Tyska kyrkan (Stockholm)

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Kirchturm

Die Tyska kyrka (deutsch „Deutsche Kirche“) ist ein lutherisches Kirchengebäude in der Stockholmer Altstadt Gamla stan. Die Kirche gehört der Deutschen St. Gertruds Gemeinde, einer deutschsprachigen Gemeinde der Schwedischen Kirche. Sie ist nach der heiligen Gertrud von Nivelles benannt, die auch als Schutzpatronin der Reisenden gilt. Mit 96 Metern Höhe ist der Kirchturm das höchste Gebäude der Stockholmer Innenstadt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kirche in der Stockholmer Altstadt

Vorläufer der heutigen Kirche war das Gildenhaus der deutschen Kaufmannsgilde der heiligen Gertrud. Die Sankt-Gertruds-Gilde hatte seit Mitte des 14. Jahrhunderts bestanden, war aber infolge der Beschlüsse des Reichstags von Västerås 1544 aufgelöst und ihr Vermögen samt dem Gildehaus konfisziert worden.

Am 8. März 1571 erteilte der schwedische König Johann III. der deutschsprachigen Kirchengemeinde in Stockholm das Privileg, auf dem Gelände des ehemaligen Dominikanerklosters eine eigene Kirche zu erbauen. Die seit 20 Jahren bestehende deutschsprachige Gemeinde hatte zuvor den Konventsaal des Franziskanerklosters auf dem Gråmunkeholm, dem heutigen Riddarholm, genutzt. Zuvor war das Sankt-Gertruds-Gildehaus der finnischen Gemeinde als Andachtsraum überlassen worden. 1576 wurde die deutschsprachige Gemeinde Miteigentümer und 1607 alleiniger Besitzer des Gildehauses, das nach Anbau eines Turms als Gottesdiensthaus diente. Das Gildehaus erwies sich jedoch als zu klein oder genügte den Ansprüchen der Gemeinde nicht. Im Jahr 1637 wurde deshalb das Fundament für einen Kirchenneubau gelegt. Zwischen 1639 und 1643 wurde die Kirche nach den Plänen des aus Straßburg stammenden Baumeisters Hans Jakob Kristler errichtet. Vom alten Gildesaaal blieb dabei nicht viel übrig. Lediglich das Epitaph, das heute die Taufkapelle schmückt, wurde übernommen.[1]

In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 1878 zerstörte ein Brand den Kirchturm, die Orgel, die Glocken und einen großen Teil der Kirchenfenster. Der Turm wurde anschließend ab dem Frühjahr 1881 nach Plänen des Berliner Architekten Julius Carl Raschdorff neu erbaut. 1884 wurden vier neue Glocken aus Dresden eingeweiht. Die neuen Kirchenfenster wurden von der Münchener Hofglasmalereifirma Zettler gefertigt.[1] Das letzte Fenster wurde 1911 eingesetzt.[2]

Die 1571 gegründete deutsche Gemeinde gehört der Schwedischen Kirche an. Die Gottesdienste werden daher zwar von deutschen Geistlichen auf Deutsch und mit deutschen Gesangbüchern, aber nach der schwedischen Gottesdienstordnung gehalten.

Orgeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Düben-Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick auf die historische Orgel

In der Deutschen Kirche gibt es zwei Orgeln.[3] Die Orgel auf der Südempore ist eine Rekonstruktion der ersten Orgel aus dem 17. Jahrhundert. Sie wurde 2004 von der Orgelbaufirma Grönlunds Orgelbyggeri nach alten Vorlagen neu erbaut.

Das ursprüngliche Instrument wurde 1609 von dem Spandauer Orgelbauer Paul Müller gebaut und danach mehrfach verändert und erweitert, bis es 1651 seine endgültige Form erhielt.[4] Es wurde 1777 abgebaut und nach Nordschweden verkauft.

Die Replik hat 36 Register und zwei Effektregister auf drei Manualwerken und Pedal.[5] Die Orgel ist mitteltönig gestimmt mit Kammerton a1 = 467 Hz.[6][7]

Hauptwerck CDEF–c3
Principal 8′
Quintadena 16′
Gro: Spiel flöte 8′
Gedacte 8′
Octava 4′
Spitz flött 4′
Quinta II 3′
Super Octava II 3′
Mixtur VI
Dussanen 16′
Trommeten 8′
Oberwerck CDEF–c3
Quintadena 8′
Zap: flöite 4′
Nassat 3′
Octava 2′
Spitz Quinte 112
Zimball II
Schallmeijen 8′
Rückpositieff CDEF–c3
Principal 4′
Flött 8′
Flött 4′
Octava 2′
Waltpfeiffen 2′
Sexquealtra II
Cimball III
Dulcian 16′
Krumbhorn 8′
Geigen Regall 4′


Brustwerck CDEF–c3
Starck Regal 8′
Pedal CDEF–d1
Under Bass 16′
Gedacter Bass 8′
Octava Bass 4′
Posaunen Bass 16′
Trommeten Bass 8′
Dulcian Bass 8′
Corneten Bass 4′
Tremulandt
  • Koppeln: RP/P, HW/P, OW/HW
  • Effektregister: Vogell Gesang, Zimbelstern

Juno-Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Daneben gibt es in der Turmempore eine weitere Orgel.[8] Diese wurde 1887 von der Firma Åkerman & Lund gebaut. 1972 wurde sie abgebaut und eingelagert. Es wurde eine neue, neobarocke Orgel von dem Kölner Orgelbauer Willi Peter erworben. Diese wurde jedoch 2017 wieder abgebaut und an die Petrikirche in St. Petersburg verkauft.

