Wetterauer Braunkohlerevier

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Im Wetterauer Revier wurde zwischen 1804 und 1991 rund 70 Mio. Tonnen Braunkohle über und unter Tage gefördert und zum größten Teil im Kraftwerk Wölfersheim verstromt und verschwelt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Horloffgraben Braunkohlevorkommen entdeckt wurden, erließ Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt eine Verordnung, wonach Braunkohle für Heizzwecke gefördert werden sollte. Die Kohle war mit eineinhalb Millionen Jahren die jüngste je in Deutschland geförderte. Das Wetterauer Vorkommen erstreckte sich über eine Länge von rund 15 km in nordsüdlicher Richtung von Hungen bis Ossenheim. Die Mächtigkeit der Kohlelager betrug im Durchschnitt 9 Meter, sie lagen in einer Tiefe von 30 bis 40 Metern.[1]

Das erste Braunkohlenbergwerk in der Wetterau wurde 1804 bei Ossenheim eröffnet. In den folgenden Jahren wird Braunkohle im Tiefbau auch bei Bauernheim, Dorheim und Dorn-Assenheim gewonnen. Im Jahre 1842 werden die ersten Gruben bei Wölfersheim und Weckesheim betrieben, 1873 folgt die Alte Grube bei Melbach. Während man im Kreis Gießen bereits im Jahre 1912 zum Tagebau übergeht, wird bei Wölfersheim noch bis in die frühen 60er Jahre im Tiefbau gefördert. Die Braunkohle wurde dabei im Untertagebau gewonnen und mittels Seilwinden zu Tage gefördert. Dementsprechend prägte die Braunkohleindustrie spätestens ab den 1920er Jahren die mittlere Wetterau rund um Wölfersheim nicht unerheblich.

Bis zum Jahre 1911 wurde die geförderte Braunkohle lediglich zu Heizmaterial in Form von Presssteinen verarbeitet. Ab 1912 wurde nach der Inbetriebnahme des Kraftwerks Wölfersheim auch dorthin Braunkohle geliefert. Nach dem Bau des Schwelkraftwerks in Wölfersheim 1927 wurde die Kohle ausschließlich für dieses Kraftwerk verwendet. Bis dahin waren bereits 8,6 Millionen Tonnen Braunkohle als Hausbrand und Industriekohle gefördert worden. Zwischen 1927 und 1982 wurden im Tage- und Bergbau 20,4 Mio. Tonnen geliefert. Nach dem Ende der Gruben bis zum Ende des Tagebaus wurden ab 1962 nochmal 40 Mio. Tonnen Kohle verstromt.

Abbau Unter Tage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwischen 1913 und 1962 wurden unter Tage in den Gruben der Firmen Hessen-Frankfurt AG (HEFRAG) und Preussen Elektra folgende Tiefbaugruben betrieben:

Name Lage Betriebszeit Kohle (Mio.t)
Grube Ludwigshoffnung westlich von Wölfersheim 1913–1918 0,35
Grube Wölfersheim nördlich Wölfersheim 1917–1934 1,16
Grube Weckesheim süd-östlich Weckesheim 1917–1962 4,44
Grube Gettenau zwischen Gettenau & Wölfersheim 1919–1935 1,97
Grube Melbach östlich Melbach 1929–1937 0,50
Grube Römerstraße zwischen Echzell und Wohnbach 1935–1962 4,56
Grube Heuchelheim westlich Heuchelheim 1941–1962 3,37
Grube Trais-Horloff nördlich Trais-Horloff 1947–1949 0,10
Grube Weckesheim-SW nördlich Dorn-Assenheim 1949–1961 0,79
Summe Tiefbau 1913–1962 17,24

Abbau im Tagebau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1962 wurde mit dem Tagebau II die größte und ergiebigste Abbaufläche (rund 3,9 Quadratkilometer) im Dreieck zwischen den Reichelsheimer Stadtteilen Heuchelheim und Weckesheim, sowie Echzell-Gettenau aufgeschlossen. 1991 wurde die letzte Kohle gefördert und verstromt. Von 1962 bis 1991 wurden rund 40 Millionen Tonnen gefördert.

Tagebau Betriebszeit Abraum:Kohle

(Verhältnis)

Abraum

(Mio. cbm)

Kohle

(Mio. cbm)

Tgb. Wölfersheim 1927–1943 2,4 : 1 7,9 3,3
Tgb. Trais-Horloff 1940–1950 2,8 : 1 6,2 2,2
Tgb. I (Wohnbach) 1961–1975 4,3 : 1 45,1 10,5
Tgb. II/III (Heuchelheim/Weckesheim) 1962–1989 3,0 : 1 53,0 18,1
Tgb. IV (Utphe) 1974–1984 4,8 : 1 29,8 6,7
Tgb. VI (Reichelsheim) 1981–1989 5,0 : 1 12,0 2,1
Tgb. VII (Dorn-Assenheim) 1988–1991 4,5 : 1 6,8 1,2
Summe 1927–1991 ∅ 3,7 : 1 160,8 44,1

Rekultivierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1991 wurde wegen Unrentabilität und schlechter Energieeffizienz der Braunkohle der Tagebau aufgegeben. Die Flächen wurden erfolgreich rekultiviert und mit einer vorausschauenden und engagierten Ansiedlungspolitik gelang auch der Gemeinde Wölfersheim der Strukturwandel auf sehr erfolgreiche Art. Es entstand die Wetterauer Seenplatte als eine Reihe von Tagebaurestseen, die bei der Rekultivierung des Reviers entstanden sind. Diese gelten heute als Teil des bedeutendsten Biotops Hessens.[2]

Aufarbeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Wölfersheim und Weckesheim gibt es Museen über die aktive Zeit als Braunkohlerevier. Das Energiemuseum in Wölfersheim zeigt einen aufgebauten Stollen mit Kohlewagen (Hunt), bestehend aus Originalgrubenholz, das sich unter Tage befand. Zu sehen sind die Arbeitsgeräte der Bergleute, Kleidungsstücke, aber auch verschiedene Kohlefundstücke, nicht nur aus der Wetterau. Im Dorfgemeinschaftshaus von Weckesheim gibt es ein kleineres Bergbaumuseum.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Wetterauer Braunkohle. Abgerufen am 5. Dezember 2023.
  2. Thomas Klein, Hungen: Der Wandertipp führt zur Wetterauer Seenplatte. In: FAZ.NET. 27. Oktober 2023, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 5. Dezember 2023]).