Trout Mask Replica

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Trout Mask Replica
Studioalbum von Captain Beefheart & His Magic Band

Veröffent-
lichung(en)

16. Juni 1969

Aufnahme

August 1968März 1969

Label(s) Straight Records
Reprise Records (Re-Release)
Zappa Records (Re-Release)
Third Man Records (Re-Release)

Format(e)

LP, MC, CD

Genre(s)

Experimental Rock, Avantgarde, Blues-Rock, Spoken Word, Free Jazz

Titel (Anzahl)

28

Länge

77:38

Besetzung
  • Jeff Cotton alias Antennae Jimmy Semens – Slide-Gitarre mit Stahl-Bottleneck, Gesang
  • Victor Hayden alias The Mascara Snake – Bassklarinette, Gesang
  • Dick Kunc – Stimme
  • Gary „Magic“ Marker – Bass

Produktion

Frank Zappa

Studio(s)

Chronologie
Strictly Personal
(1968)
Trout Mask Replica Lick My Decals Off, Baby
(1970)

Trout Mask Replica (engl. „Forellenmasken-Nachbildung“) ist das dritte Studioalbum von Captain Beefheart & His Magic Band und wurde im Juni 1969 veröffentlicht. Das Doppelalbum wurde von Frank Zappa produziert und auf dessen Label Straight Records veröffentlicht.

Trout Mask Replica verbindet musikalisch radikal und einzigartig Einflüsse aus Blues, Avantgarde, Free Jazz und anderen Genres amerikanischer Musik mit polyrhythmischen Klängen und atonalen Harmonien. Dazu singt und rezitiert Captain Beefheart (mit bürgerlichem Namen Don Glen Van Vliet) heulend, schreiend, wimmernd und grölend seine surrealistischen, häufig bewusst absurden Texte (Spoken Word). Trout Mask Replica wird allgemein als Beefhearts bestes Album und als Meilenstein der Rockmusik sowie der experimentellen Musik betrachtet. Es übte einen starken Einfluss auf die Entstehung von Stilen wie Alternative Rock, New Wave oder (Post-)Punk aus.

Das Magazin Rolling Stone führt das Album auf Platz 60 der 500 besten Alben aller Zeiten.[1] Der italienische Musikkritiker Piero Scaruffi wählte Trout Mask Replica in seiner Auswahl der besten Rock-Alben aller Zeiten auf Platz 1.[2]

Entstehungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trout Mask Replica wurde nach Safe as Milk (1967) und Strictly Personal (1968) als drittes Album von Captain Beefheart & His Magic Band veröffentlicht. Das in den Jahren 1967/68 entstandene Mirror Man erschien erst 1971, zeigt aber im Nachhinein deutlich die Entwicklung Captain Beefhearts und seiner Band von einem eigenwilligen, doch im Grund konventionellen Blues mit fremden Einflüssen zu den experimentellen Klängen auf Trout Mask Replica. Rechtliche Streitigkeiten, künstlerische Differenzen und nicht abgesprochene Änderungen durch den Produzenten Bob Krasnow an Strictly Personal führten später sogar so weit, dass sich Beefheart von seinen vorigen Veröffentlichungen distanzierte.

Nur das Angebot seines alten Schulfreundes Frank Zappa, der ihm volle künstlerische Freiheit und Kontrolle zusicherte und das nächste Album auf seinem neugegründeten Label Straight Records veröffentlichen wollte, hielt zu diesem Zeitpunkt Beefheart von einem – 1984 endgültig erfolgten – Rückzug aus dem Musikgeschäft und der vollständigen Hingabe an die Malerei ab. Zappa produzierte das Album und wirkte als Sprecher bei mehreren Titeln mit.

