Willy Katzenstein

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Stolpersteine für Willy Katzenstein und seine Familie vom 29. Oktober 2013

Moritz Willy Katzenstein (* 12. September 1874 in Bielefeld; † 8. April 1951 in London) war ein deutscher Rechtsanwalt, leitende Persönlichkeit des liberalen Judentums in Westfalen und Politiker der Deutschen Demokratischen Partei (DDP).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Willy Katzenstein studierte Rechtswissenschaften und wurde 1897 zum Dr. jur. promoviert.[1] Danach wurde er in Bielefeld als Rechtsanwalt und Notar tätig. Hier engagierte er sich auch politisch für die liberale Deutsche Demokratische Partei im Magistrat. Er war Provinzialvorsitzender der DDP. 1920 wurde er für den Wahlkreis Stadt Bielefeld in den Provinziallandtag der Provinz Westfalen gewählt.[2]

Nach dem Tod seines Onkels, des Bankiers und langjährigen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Moritz Katzenstein, wurde er 1908 zu dessen Nachfolger im Leitungsausschuss des Verbandes der Synagogengemeinden Westfalens und am 17. Januar 1933 zum Vorsteher der jüdischen Gemeinde Bielefeld gewählt. Aufgrund seines jüdischen Glaubens wurde er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verfolgt.

Im Mai 1939 konnte er seine beiden Töchter Marianne und Eva mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit bringen. Das Ehepaar Katzenstein folgte seinen Kindern etwa drei Wochen später in das Londoner Exil.[3]

Mit der Emigration von Katzenstein und Rabbiner Hans Kronheim, der zur gleichen Zeit in die USA auswanderte, verlor die jüdische Gemeinde Bielefeld im Frühjahr 1939 ihre hochqualifizierte tatkräftige Doppelspitze.

Erinnerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Oktober 2013 erinnern in der Bielefelder Viktoriastraße 24 vier Stolpersteine an die Familie Katzenstein. Zur Verlegung waren Familienmitglieder aus den USA, London und Berlin angereist, darunter auch die 88-jährige Eva Roberts geb. Katzenstein: Als wir bei der Ausreise über die holländische Grenze waren, sind wir vor Erleichterung aufgesprungen und haben gerufen: Wir sind raus.[4]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ein Kämpfer für das religiös-liberale Judentum. Zum 60. Geburtstag Dr. Katzenstein-Bielefeld. In: Jüdisch-liberale Zeitung. 7. September 1934, abgerufen am 3. August 2019.
  • Alfred Bruns (Hrsg.), Josef Häming (Zusammenstellung): Die Abgeordneten des Westfalenparlaments 1826–1978 (= Westfälische Quellen- und Archivverzeichnisse, Band 2). Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster 1978, S. 369.
  • Max P. Birnbaum: Staat und Synagoge, 1918–1938: eine Geschichte des Preussischen Landesverbandes Jüdischer Gemeinden (1918–1938), Band 38 von Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts, Leo Baeck Institute, ISSN 0459-097X, 1981, ISBN 9783167437728, S. 116, Digitalisat
  • Monika Minninger, Joachim Meinert, Friedhelm Schäffer: Antisemitisch Verfolgte registriert in Bielefeld 1933–1945. Eine Dokumentation jüdischer Einzelschicksale. Band 4 von Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bielefeld 1985, S. 113
  • Joachim Meynert, Friedhelm Schäffer: Die Juden in der Stadt Bielefeld während der Zeit des Nationalsozialismus, Band 3 von Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, S. 29, 1983.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Willy Katzenstein: Die deutsche Zuckerindustrie und Zuckerbesteuerung in ihrer geschichtlichen Entwicklung dargestellt von Willy Katzenstein (Promotion). Haude & Spener'sche Buchhandlung Berlin, 1897, abgerufen am 16. Mai 2019.
  2. Arno Herzig, Karl Teppe, Andreas Determann: Verdrängung und Vernichtung der Juden in Westfalen, Ardey-Verlag Münster 1994, S. 18
  3. Brigitte Decker (Hrg.): Heimweh nach Bielefeld. Vertrieben oder deportiert: Kinder aus jüdischen Familien erinnern sich. Verlag Gieselmann Bielefeld 2007, S. 136–141 ISBN 978-3-923830-59-6
  4. Joachim Uthmann: Gedenken an geflohene jüdische Familie. Stolpersteine vor früherem Katzenstein-Haus verlegt – erstmals im Beisein einer direkt Betroffenen. In: Neue Westfälische Bielefeld, 30. Oktober 2013