Abdelaziz Baraka Sakin

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Abdelaziz Baraka Sakin (arabisch عبد العزيز بركة ساكن, DMG ʿAbd al-ʿAzīz Baraka Sākin, * 1963 in Kassala, Sudan) ist ein sudanesischer Schriftsteller mit Vorfahren in Darfur im Westsudan. Aufgrund seiner sozialkritischen Themen wurde er im Sudan verhaftet, und seine Bücher waren dort jahrelang verboten. Im Jahr 2012 ging er ins Exil nach Österreich, wo er für die Saison 2022/23 mit dem Literaturpreis Stadtschreiber von Graz ausgezeichnet wurde.

Er wurde international vor allem für seine Romane The Jungo – Stakes of the Earth (2009) und Der Messias von Darfur (2012) bekannt, von denen der erste Titel aus dem Arabischen ins Französische und Englische und das zuletzt genannte Werk ins Englische, Spanische und Deutsche übersetzt wurden. Gemäß der sudanesischen Literaturkritikerin Lemya Shammat „hat Sakin wiederholt über die Komplexität menschlicher Erfahrungen in Konflikten reflektiert und die schreckliche Menge an Widersprüchen wiedergegeben, die der Krieg mit sich bringt.“

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Baraka Sakin wurde 1963 in Kassala im Osten des Landes nahe der Grenze zu Eritrea geboren, doch seine Vorfahren stammen aus Darfur im Westsudan sowie dem angrenzenden Tschad.[1] Er studierte Betriebswirtschaft an der Universität Assiut in Ägypten und übte im Laufe seines Lebens verschiedene berufliche Tätigkeiten aus. So arbeitete er als Sekundarschullehrer, Berater für UNICEF in Darfur und als Mitarbeiter des internationalen Kinderhilfswerks Plan International im Sudan.[2]

Sein literarisches Werk, das von sozialen Randgruppen und Krieg handelt sowie Verweise auf den Völkermord in Darfur und die frühere Diktaturherrschaft unter Omar al-Bashir enthält, ist auf Arabisch in Ägypten, dem größten arabischen Buchmarkt, erschienen. Seit dem Jahr 2000 hat Baraka Sakin mehr als zehn Romane und mehrere Bände mit Erzählungen veröffentlicht. Diese sind sowohl international als auch bei sudanesischen Lesern beliebt. Sie handeln von den schwierigen Lebensbedingungen der Menschen, z. B. von Saisonarbeitern, Straßenkindern, Drogenmissbrauch oder von Alkoholismus in seinem Heimatland. 2011 erhielt Baraka Sakin den Al-Tayeb-Salih-Preis für Kreatives Schreiben auf der Buchmesse in Khartum für seinen Roman The Jungo – Stakes of the Earth, der sich mit den Zuständen in einem Frauengefängnis in al-Qadarif im Ostsudan beschäftigt. Kurz danach beschlagnahmten und verboten die sudanesischen Behörden seine Bücher aufgrund angeblicher unmoralischer Inhalte sowie der nicht zu übersehenden Kritik an den Lebensbedingungen im Lande. 2012 verließ Baraka Sakin den Sudan und lebt seither im Exil in Saalfelden, Österreich,[2] und zeitweise auch in Montpellier in Südfrankreich.[3]

Im September 2016 war Baraka Sakin als Teilnehmer des Internationalen Literaturfestivals Berlin[2] und 2019 zum Festival der afrikanischen Literatur Crossing Borders in Köln eingeladen.[4] Erzählungen von Baraka Sakin sind auf Französisch und Englisch auch in den Anthologien Nouvelles du Soudan, The Book of Khartoum und Literary Sudans enthalten. In letzterer erschien auch seine Kurzgeschichte "A Woman of Cambo Kadees", in der er eine Episode aus dem Leben von Kaltouma, einer Frau in einem informellen Viertel von Khartum erzählt. Sie verdient den Lebensunterhalt für ihre Familie mit der illegalen Herstellung von Araki (Dattelschnaps). Von korrupten Polizisten denunziert und um die Früchte ihrer Arbeit gebracht, wird sie darüber hinaus durch einen Richter mit der Strafe von 40 Schlägen bestraft, was sie stoisch auf sich nimmt, um sich anschließend wieder um ihre Kinder zu kümmern.[5]

