WHIM-Syndrom

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Klassifikation nach ICD-10
D81.8 Sonstige kombinierte Immundefekte
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das WHIM-Syndrom (kurz für Warzen-Hypogammaglobulinämie-Immundefizienz-Myelokathexis-Syndrom) ist eine vererbbare, seltene Immunschwächekrankheit.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das gemeinsame Auftreten der charakteristischen Symptome des WHIM-Syndroms wurde erstmals 1964 beschrieben.[1] Im Jahr 2000 konnte die genetische Ursache für dieses Syndrom gefunden werden.[2][3] Das WHIM-Syndrom ist der erste Immundefekt, der auf einen Zytokinrezeptordefekt zurückzuführen ist.

In der Fachzeitschrift Cell stand Anfang 2015 ein Bericht des Clinical Center der National Institutes of Health in Bethesda/Maryland über einen Fall von Spontanheilung durch Chromothripsis.[4]

Symptome[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charakteristisch für das WHIM-Syndrom ist eine Immunschwäche, die sich in wiederkehrenden bakteriellen und viralen Infektionen äußert. Davon sind insbesondere die Atemwege mit Nasennebenhöhlenentzündungen, Mandelentzündungen und Lungenentzündungen betroffen. Die Patienten sind anfällig für Infektionen mit humanen Papillomaviren, die sich in zahlreichen Warzen, insbesondere im Hand- und Fußbereich, äußern. WHIM-Syndrom-Patienten haben darüber hinaus ein erhöhtes Risiko, an viral-bedingten Krebsarten, wie beispielsweise dem Cervixkarzinom, zu erkranken. Im Blutserum der Patienten können erniedrigte IgG-Konzentrationen gemessen werden (Hypogammaglobulinämie). Histologisch erscheint das Knochenmark der WHIM-Patienten voller T-Vorläuferzellen. Dem gegenüber kann eine Neutropenie beobachtet werden, die auf eine gestörte Auswanderung und somit Zurückhaltung neutrophiler Granulozyten aus dem Knochenmark zurückgeführt werden kann (Myelokathexis).

Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das WHIM-Syndrom ist eine autosomal-dominant vererbte Krankheit. Als häufigste Ursache, die bei 92 % der betroffenen Patienten gefunden wurde, werden Mutationen eines Gens auf dem Genlocus 2q21, das den Chemokinrezeptor CXCR4 codiert, angesehen.[5] Diese Mutationen im intrazellulären Teil des membranständigen Rezeptors für das Zytokin CXCL12 (SDF-1) führen zu einem verkürzten Rezeptorprotein, dem die Fähigkeit der Internalisierung nach Aktivierung fehlt. Somit sind Mechanismen der negativen Selbstregulation unterbrochen und der Rezeptor kann dauerstimuliert werden.[6] Eine Verminderung der Expression von CXCR4 ist zudem Voraussetzung für das Verlassen von T-Vorläuferzellen aus dem Knochenmark. Aufgrund der Mutation und der fehlenden Internalisierung von CXCR4 bleibt auf der Oberfläche der TZ-Vorläuferzellen. Diese Vorläuferzellen können daher das Knochenmark nicht verlassen und sind die Ursache für die histologischen Befunde im Knochenmark und Blut.

Das WHIM-Syndrom kann jedoch vereinzelt auch bei Patienten (bei 8 % der Patienten) mit einem nicht-mutierten (Wildtyp) CXCR4 beobachtet werden. Eine mögliche Ursache bei diesen Patienten ist eine Fehlfunktion von Proteinen, die an der Internalisierung von CXCR4 beteiligt sind, wie beispielsweise G-Protein-gekoppelte Rezeptorkinasen (GRKs).[7]

Da der CXCR4-Rezeptor auch bei anderen Migrations- und Homingprozessen eine Rolle spielt, ist auch die Immunabwehr in der Peripherie gestört.[8]

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Behandlung von Patienten mit einem WHIM-Syndrom steht die Reduktion der Infektanfälligkeit im Vordergrund. Eine Substitution mit Immunglobulinen soll die Infekthäufigkeit senken. Zur Normalisierung der Freisetzung Neutrophiler Granulozyten aus dem Knochenmark kann GM-CSF oder besser G-CSF eingesetzt werden.[9][8] Die Verwendung von CXCR4-Antagonisten, wie Plerixafor, zur Behandlung von Patienten mit WHIM-Syndrom wird derzeit in klinischen Studien untersucht.[3]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. C. E. Krill, H. D. Smith, A. M. Mauer: Chronic idiopathic granulocytopenia. In: N Engl J Med. Band 270, Mai 1964, S. 973–979, PMID 14122792.
  2. R. J. Gorlin, B. Gelb, G. A. Diaz, K. G. Lofsness, M. R. Pittelkow, J. R. Fenyk Jr: WHIM syndrome, an autosomal dominant disorder: clinical, hematological, and molecular studies. In: Am J Med Genet. Band 91, Nr. 5, April 2000, S. 368–376, PMID 10767001.
  3. a b A. V. Gulino: WHIM syndrome: a genetic disorder of leukocyte trafficking. In: Curr Opin Allergy Clin Immunol. Band 3, Nr. 6, Dezember 2003, S. 443–450, PMID 14612668.
  4. Spontanheilung einer Erbkrankheit durch Chromothripsis. In: Dt. Ärzteblatt. vom 6. Februar 2015, abgerufen 7. Februar 2015. doi:10.1016/j.cell.2015.01.014
  5. P. A. Hernandez, R. J. Gorlin, J. N. Lukens u. a.: Mutations in the chemokine receptor gene CXCR4 are associated with WHIM syndrome, a combined immunodeficiency disease. In: Nat Genet. Band 34, Nr. 1, Mai 2003, S. 70–74, doi:10.1038/ng1149, PMID 12692554.
  6. B. Lagane, K. Y. Chow, K. Balabanian u. a.: CXCR4 dimerization and beta-arrestin-mediated signaling account for the enhanced chemotaxis to CXCL12 in WHIM syndrome. In: Blood. Band 112, Nr. 1, Juli 2008, S. 34–44, doi:10.1182/blood-2007-07-102103, PMID 18436740.
  7. K. Balabanian, A. Levoye, L. Klemm u. a.: Leukocyte analysis from WHIM syndrome patients reveals a pivotal role for GRK3 in CXCR4 signaling. In: J. Clin. Invest. Band 118, Nr. 3, März 2008, S. 1074–1084, doi:10.1172/JCI33187, PMID 18274673, PMC 2242619 (freier Volltext).
  8. a b T. Kawai, H. L. Malech: WHIM syndrome: congenital immune deficiency disease. In: Curr Opin Hematol. Band 16, Nr. 1, 2009, S. 20–26, PMID 19057201.
  9. J. Bohinjec, D. Andoljsek: Neutrophil-releasing activity of recombinant human granulocyte-macrophage colony stimulating factor in myelokathexis. In: Br. J. Haematol. Band 82, Nr. 1, September 1992, S. 169–170, PMID 1419790.