Ogawa-Integral

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Ogawa-Integral (auch nicht-kausales stochastisches Integral) ist ein stochastischer Integralbegriff für nicht-adaptierte Prozesse als Integranden. Um den entsprechenden Kalkül von dem des Skorochod-Integrals zu unterscheiden, spricht man vom nicht-kausalen Kalkül beim Ogawa-Integral und vom vorwegnehmenden (englisch anticipating) Kalkül beim Skorochod-Integral. Mit dem Begriff Kausalität meint man hier die Adaptiertheit an die natürliche Filtration des Wiener-Prozesses und dessen physikalische Interpretation. Ein nicht-adaptierter Prozess kann zu einem fixen Zeitpunkt auch von den zukünftigen Realisationen des Wiener-Prozesses abhängen. Ein anschauliches Beispiel für letzteres aus der Finanzmathematik wäre der Insiderhandel. Der Trader weiß im Voraus, wohin sich der Wiener-Prozess bewegt. Ein weiteres Beispiel wäre das Integral

wobei der Wiener-Prozess ist. Dies ist kein Itō-Integral, da der Integrand dem Integrator voraus ist und somit nicht an seine Filtration adaptiert sein kann.

Das Integral wurde 1979 von dem japanischen Mathematiker Ogawa Shigeyoshi eingeführt.[1]

Sei

  • ein Wahrscheinlichkeitsraum,
  • ein eindimensionaler Standard-Wienerprozess mit ,
  • und die natürliche Filtration,
  • die borelsche σ-Algebra,
  • ist das Itō-Integral (resp. Wiener-Integral),
  • das Lebesgue-Maß.

Mit bezeichnen wir die Menge der reellwertigen Prozesse , welche -messbar und fast sicher in sind, das bedeutet

Sei eine vollständige Orthonormalbasis des Hilbert-Raumes .

Ein Prozess heißt -integrierbar, falls die zufällige Reihe

in Wahrscheinlichkeit konvergiert. Wir nennen dieses Summe das Ogawa-Integral bezüglich der Basis .

Falls bezüglich jeder vollständigen Orthonormalbasis von -integrierbar ist und die Werte der Integrale übereinstimmen, dann nennt man universell Ogawa-integerierbar (oder u-integrierbar).[2]

Das Ogawa-Integral kann auch bezüglich allgemeineren -Prozessen (wie zum Beispiel der gebrochenen Brownschen Bewegung) gebildet werden

sofern die Integrale

definiert sind.[2]

  • Die Konvergenz der Reihe hängt von der Wahl der Orthonormalbasis sowie von der Reihenfolge der Basis ab.
  • Es existieren verschiedene äquivalente Definition, welche sich in ([3]) finden lassen. Eine Möglichkeit ist unter Verwendung des Satzes von Itō-Nisio.

Regularität der Orthonormalbasis

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Orthonormalbasis heißt regulär, falls

Der Ausdruck in der Klammer muss also für alle eine endliche -Norm besitzen.

Folgende Resultate sind bekannt:

  • Jedes Semimartingal (kausal oder nicht) ist genau dann -integrierbar, wenn regulär ist.[4]
  • Es wurde gezeigt, dass eine nicht-reguläre Basis für existiert.[5]

Weiterführendes

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Es existiert eine nicht-kausale Itō-Formel[6], eine nicht-kausale Partielle-Integrations-Formel und eine nicht-kausaler Satz von Girsanow[7].
  • Das Ogawa-Integral für mehrdimensionale Wiener-Prozesse wird in ([8]) untersucht.

Beziehungen zu anderen Integralbegriffen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Stratonowitsch-Integral: Sei ein stetiges -adaptiertes Semimartingal und universell-Ogawa-integrierbar bezüglich des Wienerprozesses, dann existiert auch das Stratonowitsch-Integral und es stimmt mit dem Ogawa-Integral überein.[9]
  • Skorochod-Integral: Die Beziehungen zwischen dem Ogawa-Integral und dem Skorochod-Integral werden in ([10]) untersucht.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Shigeyoshi Ogawa: Sur le produit direct du bruit blanc par lui-même. In: Gauthier-Villars (Hrsg.): C. R. Acad. Sci. Paris, Sér. A. Band 288, 1979, S. 359–362.
  2. a b Shigeyoshi Ogawa: Noncausal stochastic calculus revisited – around the so-called Ogawa integral. In: Advances in Deterministic and Stochastic Analysis. 2007, ISBN 978-981-270-550-1, S. 238, doi:10.1142/9789812770493_0016.
  3. Shigeyoshi Ogawa: Noncausal stochastic calculus revisited – around the so-called Ogawa integral. In: Advances in Deterministic and Stochastic Analysis. 2007, ISBN 978-981-270-550-1, S. 239–241, doi:10.1142/9789812770493_0016.
  4. Shigeyoshi Ogawa: Noncausal stochastic calculus revisited – around the so-called Ogawa integral. In: Advances in Deterministic and Stochastic Analysis. 2007, ISBN 978-981-270-550-1, S. 242–243, doi:10.1142/9789812770493_0016.
  5. Pietro Majer und Maria Elvira Mancino: A counter-example concerning a condition of Ogawa integrability. In: Séminaire de probabilités de Strasbourg. Band 31, 1997, S. 198–206 (numdam.org).
  6. Shigeyoshi Ogawa: Noncausal stochastic calculus revisited – around the so-called Ogawa integral. In: Advances in Deterministic and Stochastic Analysis. 2007, ISBN 978-981-270-550-1, S. 250, doi:10.1142/9789812770493_0016.
  7. Shigeyoshi Ogawa: BPE and a Noncausal Girsanov’s Theorem. In: Sankhya A. Band 78, 2016, S. 304–323, doi:10.1007/s13171-016-0087-x.
  8. Nicolò Cangiotti und Sonia Mazzucchi: Notes on the Ogawa integrability and a condition for convergence in the multidimensional case. 2008, arxiv:1809.01370 [abs].
  9. David Nualart und Moshe Zakai: On the Relation Between the Stratonovich and Ogawa Integrals. In: The Annals of Probability. Band 17, Nr. 4, 1989, S. 1536–1540, doi:10.1214/aop/1176991172.
  10. David Nualart und Moshe Zakai: Generalized stochastic integrals and the Malliavin calculus. In: Probability Theory and Related Fields. Band 73, Nr. 2, 1986, S. 255–280.