Ulrich Rasche

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Ulrich Rasche (* 1969[1] in Bochum[2]) ist ein deutscher Regisseur und Bühnenbildner.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ulrich Rasche hat sich als Regisseur mit formstrengen Chorprojekten einen Namen gemacht. Nach einem Studium der Kunstgeschichte sammelte Rasche Theatererfahrungen bei Jürgen Kruse in Bochum und bei Edith Clever, Dieter Sturm und Robert Wilson an der Schaubühne am Lehniner Platz. Außerdem war er Stipendiat an Wilsons Watermill Center bei Southampton (USA).[3] Es folgten Arbeiten am Staatstheater Stuttgart, der Volksbühne Berlin, dem Theater Bonn, den Sophiensälen Berlin sowie bei den Wiener Festwochen. Am Schauspiel Frankfurt inszenierte er 2010 Wilhelm Meister. Eine theatralische Sendung. 2014 koproduzierte er mit den Sophiensälen Berlin, dem Kunstfest Weimar, dem Schauspiel Frankfurt und Kampnagel Hamburg Die kosmische Oktave von Nis-Momme Stockmann. Seine Inszenierung von Dantons Tod 2015 am Schauspiel Frankfurt wurde als „überwältigendes Revolutions-Oratorium“ (SZ) gefeiert. Rasche wurde zudem 2013 mit dem Kunstpreis der Akademie der Künste Berlin ausgezeichnet.

Werkkritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2017 wurde sein Entwurf für Die Räuber am Münchner Residenztheater von der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute zum Bühnenbild des Jahres gewählt.[4]

In der Kritikenrundschau der nachtkritik.de wird K. Erik Franzen aus der Frankfurter Rundschau zitiert: „Rasche zeigt eine Welt, die unaufhaltsam in Bewegung geraten ist, in eine Massenbewegung […] Geradezu weggerissen von der Wucht dieses Perpetuum Mobile eines kollektiven, extrem uniformierten Entwicklungsrausches werden nicht nur die Zuschauer, sondern schließlich auch ‚Die Räuber‘.“[5]

Seine Inszenierung der Bakchen des Euripides am Wiener Burgtheater wurde von Stephan Hilpold im Standard als „großes theatrales Statement“ gelobt und von Norbert Mayer in Die Presse als „wuchtig-plakativ, raffiniert vielschichtig, voller Kraft“ beschrieben. Im Deutschlandfunk meinte Christoph Leibold: „Vor dem Hintergrund eines grassierenden Rechtspopulismus in Europa kehrt Ulrich Rasche die Verhältnisse um […] ganz im Sinne, dass ein wenig kühle Rationalität nicht schaden könne, wo zunehmend mit gefühlten Wahrheiten argumentiert werde.“[6]. Die Ästhetik der Bakchen ging einigen wenigen auch zu nah, die sie „eher schlicht in der Aussage und der künstlerischen Umsetzung“ bewerteten.[7] Der Theaterkritiker Bernd Noack urteilte: „Zu Ulrich Rasche fällt auch dem geduldigsten Kritiker jetzt bald nichts mehr ein, weil der deutsche Regisseur mit dem Drang zum Überwältigen halt auch immer das Gleiche macht. Das zweifelhafte Konzept mit rotierenden Scheiben und endlosen Laufbändern, auf denen gedrillte Schauspieler im Dauermarsch die Sprache – und den Sinn – zerhacken, hat sich jetzt buchstäblich öde gelaufen.“[7] „Seltsam unterkomplex“ nannte Uwe Mattheis die Inszenierung der Bakchen: „Über der Uniformität seiner Schrittfolgen sind Rasche Unterscheidungen verloren gegangen. […] Die Aufführung verkennt schlicht das Fortwirken der Geschlechterdifferenz im Diskurs der Macht.“[8]

Seine Inszenierung der 4.48 Psychose von Sarah Kane am Deutschen Theater Berlin stufte Janis El-Bira auf nachtkritik.de[9] als „exemplarische Aufführung eines postdramatischen Klassikers, wie sie auch über die laufende Spielzeit hinaus Referenzcharakter behalten dürfte“, ein. Ähnlich urteilte Christine Wahl im Tagesspiegel: „Ein wirklich großer, maßstabsetzender Abend!“ 4.48 Psychose klinge bei Rasche „nicht nur überraschend zeitgenössisch, ja geradezu zeitdiagnostisch. Sondern die Inszenierung legt vor allem eine überindividuelle, existenzielle Dimension in der fundamentalen Selbst-Verunsicherungserfahrung frei, die durch den biografischen Kontext verstellt war“. Es gelinge Rasche „mit einem überdurchschnittlichen Ensemble“, „diese Figur […] tatsächlich aus der Opferperspektive herauszuholen“.[9] In der FAZ schrieb Simon Strauß, Ulrich Rasche sei „der Formentschiedenste unter den derzeitigen Regisseuren“ und stellte fest, die „verbraucht geglaubte Monumentalmetapher auf die mechanische Grausamkeit unserer Gesellschaft erlangt hier, in seiner ersten Arbeit am Deutschen Theater, noch einmal eine neue Wirkungsebene […] Stand bei Rasches Arbeiten bisher neben der Maschine vor allem das arbeitende Kollektiv im Zentrum, lässt er hier größeren Raum für das Spiel des Individuums.“[10] Peter Laudenbach titelte in der Süddeutschen Zeitung: „So fühlt sich Verzweiflung an: Ulrich Rasche inszeniert Sarah Kanes 4.48 Psychose am Deutschen Theater Berlin chorstark auf Laufbändern. Ein erschütterndes Exerzitium.“[11]

