Kaliwerk Teutschenthal in Sachsen-Anhalt sowie in mehreren Kaligruben nahe Celle, Reyershausen (Kaliwerk Königshall-Hindenburg), Frenswegen, Godenau (Kaliwerk Desdemona) und im Kaliwerk Vienenburg zutage.

Der bisher einzige österreichische Fundort ist die Steinsalz-Lagerstätte bei Hallein in Salzburg.

Des Weiteren wurde Tachyhydrit noch im Grubenfeld Mengo im Departement Kouilou der Republik Kongo, in der Anhydritgrube Billingham und im Kaliwerk Carlsbad im Eddy County des US-Bundesstaates New Mexico gefunden.[11]

Synthetische Herstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Patent beschreibt, wie sich durch Behandlung magnesiumhaltiger Karbonate mit starker Salzsäure Tachyhydrit bildet.[12] Dies kann zu einem Hindernis bei der Erdölförderung werden, wenn dadurch Poren verschlossen werden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • C. F. Rammelsberg: Ueber den Tachyhydrit, ein neues Mineral aus dem Steinsalzlager von Stassfurth. In: 'Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie. Band 98, 1856, S. 261–263 ([1] [PDF; 295 kB; abgerufen am 21. Juli 2022]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tachyhydrite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 21. Juli 2022]).
  2. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 158 (englisch).
  3. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: November 2022. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2022, abgerufen am 19. Dezember 2022 (englisch).
  4. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 366, 841.
  5. a b c Tachyhydrite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 68 kB; abgerufen am 21. Juli 2022]).
  6. a b c Tachyhydrite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 21. Juli 2022 (englisch).
  7. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  8. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 21. Juli 2022 (englisch).
  9. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 336.
  10. Localities for Tachyhydrtit. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 21. Juli 2022 (englisch).
  11. Fundortliste für beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 21. Juli 2022.
  12. Patent US3550686A: Utilization of high strength acid on dolomite. Angemeldet am 28. Februar 1969, veröffentlicht am 29. Dezember 1970, Anmelder: Halliburton Co, Erfinder: John A. Knox.