Theaterhaus Königstraße 17

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Fassade Königstraße 17 (2016)

Das Theaterhaus ist ein denkmalgeschütztes Gebäude in der Lübecker Königstraße 17. Es ist Sitz der Taschenoper Lübeck und der Schauspielschule der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit.

Geschichte und Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Grundstück in prominenter Lage im ersten nordöstlichen Block der Königstraße ist erstmals 1284 als bebaut bezeugt; 1367 erwarb es der damalige Bürgermeister Jakob Pleskow.[1] Im frühen 16. Jahrhundert gehörte es der Ratsfamilie von Wickede. Bei seinem Tod 1744 war der Ratsherr Georg Heinrich Gercken Eigentümer des Hauses, dann 1768 der Kaufmann, Ratsherr und Bürgermeister Johann Georg Böhme. Im 19. Jahrhundert sind 1805 August Friedrich Kortum, 1827 Hinrich Christian Mantels und 1834 Dr. med. Hermann Gütschow als Eigentümer verzeichnet. Von 1816 bis 1825 befand sich hier die Lübecker Niederlassung der Thurn-und-Taxis-Post.

1854 erwarb der Kaufmann und Konsul Peter Hinrich Rodde (1822–1891), Inhaber des Handelshauses Rodde, Schröder & Co das Haus. Er sorgte sogleich für einen repräsentativen, klassizistischen Neubau über dem erhaltenen dreischiffigen mittelalterlichen Keller mit Kreuzgewölben. Diesem Neubau verdankt das Haus im Wesentlichen seine heutige Gestalt.

Es präsentiert sich als dreigeschossiges Wohnhaus mit einer aufwendig gegliederten spätklassizistischen Putzfassade.[2] Das Erdgeschoss ist rustifiziert; der Eingang befindet sich an der rechten Seite. Die zweiflügelige Haustür hat gusseiserne, gründerzeitliche Ziergitter.[3] Die Beletage ist durch zwei mittige Fenstertüren zu einem schmiedeeisernen, von durchbrochenem Gitter eingefassten Balkon hervorgehoben. Den oberen Abschluss bildet ein ausladendes Kranzgesims in besonders reicher Ausführung, eine über Rankenfriesfeldern eng gereihte ornamentgeschmückte Konsolenfolge mit dazwischen liegenden Zierfeldern. Die Attikazone ist geprägt von einer schmiedeeisernen Balustrade zwischen Pfeilern, die die Fensterachsen aufnehmen. Die Rückfront ist schlicht und backsteinsichtig. Sie wurde durch spätere Umbauten verändert, ebenso der Flügelanbau.

Nach Roddes Tod nutzte die 1882 von Emmy Eschricht gegründete Frauengewerbeschule, die 1894 von der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit übernommen wurde, das Gebäude bis 1900. Die Schule bot Kurse in Handelsfächern wie Buchhaltung, eine Ausbildung zur Zeichenlehrerin und Kochkurse an.[4]

Ab 1910 wurde es von dem bekannten Orthopäden Oskar Meyer (1880–1959, im Volksmund Knochen-Meyer)[5] als Praxis und Orthopädisches Institut genutzt. Für Zwecke der damals neuen, modernen, gerätegestützten Medico-mechanischen Therapie nach Gustav Zander (Zandern) wurde im hinteren Teil des Grundstücks ein grundstücksbreiter Saalbau errichtet, der nach seiner originalen Bestimmung Zandersaal genannt wird. Dessen Gartenfassade zeigt hohe rundbogige Fensterblenden; der dreiachsige Mittelteil wird von einem flachen Giebeldreieck abgeschlossen.

Oskar Meyer, der jüdischer Herkunft war, verlor aufgrund der nationalsozialistischen Judenverfolgung seine Kassenzulassung und musste Haus und Praxis 1936 weit unter Wert verkaufen.[6] Das Wohnungsinventar wurde versteigert. 1937 gelang ihm mit seiner Familie die Emigration nach London.[7]

Das Innere wurde nach dem Zweiten Weltkrieg für Arztpraxen und Büroräume weitgehend umgestaltet. Unter anderem hatte Walther Böttcher hier seine Rechtsanwalts- und Notarskanzlei. Erhalten blieb das bauzeitliche klassizistische Treppenhaus.

Seit 1967[8] steht das Äußere des Hauses, insbesondere die Straßenfassade, unter Denkmalschutz.[9]

Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit einem Umbau 2007/2008 dient das Haus als zunächst privat geführtes Theaterhaus für verschiedene Gruppen wie das Theater partout (bis 2021)[10], die Schauspielschule der Gemeinnützigen, die tribüHne und ab 2021 die Taschenoper. Dafür wurde das Erdgeschoss umgebaut. Der Theatersaal fasst ca. 100 Zuschauer.

Die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit erwarb Haus und Grundstück 2014 und bewirtschaftet es seither als Theaterhaus der Gemeinnützigen.[11]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Theaterhaus Königstraße 17 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Eigentümer nach AK.09 Königstr. 11 -21: Bau- und Architekturgeschichte, Stadtentwicklung in Lübeck, abgerufen am 23. Januar 2024
  2. Beschreibung nach Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Hansestadt Lübeck, Altstadt, in: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland Reihe Kulturdenkmale in Schleswig-Holstein Band 5.1, Wachholtz, Neumünster 2017, ISBN 978-3-529-02524-2, S. 534
  3. Die gleichen Ziergitter finden sich am Herrenhaus Hohewarte und am Haus Dr.-Julius-Leber-Straße 69
  4. Sylvina Zander: Zum Nähen wenig Lust, sonst ein gutes Kind … Mädchenerziehung und Frauenbildung in Lübeck. (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, Reihe B, Band 26), Lübeck: Schmidt-Römhild 2006, S. 361
  5. Charlotte Landau-Mühsam: Meine Erinnerungen. (Schriften der Erich-Mühsam-Gesellschaft 34) 2010, S. 39, Anm. 79
  6. Dr. med. Oskar Meyer, in Albrecht Schreiber: Hirschfeld, Asch und Blumenthal…: jüdische Firmen und jüdisches Wirtschaftsleben in Lübeck 1920–1938; Blüte, Enteignung, „Wiedergutmachung“. Schmidt-Römhild, Lübeck 2015, ISBN 978-3-7950-0494-1, S. 261–266.
  7. Mit 36 Stolpersteinen und 2 Stolperschwellen erinnert die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. vor dem Portal der Universitätsklinik Leipzig sichtbar und dauerhaft an ihre früheren jüdischen Mitglieder, abgerufen am 23. Januar 2024
  8. Klaus J. Groth: Weltkulturerbe Lübeck. Denkmalgeschützte Häuser. Verlag Schmidt-Römhild, Lübeck 1999, ISBN 3-7950-1231-7, S. 302
  9. Objekt-ID 767, Denkmalliste der Hansestadt Lübeck, abgerufen am 24. Januar 2024
  10. Abschied nach 25 Jahren: Im Theater Partout in Lübeck fällt der letzte Vorhang, Lübecker Nachrichten vom 25. Juni 2021, abgerufen am 24. Januar 2024
  11. Aus der Vorsteherschaft, Lübeckische Blätter 1824 (2014), S. 239 (Digitalisat)

Koordinaten: 53° 52′ 11,8″ N, 10° 41′ 22,4″ O