Triggerwarnung

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Triggerwarnung zu Gewalt im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum (2022): „Die explizite Darstellung körperlicher Gewalt auf den Bildern in diesem Raum kann bei einigen Besucher*innen unangenehme Gefühle oder körperliche Symptome auslösen.“

Eine Triggerwarnung (von englisch trigger warning, auch deutsch Inhaltshinweis,[1] von englisch content note) ist eine Warnung vor möglichen Auslösereizen (Auslöser, englisch trigger).[2] Der Begriff „Trigger“ stammt ursprünglich aus der Traumatheorie, hat aber inzwischen eine weite mediale und politische Rezeption erfahren. Für „Triggerwarnung“ ist in sozialen Medien die Abkürzung „TW“ gebräuchlich, für den verwandten, neutraleren Begriff „Content Note“ (Inhaltswarnung) die Abkürzung „CN“.[3] Die Wirksamkeit von Triggerwarnungen gilt als umstritten, da sie gegenteilige Wirkungen haben können.[4]

Ursprung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ursprünge des Begriffs „Trigger“ liegen in der Traumatherapie, wo der Begriff „bestimmte Reize, die unwillkürlich die Erinnerung an ein zurückliegendes Trauma auslösen und dadurch Flashbacks hervorrufen können“ bezeichnet.[5] Die heute gebräuchliche Verwendung nahm ihren Ursprung in Diskussionen über sexuelle Gewalt in feministischen Online-Foren und wurde seit Beginn der 2000er-Jahre auch in weiteren Online-Communitys verwendet, bevor er durch Nutzer auf Tumblr weiter popularisiert wurde.[6]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Universitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insbesondere an angloamerikanischen Universitäten setzen sich Studierende seit etwa den 2000ern ausgehend von den Gesellschaftswissenschaften dafür ein, dass Inhalte, die auf Menschen mit Gewalterfahrung möglicherweise retraumatisierend wirken könnten, mit Triggerwarnungen versehen werden. Dadurch soll betroffenen Menschen ermöglicht werden, in potentiell retraumatisierenden Situationen entsprechend zu reagieren, z. B. indem sie diese vermeiden und sie in einem sicheren Umfeld (beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie oder im Gespräch mit Vertrauenspersonen) aufzuarbeiten. Zudem hat sich ein weiteres Verständnis von Triggerwarnungen durchgesetzt, das sich auf als verletzend empfundene Inhalte bezieht. Die Auseinandersetzung um Triggerwarnungen wurde und wird insbesondere in den USA intensiv geführt.[7][5] Triggerwarnungen werden dort insbesondere in Lehrveranstaltungen, die Themen über Geschlecht, Hautfarbe (englisch Race) oder Sexualität diskutieren, gefordert.[8]

Literatur, Theater und Museen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein rundes Schild an einer Infotafel weist darauf hin, dass die Ausstellung rassistische, antisemitische und gewaltvolle Inhalte zeigt.
Triggerwarnung zu Kolonialismus: „Diese Ausstellung beschreibt rassistische, antisemitische und gewaltverherrlichende Inhalte.“ Botanischer Garten Bonn (2023)

In Deutschland werden seit den 2020er Jahren verstärkt Triggerwarnungen für Ausstellungen,[9] Bücher,[10] Theaterstücke und -aufführungen,[11] Serien und journalistische Artikel verwendet.[12] Der britische Schriftsteller Neil Gaiman verwendete die Bezeichnung 2015 für seine Kurzgeschichtensammlung Trigger Warning.[13]

In Büchern werden Triggerwarnungen als Teil des Paratexts vor dem Haupttext verwendet. Die Autorin Jasmina Kuhnke versah ihren Roman Schwarzes Herz 2021 mit einer Triggerwarnung.[14] Die Bücher Nullerjahre von Hendrik Bolz und Wir waren wie Brüder (2022) von Daniel Schulz über Ostdeutschland enthalten Triggerwarnungen.[15]