Einladungen zum Berliner Theatertreffen und Nestroy-Preise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2017 wurde Ulrich Rasche mit seiner Inszenierung Die Räuber zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Die Jury schrieb in ihrer Begründung:

„In einer Epoche der aufkommenden Massenbewegungen, da sich Demokratiefeinde auf Marktplätzen wie auf Social-Media-Plattformen gegen die offene Gesellschaft formieren, bietet Ulrich Rasches eigenwillig strenges und über Jahre verfeinertes Chortheater das Kunstwerk der Stunde. Rasche platziert seine Spieler*innen auf riesigen Laufbändern, die wie Panzerketten rotieren, sich gen Himmel heben und gen Abgrund neigen. Egal ob der Moor’sche Haushalt, der vom Intriganten Franz gekapert wird, oder die Räuberhorde um Karl Moor – alle schreiten wie Galeerensklaven einher; alle geraten in den Sog der Masse, den Rasches Komponist Ari Benjamin Meyers mit meditativen, archaischen Trommelkompositionen kongenial orchestriert. An diesem opernhaften, düsteren Abend verdichten sich die Durchbruchsphantasien und die Kritik der Instanzen, die Schillers Protagonist*innen entflammen, zum apokalyptischen Mahnmal.“[12]

Wegen des besonders aufwändigen Bühnenbilds war die Inszenierung selbst beim Berliner Theatertreffen nicht zu sehen. Stattdessen wurde am 21. Mai 2017 eine Fernsehaufzeichnung, die 3sat von der Münchener Inszenierung erstellt hatte, als „Preview“ gezeigt.[13]

2017 wurde Rasches Die Räuber von Friedrich Schiller, inszeniert am Residenztheater München mit dem Nestroy-Preis für die beste Inszenierung im deutschsprachigen Raum in Wien ausgezeichnet.[14]

2018 wurde Rasches Baseler Woyzeck-Inszenierung für das Theatertreffen ausgewählt.[15]

2018 wurden Die Perser von Aischylos in Bearbeitung von Durs Grünbein als beste Aufführung im deutschsprachigen Raum mit dem Nestroy-Preis in Wien ausgezeichnet.[16]

2019 wurden sowohl Die Perser, eine Koproduktion zwischen den Salzburger Festspielen und dem Schauspiel Frankfurt, als auch Das große Heft am Staatsschauspiel Dresden für die 10er-Auswahl nominiert.[17] Letztere Inszenierung wurde nach Berlin eingeladen.[18]

Im Frühjahr 2023 bekam Rasche den mit 10.000 Euro dotierten Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis des Bundeslandes Hessen, der Stadt Gießen und der Hein-Heckroth-Gesellschaft Gießen zugesprochen. In der Preisbegründung von Olaf Altmann hieß es: „Ulrich Rasche hat eine vollkommen neue, tiefgründige, intensive und zugleich spektakulär überwältigende Theatersprache erschaffen“.[19]