Neben seinen Romanen schrieb Baraka Sakin auch Bücher für junges Lesepublikum. So erschienen in Frankreich ein dreisprachiges Bilderbuch in Arabisch, Französisch und Englisch mit dem Titel Faris Bilal and the Lion[6] sowie die Erzählung aus dem Tschad Hawaya et l'hyène (Hawaya und die Hyäne).[7] In Österreich wurde sein illustriertes Jugendbuch Der magische See von Künstlerinnen aus Saalfelden illustriert. Die Geschichte handelt von Mädchen, „die im Traum zu Vögeln werden und beobachten, wie ihr Ort verschwindet und zu einem großen See wird.“[8]

Auf Deutsch liegt seit 2012 seine Erzählung Alkchandris. Wer hat Angst vor Osman Bushra? vor, übersetzt von der österreichisch-sudanesischen Schriftstellerin Ishraga Mustafa Hamid. Sein Roman Der Messias von Darfur wurde 2021 von Günther Orth ins Deutsche übertragen[9] und erschien mit Förderung für die Übersetzung durch litprom[10] in der Berliner Edition Orient.[11]

Nach einem Artikel in den Salzburger Nachrichten vom Dezember 2021 geht der Roman „auf die Erfahrungen als Beobachter des Krieges zurück, ohne dass er einem Abbildrealismus folgen würde. (...) Logik spielt in den Konflikten um Darfur keine Rolle. Dafür bekommt eine Figur, die sich als Wiedergänger von Jesus inszenierti, regen Zuspruch.“[12] In einer Rezension für das Internet-Portal Qantara schrieb Volker Kaminski im April 2022:

„Man nimmt Anteil am Schicksal einer Bevölkerung, die in einem brutalen Bürgerkrieg zwischen Regierungstruppen und Rebellen massenhaft getötet wird und kaum Überlebenschancen hat. Es gibt aber auch einzelne starke Menschen, die sich tapfer und radikal zur Wehr setzen wie etwa Abdarrahman, eine Kriegswaise, die sich selbst einen männlichen Vornamen gegeben hat.“

Volker Kaminski[13]

Ende August 2022 gab die Stadt Graz bekannt, dass Baraka Sakin als Stadtschreiber von Graz für 2022/23 nominiert wurde. Dieser internationale Literaturpreis, um den sich aktuell 29 Schriftsteller beworben hatten, soll den Preisträgern erlauben, „einen Blick von außen auf die Stadt zu werfen und sich dort ihrer literarischen Weiterentwicklung zu widmen.“ Die Jury begründete die Verleihung weiterhin mit den folgenden Worten: „In seinen Romanen erweist sich Abdelaziz Baraka Sakin als scharfsinniger Beobachter von sozioökonomischen Realitäten und überzeugt nicht zuletzt als präziser Analytiker von Mythen und Ideologien. Der Uneigentlichkeit technokratischer Regime und abstrusem Irrationalismus begegnet der Erzähler mit Ironie, Satire und schwarzem Humor.“[14]

Im Jahr 2022 erschien sein Roman Samahani als La Princesse de Zanzibar (Die Prinzessin von Sansibar) auf Französisch. Diese zum Teil auf historischen Fakten beruhende, imaginäre Geschichte handelt vom omanischen Sultanat, der Sklaverei und der Revolution von 1964 in Sansibar. Baraka Sakin stützte sich in seinen Beschreibungen des Lebens am Hof des Sultans auf die Autobiografie von Emily Ruete. Der Roman erzählt zahlreiche Details über die Unterdrückung der afrikanischen Bevölkerungsgruppe der Insel sowie das sexuelle Leben des Sultans und wurde daraufhin in Oman und Kuwait verboten.[15] Dieser Roman wurde im November 2023 mit dem Prix BaoBaB als bester afrikanischer Roman in der Maison d’Afrique Mandingo in Montréal prämiert.[16]

2023 wurde Baraka Sakin vom französischen Kulturministerium in Anerkennung seiner Verdienste um die Literatur als Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres (Ritter des Ordens der Künste und Literatur) ausgezeichnet.[17]

