Thomas von Capua

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Thomas von Capua (Tommaso di Capua, Tommaso del Vescovo da Capua) (* vor 1185; † wohl Mitte August 1239[1] in Anagni) war päpstlicher Notar, von 1215 bis 1216 erwählter Erzbischof von Neapel, und ab 1216 Kardinal.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thomas stammte aus Capua, aus der Familie de Ebulo[2] und trat, möglicherweise gefördert durch Pelagius von Albano, in die Dienste der römischen Kurie. 1214 oder 1215 wählte ihn das Kapitel des Erzbistums Neapel zum Erzbischof;[3] er blieb jedoch, ohne sein Amt in Neapel anzutreten, weiterhin in der Kurie tätig, wo er zum Leiter der päpstlichen Kanzlei Innozenz’ III. aufstieg und erstmals im Juni 1215 als sancte Romane ecclesie subdiaconus päpstliche Urkunden datierte. Am 5. März 1216[4] erhob Innozenz III. ihn zum Kardinaldiakon von Santa Maria in Via Lata und im April zum Kardinalpriester von Santa Sabina, woraufhin das Erzbistum Neapel anderweitig besetzt wurde.

Nach Innozenz’ Tod (16. Juli 1216) schied er zunächst aus der Kanzlei aus, wurde jedoch 1219 von Papst Honorius III. zum Kardinalpönitentiar bestellt und übernahm nach dem Pontifikatsantritt Gregors IX. 1227 auch diplomatische Aufgaben. Im Winter 1227/28 war er zusammen mit Kardinal Otto von St. Nikolaus in carcere Tulliano erstmals bei Kaiser Friedrich II., um über die Aufhebung der Exkommunikation des Kaisers zu verhandeln. Im November 1229 reiste Thomas nochmals an den kaiserlichen Hof, um für den in Montecassino eingeschlossenen Pelagius von Albano freien Abzug zu erwirken und Friedensverhandlungen mit dem Kaiser einzuleiten.

Im Sommer 1230 führte er zusammen mit Kardinalbischof Jean II. Halgrin d’Abbeville die schwierigen Verhandlungen mit Friedrich II., die im Juli mit dem zweiten Vertrag von San Germano (Cassino; Friedrich garantierte dem Klerus Steuer-, Straf- und Gerichtsfreiheit und übergab dem Kirchenstaat einige Grenzfestungen) und dem Vertrag von Ceprano (mit der Aufgabe der letzten Königsrechte im Bereich der sizilischen Kirche erreichte Friedrich die Auflösung des Banns) abgeschlossen wurden. Im Oktober 1232 ging er zusammen mit Kardinalbischof Rinaldo dei Conti di Segni nach Viterbo, um den Streit dieser Stadt mit Rom zu schlichten. Ihre Vermittlungsbemühungen im Sommer 1237 in Oberitalien, für einen Frieden zwischen dem Kaiser und den lombardischen Städten, waren hingegen erfolglos.

Thomas starb im August 1239 in Anagni, dem damaligen Aufenthaltsort der päpstlichen Kurie.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus Thomas’ Wirken als Kardinalpönitentiar ist eine maßgeblich auf ihn zurückzuführende Formularsammlung hervorgegangen. Daneben verfasste Thomas eine Ars dictandi, eine lehrbuchartige Einführung in den Briefstil der damaligen päpstlichen Kanzlei.

Im Rahmen seiner Tätigkeit in der päpstlichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit entstand auch der Grundstock für die unter seinem Namen überlieferte Briefsammlung (Summa dictaminis), die wohl nach dem Tod Papst Clemens’ IV. zwischen 1268 und 1271 erstmals in zehn Büchern mit über 500 Stücken zusammengestellt wurde (also auch Stücke enthält, die nach Thomas’ Tod entstanden sind). Ihr herausragender Quellenwert für die Geschichte des 13. Jahrhunderts beschäftigt die Forschung seit mehreren Generationen; grundlegende Arbeiten stammen von Emmy Heller, Hans Martin Schaller und Matthias Thumser.

Editionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Formularsammlung

  • Henry Charles Lea (Hrsg.): A Formulary of the Papal Penitentiary in the Thirteenth Century. Philadelphia 1892. (von Lea irrigerweise dem Kardinal Jacobus Thomasius von S. Clemente zugeschrieben) Scans bei archive.org

Ars dictandi

  • Emmy Heller (Hrsg.): Die Ars Dictandi des Thomas von Capua. Kritisch erläuterte Edition. Winter, Heidelberg 1929. (ALIM)

Summa dictaminis

  • Matthias Thumser/Jakob Frohmann (Hrsg.): Die Briefsammlung des Thomas von Capua. Aus den nachgelassenen Unterlagen von Emmy Heller und Hans Martin Schaller. Vorläufige Online-Edition, MGH 2011. PDF

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Emmy Heller: Die Summa dictaminis des Thomas von Capua. Dissertation, Universität Heidelberg 1926.
  • Emmy Heller: Der kuriale Geschäftsgang in den Briefen des Thomas von Capua. In: Archiv für Urkundenforschung, Bd. 13 (1935), S. 198–318.
  • Emmy Heller: Zur Frage des kurialen Stileinflusses in der sizilischen Kanzlei Friedrich II. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Bd. 19, Jg. 1963, S. 434–450.
  • Hans Martin Schaller: Studien zur Briefsammlung des Kardinals Thomas von Capua. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Bd. 21, Jg. 1965, S. 371–518.
  • Norbert Kamp: Kirche und Monarchie im staufischen Königreichen Sizilien. I: Prosopographische Grundlegung: Bistümer und Bischöfe des Königreichs 1194–1266. I: Abruzzen und Kampanien. München 1973, S. 315–317. (Münstersche Mittelalter-Schriften, 10. I,1)
  • Werner Maleczek: Papst und Kardinalskolleg von 1191 bis 1216. Die Kardinäle unter Coelestin III. und Innocenz III. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1984, S. 201–203. (Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom, Bd. I 6)
  • Kristina Stöbener/Matthias Thumser: Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Thomas von Capua (Monumenta Germaniae Historica. Hilfsmittel, Bd. 30). Harrassowitz, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-447-10680-1

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. „Aput Anagniam Thomas Capuanus Sancte Sabine presbyter cardinalis 15 Kal. Septembris [18. August] obiit.“, Ryccardus de San Germano, Chronica, in: Georg Heinrich Pertz (Hrsg.), Monumenta Germaniae Historica, Band 19, S. 378, zum Jahr 1239 (online). Hingegen: „Thomas de Capua […] Cardinalis S. Sabinæ […] E viuis ereptus est Anagniæ xi. Kalendas Septembris [22. August] anno 1243“, in: Alphonus Ciacconius, Vitae et res gestae Pontificum romanorum et S.R.E. Cardinalium…, Tomus secundus, Rom 1677, Spalte 36, Nr. XXVIII (online). Ryccardus folgen u. a. Heller, Schaller, Stöberer, Thumser und (geschichtsquellen.de); Chacón folgen u. a. Lea (A formulary…, 1892, S. 77, Fußnote, s. Literaturangaben), Setton (A history oft the crusades, 1985, Band 5 und 6), Eden (Artikel Hymnographers in: Johnston, Encyclopedia of Monasticism, 2013), Armstrong/Hellman/Short (Francis of Assisi, 1999), die Bibliothèque nationale de France (online), sowie die Enciclopedia italiana (Bruni, Artikel Tommaso di Capua, 1937 (online) auch in der aktuellen Onlineausgabe. WorldCat Identities liefert in der Rubrik „Alternative Names“ (statistisch) 11 mal „1243“ bzw. „ca. 1243“ und 7 mal „1239“ (online)
  2. Werner Maleczek: Papst und Kardinalskolleg von 1191 bis 1216. Die Kardinäle unter Coelestin III. und Innocenz III. Wien 1984, S. 201 mit Anm. 563
  3. Am 4. Juni 1215 ist er zum ersten Mal als Neapolitanus electus bezeichnet. Vgl. Werner Maleczek: Papst und Kardinalskolleg von 1191 bis 1216. Die Kardinäle unter Coelestin III. und Innocenz III. Wien 1984, S. 202; das kanonisch geforderte Mindestalter ist 30 Jahre.
  4. Datum nach Werner Maleczek: Papst und Kardinalskolleg von 1191 bis 1216. Die Kardinäle unter Coelestin III. und Innocenz III. Wien 1984, S. 202.