Fernsehen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Epilepsie-Warnung bei flackerndem Licht und Lichtblitzen: Unter anderem MTV blendet vor der Ausstrahlung von Bühnenshows und Videoclips, die einen hohen Anteil an grellen Lichteffekten und Stroboskopblitzen enthalten, einen entsprechenden Hinweis ein. Darin heißt es, dass die Lichteffekte bei entsprechend empfänglichen Zuschauern unter Umständen epileptische Anfälle auslösen können. In einem Bericht zur Übertragung der MTV Awards 2009 heißt es: "Nach jeder Werbepause gab es eine Epilepsie-Warnung [...]."[16]

Seit mindestens Januar 2023 wird auf dem Fernsehsender Super RTL vor der Ausstrahlung von Asterix-Zeichentrickfilmen ein Warnhinweis eingeblendet:

INFO: Der folgende Film ist ein Produkt seiner Zeit. Er kann rassistische, sexistische und diskriminierende Stereotype darstellen. Diese Stereotype waren damals falsch und sie sind auch heute noch falsch. Auch wenn das Folgende die Sicht und die Wertvorstellungen von SUPER RTL nicht wiedergibt, wird der Film so gezeigt, wie er ursprünglich entstanden ist. Wir möchten anregen, aus den Inhalten zu lernen und darüber zu sprechen, um gemeinsam eine integrative, vielfältige Zukunft zu gestalten.[17]

Für das Kinderprogramm Toggo auf demselben Sender wurde im Dezember 2023 eine kindgerecht umformulierte Fassung eingeblendet:

Triggerwarnung vor Asterix-Zeichentrickfilm

INFO: Der Film, den ihr jetzt hier bei TOGGO seht, ist vor vielen Jahren entstanden. Er kann deshalb an manchen Stellen Bilder von Menschen oder Menschengruppen enthalten, die damals schon falsch waren und es auch jetzt noch sind. Heute wissen wir das und zeigen euch den Film, um gemeinsam daraus zu lernen und um zu verstehen, wie sich Ideen und Bilder im Lauf der Zeit verändern. Wenn ihr mögt, dann sprecht doch in der Familie oder in der Schule darüber.

Im August 2023 wurden Triggerwarnungen, die in der WDR-Mediathek vor alte Sendungen der Otto-Show und Schmidteinander eingefügt wurden, kontrovers diskutiert.[18] Die Warnung vor der Otto-Show, die eingeblendet und von einer Sprecherin verlesen wurde, lautete:

Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden.[19]

Als Reaktion sprach Otto Waalkes im September einen satirischen Warnhinweis vor der Heute-show.[20]

Studien zu Wirksamkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Studien deuten darauf hin, dass Triggerwarnungen ineffektiv Angstgefühle reduzieren und dazu führen, dass das Trauma möglicherweise als wichtiger Bestandteil der Identität wahrgenommen wird.[21][22][23] Richard J. McNally, klinischer Psychologe und Professor der Psychologie in Harvard, differenziert zwischen Traumata und posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und merkt an, dass Vermeidung zur Entstehung von PTBS beitrage. Betroffenen könne am besten durch eine kognitive Verhaltenstherapie geholfen werden.[24]

Victoria Bridgland (Flinders University) und Psychologen der Harvard University sichteten die vorliegende Forschung zu Triggerwarnungen.[25] Ihr Fazit: Die Warnungen schützten nicht vor negativen Gefühlen, sondern schürten im Gegenteil vorab leichte Erwartungsängste. Die Warnungen könnten vielleicht helfen – wenn sie auch Hinweise zum Umgang mit aufkommenden negativen Gefühlen geben würden. Das sei aber selten der Fall.[26]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gabriel Moshenska sieht zwei besonders prominent vertretene Gruppen von Kritikern an Triggerwarnungen: Diejenigen, die verletzende Inhalte an sich befürworten, und diejenigen, die bezweifeln, dass entsprechende Inhalte tatsächlich Schaden anrichten.[7] Konservative und liberale Kritiker argumentieren, dass Triggerwarnungen ähnlich wie Political Correctness eine Form der Zensur herbeiführen könnten, da sie zu einer Hemmung von kritischer Diskussion und Meinungsvielfalt beitrügen. Diese Position beruht unter anderem auf der Annahme, dass Menschen aufgrund von Triggerwarnungen bestimmte Themen eher vermeiden würden.[27][7]