Die Proben in einem kleinen, angemieteten Haus in Woodland Hills (Los Angeles) zogen sich unter klausurähnlichen und von Geldnot bestimmten Bedingungen über ein Jahr hin. Die Musiker John French und Bill Harkleroad beschreiben die Zustände als „kultähnlich“[3] und ein Besucher beschreibt die Situation als „regelrecht mansonesk[4] Beefheart, der seine Stücke in Windeseile komponierte – ohne allerdings irgendeine Form von Notenschrift zu beherrschen – sang den Musikern die betreffenden Passagen baldmöglichst vor und probte so lange, bis das in seinem Kopf vorhandene fertige Arrangement perfekt saß.[5] Die eigentlichen Aufnahmen im Studio nahmen danach insgesamt weniger als fünf Stunden in Anspruch.[1]

Das Album[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Captain Beefheart 1974

Die Musik auf Trout Mask Replica verbindet minimalistischen Rhythm and Blues mit Free Jazz und Avantgarde, Garage Rock mit Neuer Musik, Field Recording mit Polyrhythmik und Atonale Musik mit Folksongs unterbrochen durch Spoken-Word-Einschübe. Der charakteristische Sound des Albums ist (neben der üblichen Rhythmusgruppe mit E-Bass und Schlagzeug) geprägt durch zwei Slide-Gitarren – die eine mit einem gläsernen Bottleneck, die andere mit einem stählernen gespielt. Dazu kommen neben verschiedenen Saxophonen so ungewohnte Blasinstrumente wie Bassklarinette und Musetteoboe zum Einsatz.

Von den 28 Titeln dauern viele nicht länger als zwei Minuten. Doch diese sind oft vollgepackt mit Tempo- und Rhythmuswechseln. Das tradierte Schema von Strophe und Refrain spielt keine Rolle. Im Hintergrund sind Gesprächsfetzen und andere Geräusche zu vernehmen und im Vordergrund ertönt Beefhearts mehrere Oktaven umfassende Stimme, die sich scheinbar bemüht, heulend und jaulend, schreiend und grölend nicht den richtigen Ton oder den richtigen Takt zu treffen.

Die Aufnahmen zu Trout Mask Replica waren eine Zerreißprobe für die Freundschaft zwischen Beefheart und Zappa. Der streng strukturierte und durchorganisierte Zappa „… hatte tatsächlich Schwierigkeiten, denn solche abenteuerlichen Aufnahmetechniken, wie in einem Raum bei geschlossener Tür zu singen, während das Mikrofon im Nebenzimmer steht (‚China Pig‘), oder den gesamten Vokalpart eines Liedes (‚The Blimp‘) durchs Telefon zu sprechen waren für den Studioperfektionisten Zappa wirklich zu viel“.[5] Beefhearts Weigerung, bei den Aufnahmen Monitor-Kopfhörer zu tragen, hatte den (vielleicht) unbeabsichtigten Effekt zur Folge, dass er im Grund eher zum Echo und Nachhall der Studioräume sang als zur eigentlichen Musikbegleitung.[6]

Die Kakophonie der Musik auf Trout Mask Replica wird adäquat ergänzt durch die Texte Captain Beefhearts. Matthias Leitner schreibt auf on3 „… dass die Texte auf einer Skala zwischen kryptisch und unverständlich changieren, dass die Musik – einmal losgelassen – einem den letzten Nerv raubt … “.[7] Sie sind „… völlig absurd und irgendwie nicht von dieser Welt stammend, mitunter sehr kontrovers. Titel wie ‚Dachau Blues‘, ‚Old Fart At Play‘, ‚Neon Meate Dreams Of An [sic] Octafish‘ sprechen für sich. Purer Nonsens, aber mitunter auch geheimnisvolle, surreale poetische Transzendenz.“[8]

Das bekannte, leuchtend bunte Albumcover von Trout Mask Replica gestaltete der Grafiker Cal Schenkel, der bereits zuvor – wie auch später immer wieder – für Zappa und dessen Labels Straight Records und Bizarre Records tätig war. Vor einem rot-rosa-farbenen Hintergrund posiert eine Person in grüner Jacke mit Fellkragen und blauem Schal. Auf dem Kopf trägt sie einen kegelförmigen Hut, auf dessen Spitze ein Federball thront. Vor das Gesicht hält sich die Person den Kopf eines – nach Aussage Schenkels – echten Karpfens.[9]

Veröffentlichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Straight Records brachte Trout Mask Replica am 19. Juni 1969 als Doppel-LP und Kompaktkassette auf den Markt. Im März 1989 veröffentlichte es Reprise Records erstmals auf CD. 2013 erschien durch Zappa Records ein 2012 angefertigtes Remaster auf CD. Dieses legte Third Man Records 2018 als LP neu auf. Seit 2021 wird das Album per Musikstreaming und im hochauflösendem Audioformat (24-Bit/96 kHz) als Download angeboten.

