Chern-Simons-Funktional

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Chern-Simons-Funktional ist in Differentialgeometrie, Topologie und mathematischer Physik von Bedeutung. In der Mathematik wird es zur Definition der Chern-Simons-Invariante von Zusammenhängen auf Prinzipalbündeln über 3-Mannigfaltigkeiten verwendet. Ursprünglich von Chern und Simons in der Theorie der sekundären charakteristischen Klassen eingeführt, hatte es mindestens zwei unerwartete Anwendungen, nämlich zum einen Wittens Einordnung in die Quantenfeldtheorie mit einer physikalisch-geometrischen Interpretation des Jones-Polynoms (Topologische Quantenfeldtheorie)[1][2] und zum anderen die Interpretation der Chern-Simons-Invariante flacher Bündel als komplexwertige Version des hyperbolischen Volumens.

Sei eine einfach zusammenhängende Lie-Gruppe und eine 3-dimensionale, geschlossene, orientierbare Mannigfaltigkeit. Unter diesen Voraussetzungen ist jedes -Prinzipalbündel trivialisierbar, hat also einen Schnitt .

Für einen Zusammenhang

wird sein Chern-Simons-Wirkungsfunktional definiert durch

.

Diese Definition hängt a priori von der Wahl eines Schnittes ab, für eine Eichtransformation

gilt aber

,

wobei die Maurer-Cartan-Form ist.

Man erhält also einen modulo wohldefinierten Wert

.

Sei eine geschlossene, orientierbare 3-Mannigfaltigkeit und . Wir bezeichnen mit die (unendlich-dimensionale) Mannigfaltigkeit aller Zusammenhänge auf -Prinzipalbündeln über .

Dann ist glatt und hat die folgenden Eigenschaften:

  • (Funktorialität)
Wenn eine Bündelabbildung über einem orientierungserhaltenden Diffeomorphismus ist, dann gilt
für jeden Zusammenhang .
  • (Additivität)
Wenn eine disjunkte Vereinigung ist und ein Zusammenhang auf , dann gilt
.
  • (Erweiterung der Strukturgruppe)
Wenn eine Inklusion einfach zusammenhängender, kompakter Lie-Gruppen, ein Zusammenhang auf einem -Bündel und die Erweiterung von auf ein -Bündel ist, dann gilt
.

Flache Zusammenhänge

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gilt

,

wobei die Krümmungsform des Zusammenhangs bezeichnet. Die kritischen Punkte des Chern-Simons-Funktionals sind also gerade die flachen Zusammenhänge. Insbesondere ist das Chern-Simons-Funktional konstant auf den Zusammenhangskomponenten des Modulraums flacher Zusammenhänge auf .

Satz von Yoshida

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es sei eine geschlossene, orientierbare hyperbolische 3-Mannigfaltigkeit und ihre Holonomiedarstellung. Dann gilt für das assoziierte flache Bündel

,

wobei die Riemannsche Chern-Simons-Invariante des Levi-Civita-Zusammenhangs bezeichnet.[3]

Das Bild der Fundamentalklasse unter der Darstellung definiert eine Homologieklasse

in der erweiterten Bloch-Gruppe und der Rogers-Dilogarithmus

bildet auf ab. Das liefert eine explizite Formel für die Chern-Simons-Invariante und einen alternativen Beweis des Satzes von Yoshida.[4][5][6]

Algorithmus für flache Bündel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es sei ein flaches Bündel über einer geschlossenen, orientierbaren 3-Mannigfaltigkeit mit Holonomie . Dann bildet der Rogers-Dilogarithmus auf ab, wobei den kanonischen Homomorphismus bezeichnet.[7] Der Wert von kann aus den ptolemäischen Koordinaten der Darstellung zu einer Triangulierung von berechnet werden. (Dieser Ansatz funktioniert auch für 3-Mannigfaltigkeiten mit Rand , solange die Einschränkung von auf die Fundamentalgruppen des Randes unipotent ist.) Implementiert ist dieser Algorithmus im Ptolemy Module als Teil der Software SnapPy.

Verallgemeinerung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In beliebigen Dimensionen kann man Chern-Simons-Formen zur Definition sekundärer charakteristischer Klassen verwenden.

  • Freed, Daniel S.: Classical Chern-Simons theory. I.: Adv. Math. 113, no. 2, 237–303 (1995). pdf II.: Houston J. Math. 28, no. 2, 293–310 (2002). pdf

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Witten, Edward: Quantum field theory and the Jones polynomial. Commun. Math. Phys. 121, No. 3, 351-399 (1989).pdf
  2. Bar-Natan, Dror: Perturbative Chern-Simons theory. J. Knot Theory Ramifications 4 (1995), no. 4, 503–547. pdf
  3. Yoshida, Tomoyoshi: The η-invariant of hyperbolic 3-manifolds. Invent. Math. 81, 473-514 (1985). pdf
  4. Neumann, Walter D.: Extended Bloch group and the Cheeger-Chern-Simons class. Geom. Topol. 8, 413-474 (2004). pdf
  5. Goette, Sebastian; Zickert, Christian K.: The extended Bloch group and the Cheeger-Chern-Simons class. Geom. Topol. 11, 1623-1635 (2007). pdf
  6. Marché, Julien: Geometric interpretation of simplicial formulas for the Chern-Simons invariant. Algebr. Geom. Topol. 12, No. 2, 805-827 (2012).
  7. S. Garoufalidis, D. Thurston, C. Zickert: The complex volume of SL(n,C)-representations of 3-manifolds. pdf