Theologem

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Mit Theologem (zu altgriechisch θεός theós', deutsch ‚Gott‘ und altgriechisch λόγος lógos, deutsch ‚Wort‘ ‚Rede‘ ‚Lehre‘ und den Suffix -em) wird ein aussagekräftiger Text, ein theologisch-religiöses Element oder Vorkommnis bezeichnet, oder konkret z. B. ein theologischer Lehrsatz, Kernaussage oder ein religiöser Ausspruch, ein Konzept oder eine Theorie. Das Wort ist ein Neologismus.

Begriffsumschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theologeme stellen die kleinsten sprachlichen, sinnstiftenden Einheiten einer religiösen Behauptung, einer Glaubensäußerung dar. Die Voraussetzung für die Verwendung des Begriffs, ist ein kohärentes System religiöser Annahmen, d. h. Aussagen im Kontext zu einer religiösen Tradition. Anders formuliert, steht der Begriff für eine, im Vergleich zum gesamtreligiösen System, greifbarere und konkretere Bedeutungseinheit.[1]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Obgleich der Begriff in der wissenschaftlichen Literatur vielfältig zur Anwendung kommt, ist eine einheitliche exakte Definition oder ein Nachweis über Belegquellen, die den Ursprung der Begriffsbildung darlegen, derzeit nahezu nicht möglich. So bietet der amerikanische Islamwissenschaftler Ian Richard Netton folgende Definition an.

„(...) A basic unit of theological discourse that which can also function as a sign.“

„[Das Theologem stellt] (...) Eine Grundeinheit des theologischen Diskurses [dar], das auch als Zeichen fungieren kann.“

Ian Richard Netton: Allah Transcendent: Studies in the Structure and Semiotics of Islamic Philosophy, Theology and Cosmology. Routledge, Milton Park, Oxfordshire UK 1989, ISBN ISBN 978-0-7007-0287-9, S. 79

Der französische Semiotiker Algirdas Julien Greimas hingegen beschreibt sie als „konstitutive Einheiten von Mythen mit einem theologischen Inhalt“.[2]

Anhand der wissenschaftlichen Texte lassen sich aber Begriffsumfang und Bedeutungsinhalt ableiten. Der Begriff wurde von dem französischen Theologen und Pastor Stéphane Lavignotte 2021[3] aufgegriffen und vertieft.[4] In die Linguistik wurden diese Art von Neologismen von dem Amerikaner Kenneth Pike eingeführt, der nach eigenen Bekunden aus dem Begriffspaar Phonetik und Phonemik das Phonem ableitete.[5] Verwandte analoge Wortneubildungen sind beispielsweise Theorem, Philosophem, Mytheme.[6][7]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beispiele für Theologeme sind die Aussagen über die Sünde, das Kreuzigungsgeschehen als ein Leiden Gottes und die Auferstehung nach dem Tode im Christentum[8]; die Frage der rituellen Reinheit im Judentum; das Tauhīd im Islam und Sufismus; die Amschaspand im Zoroastrismus; die Vier Edlen Wahrheiten und der Samsara im Buddhismus sowie die Orenda in der ethnischen Religion der Irokesen. Weitere Beispiele sind in der christlichen Glaubens- und Vorstellungswelt z. B. die Realpräsenz, das Fegefeuer, oder im Islam der Fī sabīli Llāh.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerhard Oberhammer: Materialien zur Geschichte der Rāmānuja-Schule IV. Der „Innere Lenker“ (antaryāmī). Geschichte eines Theologems. (SbÖAW 659), Wien 1998
  • Christian Moser: Buchgestützte Subjektivität. Literarische Formen der Selbstsorge und Selbsthermeneutik von Platon bis Montaigne. (= Communicatio 36), Max Niemeyer, Tübingen 2006 DOI:10.1515/9783110928938.319, hier S. 323
  • Christopher Baker, Thomas A. James, John Reader: A Philosophy of Christian Materialism: Entangled Fidelities and the Public Good. Ashgate, Farnham and Burlington 2015

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. vergleiche hierzu das Lexem bzw. das literarische Motiv
  2. zitiert aus Hilaire Kallendorf: Exorcism and Its Texts: Subjectivity in Early Modern Literature of England and Spain. University of Toronto Press, Toronto 2003, ISBN 978-0-8020-8817-8, S. 9, auf booksgoogle.de [1]
  3. Stéphane Lavignotte: L’écologie, champ de bataille théologique. Édition Textuel, Paris 2022, ISBN 978-2-84597-899-7.
  4. Anne Kerléo, Odile Riffaud: Les religions sont-elles responsables de la crise écologique? Radio chrétienne francophone (RCF), 21. Juni 2022, auf rcf.fr [2]
  5. Thomas Krefeld: Die ‚emische‘ und die ‚etische‘ Forschungsperspektive. Lehre in den Digital Humanities. Ein Portal der IT-Gruppe Geisteswissenschaften der LMU, 28. April 2016, auf dh-lehre.gwi.uni-muenchen.de dh-lehre.gwi.uni-muenchen.de
  6. Jacques Derrida: Eyes of the University: Right to Philosophy Translated by Jan Plug et al., Stanford University Press, Stanford, CA 2004, zitiert aus Samir Haddad: Derrida’s Rethinking of Professorial Authority. Journal of the American Philosophical Association, (2017) 3(04), 430–445. doi:10.1017/apa.2017.32, hier S. 7
  7. Jacques Derrida: Punktierungen – die Zeit der These. (1997). In: Hans-Dieter Gondek, Bernhard Waldenfels (Hrsg.): Einsätze des Denkens. Zur Philosophie von Jacques Derrida. Suhrkamp, Frankfurt am Main, S. 19–39
  8. Hans Martin Dober, Dagmar Mensink (Hrsg.): Die Lehre von der Rechtfertigung des Gottlosen im kulturellen Kontext der Gegenwart. (= Hohenheimer Protokolle Band 57 Beiträge im Horizont des christlich-jüdischen Gesprächs), Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stuttgart 2002, ISBN 3-926297-86-7, S. 144, Fußnote 22, auf akademie-rs.de [3]