Titelliste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frank Zappa, im Hintergrund Captain Beefheart
Bill Harkleroad 1973
Roy Estrada 2006

Alle Songs stammen aus der Feder von Don Van Vliet alias Captain Beefheart.

Seite 1:

  1. Frownland – 1:39
  2. The Dust Blows Forward ´N the Dust Blows Back – 1:53
  3. Dachau Blues – 2:21
  4. Ella Guru – 2:23
  5. Hair Pie: Bake 1 – 4:57
  6. Moonlight On Vermont – 3:55

Seite 2:

  1. Pachuco Cadaver – 4:37
  2. Bills Corpse – 1:47
  3. Sweet Sweet Bulbs – 2:21
  4. Neon Meate Dreams of a Octafish – 2:25
  5. China Pig – 3:56
  6. My Human Gets Me Blues – 2:42
  7. Dali’s Car – 1:25

Seite 3:

  1. Hair Pie: Bake 2 – 2:23
  2. Pena – 2:31
  3. Well – 2:05
  4. When Big Joan Sets Up – 5:19
  5. Fallin’ Ditch – 2:03
  6. Sugar ´N Spikes – 2:29
  7. Ant Man Bee – 3:55

Seite 4:

  1. Orange Claw Hammer – 3:35
  2. Wild Life – 3:07
  3. She’s Too Much for My Mirror – 1:42
  4. Hobo Chang Ba – 2:01
  5. The Blimp (Mousetrapreplica) – 2:04
  6. Steal Softly Thru Snow – 2:13
  7. Old Fart at Play – 1:54
  8. Veteran’s Day Poppy – 4:30

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quelle Bewertung
Allmusic SternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbol[10]
Laut.de SternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbol[11]
Pitchfork SternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbol[12]
Musikexpress SternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbolSternsymbol[13]

Der Cartoonist und Schriftsteller Matt Groening erzählt, dass er im Alter von 15 Jahren dachte, „ … das ist das Schlimmste, was ich je hörte. Ich sagte zu mir, sie probieren es noch nicht mal! Eine einzige schlampige Kakophonie. Dann hörte ich noch ein paar mal rein, da ich nicht glauben konnte, dass Frank Zappa mir das antun könnte – und weil ein Doppelalbum viel Geld kostet. Ab dem dritten Hören, erkannte ich, dass sie es absichtlich machten; sie wollten es genau so klingen lassen. Beim sechsten oder siebten Mal machte es Klick und ich dachte, es ist das großartigste Album, das ich je gehört habe“.[14]

Der einflussreiche BBC-Radio-1-DJ John Peel sagte: „Wenn es irgend etwas in der Geschichte der Popmusik gegeben hat, das als Kunstwerk bezeichnet werden kann, so dass es auch Menschen aus anderen Bereichen der Kunst verstehen, dann ist wahrscheinlich ‚Trout Mask Replica‘ dieses Werk.“[15] Sein erstes Hörerlebnis des Albums beschrieb er folgendermaßen: „Ich taumelte in die Nacht von Hollywood und wusste, dass nichts so sein würde wie zuvor.“[16] Goedzak schrieb zum Tod Captain Beefhearts auf der Freitag, das Album „ist das schönste und das schlimmste Album zeitgenössischer Musik, das ich kenne.“[17] Der Musiker, Radiomoderator und Schriftsteller Carl-Ludwig Reichert äußerte sich: „Nur wer sich alle vier Seiten von ‚Trout Mask Replica‘ am Stück anhören mag, kann mein Freund sein.“[18]

Die Website Pitchfork wählte das Album auf Platz 54 der 200 besten Alben der 1960er Jahre.[19] New Musical Express führt es auf Platz 279 der 500 besten Alben aller Zeiten.[20] Trout Mask Replica gehört zu den 1001 Albums You Must Hear Before You Die.