Der Psychologe Markus Brunner begrüßt zwar, dass die Ausweitung des Traumadiskurses „der Anerkennung der Vulnerabilität von strukturell benachteiligten Gruppen“ zuträglich sei, kritisiert aber die damit einhergehende Unschärfe in der Verwendung des Traumabegriffs. Der Fokus auf die Macht von Sprache sei zwar in Anbetracht der für Linke und für von Diskriminierung Betroffene spürbaren fehlenden gesellschaftlichen Handlungsmacht verständlich, berge aber die Gefahr, kontroverse Themen nicht mehr zu behandeln. Die Kritik an studentischen Bestrebungen sei aber übertrieben und überschätze den Einfluss Studierender stark. Die Kritiker von Triggerwarnungen seien an „nuancierten Auseinandersetzungen“ wenig interessiert.[5] Constantin Wagner sieht dagegen Triggerwarnungen als „Berücksichtigung von nicht-privilegierten Sprecher*innenpositionen“ und „möglicherweise bisweilen unbeholfener Versuch, mit Verhältnissen struktureller Gewalt umzugehen“. Sie könnten somit eine hilfreiche Debatte anstoßen.[28]

Sara Ahmed sieht durch Triggerwarnung als „unvollständige und notwendigerweise unzureichende“ Maßnahme erst die Möglichkeit gegeben, schwierige Themen mit allen betroffenen Personen zu besprechen.[29] Der Anglist Ingo Berensmeyer kritisierte den Einsatz von Triggerwarnungen an deutschen Universitäten 2022 in der FAZ. Wissenschaft benötige kein „betreutes Lesen“.[30]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Universität Bonn distanziert sich von Leitfaden. Abgerufen am 8. Oktober 2023.
  2. Peter Ertle: Kulturphänomene (95): Die Triggerwarnung. In: tagblatt.de. 28. Februar 2015, abgerufen am 16. September 2015.
  3. „CN“ und „TW“ bei Twitter: Was heißen die Abkürzungen? 26. November 2019, abgerufen am 2. August 2022.
  4. Condé Nast: What if Trigger Warnings Don’t Work? 28. September 2021, abgerufen am 27. Februar 2023 (amerikanisches Englisch).
  5. a b c Markus Brunner: Zur Politisierung eines traumatherapeutischen Konzepts. In: Eva Berendsen, Saba-Nur Cheema, Meron Mendel, Verbrecher Verlag, Bildungsstätte Anne Frank (Hrsg.): Trigger Warnung: Identitätspolitik zwischen Abwehr, Abschottung und Allianzen. Erste Auflage. Berlin 2019, ISBN 978-3-95732-380-4, S. 21–36.
  6. Ali Vingiano: How The "Trigger Warning" Took Over The Internet. In: Buzzfeed News. 2014, abgerufen am 1. April 2021 (englisch).
  7. a b c Gabriel Moshenska: Anatomy of a ‘trigger warning’ scandal. In: The free speech wars. Manchester University Press, 2020, ISBN 978-1-5261-5255-8, doi:10.7765/9781526152558.00021 (manchesterhive.com [abgerufen am 19. Februar 2021]).
  8. Alexis Lothian: Choose Not to Warn: Trigger Warnings and Content Notes from Fan Culture to Feminist Pedagogy. In: Feminist Studies. Band 42, Nr. 3, 2016, ISSN 0046-3663, S. 743–756, doi:10.15767/feministstudies.42.3.0743.
  9. Hinweise in Ausstellungen: Was bei der Diskussion über Trigger-Warnungen untergeht. Abgerufen am 26. August 2023.
  10. Ines Heiser: Vorsicht, Roman! In: DEUTSCH 5-10. Band 2022, Nr. 73, 1. Dezember 2022, S. 34–35, doi:10.5555/d510-73-2022_08 (utb.de [abgerufen am 15. Januar 2023]).
  11. Sabine Leucht: Like Lovers Do (Memoiren der Medusa) – Münchner Kammerspiele – Pınar Karabulut lässt Sivan Ben Yishais brutales Lied von der Schändung im fluffigen Niemandsland zwischen Star-Trek-Aliens und Superhelden-Comic ertönen. Abgerufen am 25. Oktober 2021.