Regie und Bühne (Auszug)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ulrich Rasche. In: Schauspiel Frankfurt. 2014, archiviert vom Original am 3. August 2016; abgerufen am 9. Februar 2017.
  2. Drang | Ja, Pathos. In: Der Freitag. 26. September 2018, abgerufen am 4. März 2019.
  3. Ulrich Rasche auf schaefersphilippen.de
  4. Joachim Meyerhoff zum Schauspieler des Jahres gewählt. In: Der Standard. 31. August 2017, abgerufen am 31. August 2017.
  5. Frankfurter Rundschau, 26. September 2016: Zitiert nach Die Räuber – Im Residenztheater flasht Ulrich Rasche das Münchner Publikum mit einem Mensch-Maschine-Schiller-Amalgam. In: nachtkritik.de, 23. September 2016
  6. Die Bakchen – Burgtheater Wien – Ulrich Rasche eröffnet die Intendanz von Martin Kušej mit einem Maschinentheater-Monumental-Euripides. In: nachtkritik.de, 12. September 2019
  7. a b Viel Getöse um wenig – das Burgtheater gefällt sich gar sehr. In: NZZ, 15. September 2019
  8. „Die Bakchen“ am Wiener Burgtheater: Ekstasen im Viervierteltakt. In: taz, 17. September 2019
  9. a b 4.48 Psychose – Deutsches Theater Berlin – Ulrich Rasche gibt Sarah Kanes postdramatischem Klassiker eine exemplarische Form. In: nachtkritik.de, 17. Januar 2020
  10. „4.48 Psychose“ in Berlin: Auf den Gipfeln der Verzweiflung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 22. Januar 2020, archiviert vom Original am 25. Januar 2020; abgerufen am 2. August 2023.
  11. Peter Laudenbach: Schmerztheater - Rasender Stillstand. In: sueddeutsche.de. 20. Januar 2020, abgerufen am 28. Januar 2024.
  12. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 24. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berlinerfestspiele.de
  13. https://www.berlinerfestspiele.de/de/aktuell/festivals/theatertreffen/archiv_tt/archiv_tt17/tt17_programm_auswahl/tt17_veranstaltungsdetail_auswahl_206952.php
  14. https://www.nestroypreis.at/show_content2.php?s2id=284
  15. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 1. Februar 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berlinerfestspiele.de
  16. https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=16101:nestroy-preise-vergeben&catid=126&Itemid=100089
  17. Berliner Festspiele: Theatertreffen - Inszenierungen in der Diskussion 2019. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Mai 2019; abgerufen am 14. Mai 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berlinerfestspiele.de
  18. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 3. Februar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berlinerfestspiele.de
  19. Hein-Heckroth-Bühnenbildpreis an Ulrich Rasche, nachtkritik.de vom 15. März 2023, abgerufen am 16. März 2023
  20. nachtkritik.de. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  21. Seestücke – Die Volksbühne entdeckt den Seefahrer Schiller in seinen späten Fragmenten. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  22. Die Entführung aus dem Serail – Ulrich Rasche findet den unheimlichen Irak im Bassa-Land von Mozart. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  23. Wilhelm Meister – Ulrich Rasche hypnotisiert mit einem chorisch-flirrenden Diskurs-Stück über Kaufmannsstand und freie Gedanken. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  24. 30. September − Ulrich Rasche ästhetisiert den Bahnhofskampf in Stuttgart. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  25. Die Apokalypse – Ulrich Rasche zeigt in Stuttgart auch ohne Chor seine Handschrift. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  26. Die kosmische Oktave – Wie Nis-Momme Stockmann in den Sophiensaelen zu Berlin von Liebe sprach und Ulrich Rasche Chöre marschieren ließ. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  27. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 30. Januar 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.schauspielfrankfurt.de
  28. Dantons Tod – Ulrich Rasche lässt Büchners Revolutionäre am Schauspiel Frankfurt auf Räderwerk schreiten. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  29. (Memento des Originals vom 30. Januar 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.konzerttheaterbern.ch
  30. Das Erdbeben in Chili – Ulrich Rasches radikaler chorischer Kleist-Abend in Bern. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  31. https://www.residenztheater.de/inszenierung/die-raeuber
  32. Die Räuber – Im Residenztheater flasht Ulrich Rasche das Münchner Publikum mit einem Mensch-Maschine-Schiller-Amalgam. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  33. Sieben gegen Theben / Antigone – In Frankfurt bebildert Ulrich Rasche den Horror der Antike. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  34. https://www.theater-basel.ch/Spielplan/Woyzeck/ozSASzSk/Pv4Ya/
  35. Woyzeck – Ulrich Rasche inszeniert Georg Büchners Mörderdrama am Basler Schauspielhaus als spektakuläre Show. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  36. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Februar 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.staatsschauspiel-dresden.de
  37. Das große Heft – Das Berliner Theatertreffen 2019 von außen betrachtet – Männerforscher Dag Schölper über Ulrich Rasches Romanadaption vom Staatsschauspiel Dresden. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  38. Schauspiel Frankfurt: Schauspiel Frankfurt - Die Perser, von Aischylos. Abgerufen am 25. November 2018.
  39. Die Perser – Bei den Salzburger Festspielen künden Ulrich Rasches Menschenchöre von der antiken Menschenschlacht bei Salamis. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  40. https://www.residenztheater.de/inszenierung/elektra
  41. Elektra – Ulrich Rasche inszeniert Hofmannthals psychoanalytische Deutung des Mythos am Residenztheater München als gigantische Verstandes-Maschine. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  42. Die Bakchen – Burgtheater Wien – Ulrich Rasche eröffnet die Intendanz von Martin Kušej mit einem Maschinentheater-Monumental-Euripides. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  43. 4.48 Psychose – Deutsches Theater Berlin – Ulrich Rasche gibt Sarah Kanes postdramatischem Klassiker eine exemplarische Form. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  44. Das Erdbeben in Chili – Residenztheater München – Ulrich Rasche lädt zur Spielzeiteröffnung Kleists Novelle der Stunde mit unnötig vielen aktuellen Bezügen auf. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  45. Oedipus – Deutsches Theater Berlin – Ulrich Rasche sucht mit der Tragödie des Sophokles das exemplarische Individuum. Abgerufen am 11. Juli 2022.
  46. Agamemnon | residenztheater.de. Abgerufen am 8. März 2024 (deutsch).