Die alte Orgel von 1887 wurde restauriert und wieder aufgestellt. Sie erhielt den Namen Juno-Orgel in Erinnerung an den Ort der Einlagerung, einen Keller im Juno-Viertel, und an die römische Göttin Juno, die für Wind und Wandel steht. Die Orgel hat zwei Manuale und 31 Register. Die Pfeifen sind von hoher Qualität und aus bestem Orgelmetall gefertigt; das Register Tuba 8′ war seinerzeit das erste Hochdruckregister in Schweden. Auch die doppelt labiierte Flöte 8′ und die konische Waldflöte 2′ waren damals Neuheiten in Schweden. Diejenigen Register, die bei einem Umbau der Orgel 1959 durch Olof Rydén ausgetauscht wurden, wurden wiederhergestellt, darunter die besagte Tuba. Die Pfeifen von Gamba 8′ und Violin 8′, die Rydén zu obertönigen Registern abgeschnitten hatte, wurden angelängt. Die verlorene Angelica 8′ wurde durch eine historische Wienerflöte 8′ von Jörgensen (1927) ersetzt. Die Disposition lautet:[9][10]

I. Manual (Hauptwerk) C–g3
1. Borduna 16′ *
2. Prinzipal 8′
3. Gamba 8′ *
4. Flûte harmonique 8′ *
5. Dolce 8′
6. Fleute double 8′
7. Octava 4'
8. Flûte octaviante 4′
9. Cornette IV *
10. Octava 2′
11. Trumpet 16′
12. Trumpet 8′ *
II. Manual (Schwellwerk) C–g3
13. Gedakt 16′
14. Bassetthorn 8′
15. Violin 8′ *
16. Salicional 8′
17. Rörfleut 8′
18. Angelica 8′ *
19. Fugara 4′
20. Echofleut 4′
21. Waldfleut 2′
22. Euphone 8′ *
23. Tuba 8′ HD *
Pedal C–f1
24. Prinzipal 16′
25. Subbas 16′
26. Quinta 12′ *
27. Violoncello 8′
28. Borduna 8′
29. Octava 4′
30. Basun 16′
31. Trumpet 8′
  • Koppeln: II/I, super II/I, sub II/II, I/P, II/P, super II/P
  • Spielhilfen: Plenum I. Man. an/ab, General-Crescendo, Tuba II. Man. an/ab, Crescendo/Schweller II. Man., Pedalregister an/ab für die beiden Pedalzungen und Octava 4′
  • Traktur: vollmechanisch, Schleifladen, Barkermaschine für das I. Manual

HD = Hochdruckregister; * = rekonstruiertes Register

Glockenspiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Besonderheit gilt das Glockenspiel der Kirche von 1887, welches täglich nach dem Glockenschlag um 8 Uhr, 12 Uhr, 16 Uhr und 20 Uhr im Wechsel die beiden Kirchenlieder Nun danket alle Gott und Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren erklingen lässt und mittels der Stokkenklaviatur mittwochs um 15.30 Uhr in Konzerten gespielt wird.

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Emil Schieche: 400 Jahre Deutsche St. Gertrudsgemeinde in Stockholm 1571–1971. Deutsche St. Gertrudsgemeinde, Stockholm 1971.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tyska kyrkan, Stockholm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Die Kirche. Svenska kyrkan (Schwedische Kirche), abgerufen am 28. März 2021.
  2. Süddeutsche Zeitung, 20. Juni 2011, S. R10.
  3. Die Orgeln Deutsche Kirche Stockholm
  4. Düben-Orgel Deutsche Kirche Stockholm
  5. orgelanders.se: Tyska kyrkan. (schwedisch)
  6. Michael Dierks: Die Orgeln der St. Gertruds Kirche zu Stockholm, insbesondere die restaurierte Orgel von Åkerman & Lund. In: Ars Organi. 66. Jahrgang, Heft 2, Juni 2018, S. 111–116, hier S. 116 (online [PDF]).
  7. Christina Nilsson, Dag Edholm: Orgelliv: sju sekel i Stockholms stifts kyrkor. Kulturhistoriska bokförlaget, 2012, ISBN 978-91-87151-04-0, S. 260 (schwedisch).
  8. Juno-Orgel Deutsche Kirche Stockholm
  9. Disposition der Orgel, PDF
  10. Vgl. Michael Dierks: Die Orgeln der Deutschen St. Gertruds Kirche zu Stockholm, insbesondere dierestaurierte Orgel von Åkerman & Lund, S. 114 (wie oben).

Koordinaten: 59° 19′ 26,8″ N, 18° 4′ 17,9″ O