  12. Triggerwarnungen: Nicht inflationär einsetzen. Abgerufen am 25. Oktober 2021.
  13. 30 N | Review of “Trigger Warning” by Neil Gaiman. In: 30 N. 8. Februar 2017, abgerufen am 14. Februar 2022 (englisch).
  14. Jasmina Kuhnke - "Schwarzes Herz". 24. Oktober 2021, abgerufen am 25. Oktober 2021.
  15. Leipziger Volkszeitung: Warum „Nullerjahre“ und „Wir waren wie Brüder“ mit Trigger-Warnungen beginnen. Abgerufen am 24. Februar 2023.
  16. Jürgen Kirsch: MTV-Awards: Zwischen Pyroshow, Strapsen und symbolischen Momenten. In: Quotenmeter.de. 6. November 2009, abgerufen am 31. Dezember 2023.
  17. Super RTL warnt vor Asterix: „rassistische, sexistische und diskriminierende Stereotype“. In: uepo.de. 14. Januar 2023, abgerufen am 1. Januar 2024.
  18. Sebastian Herrmann: Gleich wird es schlimm! 23. August 2023, abgerufen am 23. August 2023.
  19. WDR zeigt Warnhinweis vor alter „Otto-Show“ – Waalkes: „Komik hat ja immer etwas Anstößiges“. In: RND. 18. August 2023, abgerufen am 31. Dezember 2023.
  20. Katharina Lembke: Heute Show: Otto Waalkes lacht über Warnhinweise des WDR. In: DerWesten.de. 9. September 2023, abgerufen am 20. September 2023 (deutsch).
  21. Payton J. Jones, Benjamin W. Bellet, Richard J. McNally: Helping or Harming? The Effect of Trigger Warnings on Individuals with Trauma Histories. Open Science Framework, 10. Juli 2019, doi:10.31219/osf.io/axn6z (osf.io [abgerufen am 10. Januar 2021]).
  22. Benjamin W. Bellet, Payton J. Jones, Richard J. McNally: Trigger warning: Empirical evidence ahead. In: Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry. Band 61, Dezember 2018, S. 134–141, doi:10.1016/j.jbtep.2018.07.002 (elsevier.com [abgerufen am 10. Januar 2021]).
  23. Benjamin W. Bellet, Payton J. Jones, Cynthia A. Meyersburg, Miranda M. Brenneman, Kaitlin E. Morehead: Trigger warnings and resilience in college students: A preregistered replication and extension. In: Journal of Experimental Psychology: Applied. Band 26, Nr. 4, Dezember 2020, ISSN 1939-2192, S. 717–723, doi:10.1037/xap0000270 (apa.org [abgerufen am 1. April 2021]).
  24. Richard J. McNally: If You Need a Trigger Warning, You Need P.T.S.D. Treatment. In: NY Times. 13. September 2016, abgerufen am 10. Januar 2021 (englisch).
  25. A Meta-Analysis of the Efficacy of Trigger Warnings, Content Warnings, and Content Notes (18. August 2023)
  26. Christiane Gelitz / spektrum.de: Triggerwarnungen wirken nicht so, wie sie sollen (9. September 2023).
  27. Sarah Glatte: Mit dem Finger am Abzug. Wer sollte über Triggerwarnungen entscheiden? In: Free Speech Debate. Abgerufen am 10. Januar 2021.
  28. Constantin Wagner: Psychologisierung des Politischen oder Etablierung »neuer« Sprecher*innenpositionen?: Anmerkungen zu Markus Brunners Text »Trigger-Warnung. Zu den Aporien im Umgang mit gesellschaftlicher Gewalt«. In: Freie Assoziation. Band 23, Nr. 1, März 2021, ISSN 1434-7849, S. 140–143, doi:10.30820/1434-7849-2020-1-2-140 (psychosozial-verlag.de [abgerufen am 26. Oktober 2021]).
  29. Sara Ahmed: Against Students. In: The New Inquiry. 29. Juni 2015, abgerufen am 27. August 2022 (amerikanisches Englisch).
  30. Ingo Berensmeyer: Trigger-Warnungen: Wissenschaft braucht kein betreutes Lesen. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 9. Februar 2022]).