Trout Mask Replica inspirierte zahlreiche nachfolgende Bands und Musiker wie die Talking Heads, The White Stripes, Tom Waits, Public Image Ltd., The Fall oder Franz Ferdinand.[21][22]

2010 wurde das Album in die National Recording Registry der Library of Congress aufgenommen.[23]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bill Harkleroad, Billy James: Lunar Notes: Zoot Horn Rollo’s Captain Beefheart Experience. Firefly Pub, 1998, ISBN 0-946719-21-7. (engl.)
  • John „Drumbo“ French: Beefheart: Through the Eyes of Magic. Prober Music Publishing, 2010, ISBN 978-0-9561212-1-9. (engl.)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b 500 Greatest Albums List (2003): 60, rollingstone.com, abgerufen am 20. Januar 2024.
  2. www.scaruffi.com (Aufgerufen am 28. November 2011)
  3. John French auf www.beefheart.com (Memento des Originals vom 13. Dezember 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.beefheart.com (Aufgerufen am 26. November 2011)
  4. Mike Barnes: Captain Beefheart. Quartet Books, 2000, ISBN 0-7043-8073-0.
  5. a b Daniel Gottschalk und Udo Pasterny in Rock Session 3. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1979, ISBN 3-499-17270-4.
  6. www.allmusic.com (Aufgerufen am 26. November 2011)
  7. Matthias Leitner: Ein unhörbares Album auf on3.de (Memento vom 5. Januar 2012 im Internet Archive).
  8. Matthias Weiß auf www.fairaudio.de (Memento vom 4. Oktober 2011 im Internet Archive).
  9. Awesome Album Covers: Trout Mask Replica (Memento vom 16. Februar 2012 im Internet Archive), wnew.radio.com.
  10. Review von Steve Huey auf allmusic.com (abgerufen am 28. Oktober 2017)
  11. Review von Yannik Gölz auf laut.de (abgerufen am 28. Oktober 2017)
  12. Review von Marc Masters auf pitchfork.com (abgerufen am 28. April 2018)
  13. Review von Franz Schöler, in: Musikexpress 06/1989, Ausgabe 401, S. 126.
  14. „The first time I heard Trout Mask, when I was 15 years old, I thought it was the worst thing I'd ever heard. I said to myself, they're not even trying! It was just a sloppy cacophony. Then I listened to it a couple more times, because I couldn't believe Frank Zappa could do this to me – and because a double album cost a lot of money. About the third time, I realised they were doing it on purpose: they meant it to sound exactly this way. About the sixth or seventh time, it clicked in, and I thought it was the greatest album I'd ever heard.“ www.beefheart.com (Memento vom 17. Juli 2012 im Internet Archive) (Aufgerufen am 4. Februar 2015)
  15. „If there has been anything in the history of popular music which could be described as a work of art in a way that people who are involved in other areas of art would understand, then ‚Trout Mask Replica‘ is propably that work.“ Mike Barnes auf WWW.furious.com (Memento des Originals vom 20. November 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.furious.com (Aufgerufen am 28. November 2011)
  16. Philipp Krohn/Ole Löding: Sound of the Cities. Eine popmusikalische Entdeckungsreise. Rogner & Bernhard, Berlin 2015, ISBN 978-3-95403-091-0, S. 295.
  17. www.freitag.de (Aufgerufen am 28. November 2011)
  18. Karl Bruckmaier: Soundcheck. Die 101 wichtigsten Platten der Popgeschichte. C.H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-42093-1.
  19. The 200 Best Albums of the 1960s auf pitchfork.com, abgerufen am 28. Oktober 2017
  20. NME: The 500 Greatest Albums of All Time auf nme.com, abgerufen am 24. September 2020
  21. Mission: unlistenable auf theguardian.com, abgerufen am 28. Oktober 2017
  22. Captain Beefheart and the Magic Band: Trout Mask Replica (1969) auf elsewhere.co.nz, abgerufen am 28. Oktober 2017
  23. Complete National Recording Registry Listing auf loc.gov (abgerufen am 4. Januar 2021)