Werke in deutscher Übersetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literaturpreise und Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 2011 Al-Tayeb-Salih-Preis für Kreatives Schreiben im Sudan.
  • 2013 Stories on Air Prize, verliehen durch die BBC und Al Arabi Magazine.[18]
  • 2016 Prix du Live d’Humour de Resistance, verliehen durch La Maison du Rire et de l'Humour de Cluny, Frankreich.[19]
  • 2017 Prix Les Afriques, verliehen von La Cène Littéraire in der Schweiz.[20]
  • 2017 Prix Littérature-Monde, verliehen von der Academie française de Développement in Frankreich.[19]
  • 2020 Prix de la littérature arabe (Preis für arabische Literatur), verliehen vom Institut du Monde Arabe und der Jean-Luc Lagardère Stiftung in Frankreich.[18]
  • 2022/23 Stadtschreiber von Graz, Österreich.[21]
  • 2023 Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres, Frankreich
  • 2023 Prix BaoBaB du Roman, Elfenbeinküste[22]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Al-Malik, A., Gaetano, S., Adam, H., Baraka, S. A., Karamallah, A., Mamoun, R., & Luffin, X. (2009). Nouvelles du Soudan. Paris: Magellan & Cie. ISBN 978-2-35074-160-4 (in französischer Übersetzung).
  • Cormack, Ralph and Shmookler, Max (Hrsg.) (2016). The Book of Khartoum. A City in Short Fiction. Manchester: Comma Press ISBN 978-1-905583-72-0 (in englischer Übersetzung).
  • Shringarpure, Bhakti (Hrsg.) (2016). Literary Sudans: An Anthology of Literature from Sudan and South Sudan. Trenton: The Red Sea Press, ISBN 978-1-56902-434-8 (in englischer Übersetzung).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Abdelaziz Baraka Sakin. In: Passage - Agentur für Weltthemen. Abgerufen am 6. Juli 2023 (deutsch).
  2. a b c Abdelaziz Baraka Sakin — internationales literaturfestival berlin. Abgerufen am 7. Oktober 2021.
  3. Edition Orient: Unsere Autoren - Abdelaziz Baraka Sakin. In: www.edition-orient.de. Abgerufen am 9. Oktober 2021.
  4. Literaturfestival Crossing Borders: Crossing Borders - stimmen afrikas. Abgerufen am 7. Oktober 2021.
  5. "A Woman of Kambo Kadees", in Shringarpure, Bhakti (Hrsg.) (2016). Literary Sudans: An Anthology of Literature from Sudan and South Sudan, S. 34–44
  6. Faris Bilala et le lion - Abdelaziz Baraka Sakin. Abgerufen am 7. Oktober 2021 (französisch).
  7. Hawaya et l'Hyène - Conte bilala du Tchad - Bilingue arabe-français, Abdelaziz Baraka Sakin. Abgerufen am 9. Oktober 2021 (französisch).
  8. Lesejury: Der magische See. In: www.lesejury.de. Abgerufen am 7. Oktober 2021.
  9. Abderrahmane Ammar: Günther Orth im Interview „Arabische Metaphern funktionieren im Deutschen nicht“. In: goethe.de. Goethe-Institut, Dezember 2015, abgerufen am 3. Dezember 2021.
  10. litprom e.V.: Übersetzungsförderungsprogramm. In: www.litprom.de. Abgerufen am 21. Oktober 2021.
  11. Der Messias von Darfur | Lesejury. Abgerufen am 7. Oktober 2021.
  12. Anton Thuswaldner: Roman "Der Messias von Darfur": Wenn die Rekruten nicht mehr mitspielen. In: sn.at. Salzburger Nachrichten, 1. Dezember 2021, abgerufen am 3. Dezember 2021.
  13. Volker Kaminski: Abdelaziz Baraka Sakin „Der Messias von Darfur“: Ein Friedensstifter in Kriegszeiten - Qantara.de. Abgerufen am 17. April 2022.
  14. steiermark ORF at/Agenturen red: Abdelaziz Baraka Sakin wird neuer Grazer Stadtschreiber. 28. August 2022, abgerufen am 31. August 2022.
  15. « La colonisation arabe était pire que la colonisation européenne ». 1. Dezember 2022, abgerufen am 5. Dezember 2023 (französisch).
  16. Prix Baobab 2023 : ‘’ ’La Princesse de Zanzibar’’ d’Abdelaziz Baraka Sakin sacré ! | Life Magazine. Abgerufen am 10. Dezember 2023 (französisch).
  17. Sudanese novelist Baraka Sakin awarded highest French cultural honour – Altaghyeer NewsPaper. Abgerufen am 5. Dezember 2023 (amerikanisches Englisch).
  18. a b Sudanese writer wins 2020 Institut du Monde Arabe’s prize |. Abgerufen am 7. Oktober 2021 (englisch).
  19. a b Editions Zulma: Le Messie du Darfour. In: www.zulma.fr. Abgerufen am 7. Oktober 2021 (französisch).
  20. Prix Les Afriques 2017. In: La Cene Littéraire. Abgerufen am 7. Oktober 2021 (französisch).
  21. Abdelaziz Baraka Sakin: Ein neuer Stadtschreiber für Graz | Kleine Zeitung. 27. August 2022, abgerufen am 30. August 2022.
  22. Prix BaoBaB - Présentation. Abgerufen am 10. Dezember 2023 (französisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur von und über Abdelaziz Baraka Sakin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek