Anyuiit

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Anyuiit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1987-053[1]

IMA-Symbol

Any[2]

Chemische Formel AuPb2[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Elemente – Metalle und intermetallische Legierungen
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

I/A.01
I/A.01-070

1.AA.15
01.01.04.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem tetragonal
Kristallklasse; Symbol ditetragonal-dipyramidal; 4/m2/m2/m
Raumgruppe I4/mcm (Nr. 140)Vorlage:Raumgruppe/140
Gitterparameter a = 7,39(2) Å; c = 5,61(3) Å[3]
Formeleinheiten Z = 4[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5 bis 3[4] (VHN20 = 142 bis 152,8; durchschnittlich 146[3])
Dichte (g/cm3) berechnet: 13,49[3]
Spaltbarkeit fehlt[4]
Bruch; Tenazität plastisch verformbar
Farbe silbergrau bis bleigrau
Strichfarbe bleigrau[4]
Transparenz undurchsichtig (opak)
Glanz Metallglanz, matt

Anyuiit (russisch Анюйит) ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Elemente (einschließlich natürliche Legierungen, intermetallische Verbindungen, Carbide, Nitride, Phosphide und Silicide)“ mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung AuPb2[3] und ist damit chemisch gesehen eine natürliche Legierung aus Gold und Blei im Stoffmengenverhältnis von 1 : 2. Da bei natürlichen Anyuiiten das Blei teilweise durch Antimon ersetzt (substituiert) sein kann, wird die Formel in verschiedenen Quellen auch mit Au(Pb,Sb)2[5][6] angegeben.

Anyuiit kristallisiert nicht wie die reinen Metalle Gold und Blei im kubischen, sondern im tetragonalen Kristallsystem. Dieses Phänomen ist auch unter der Bezeichnung Intermetallische Verbindung bekannt. In der Natur konnte Anyuiit bisher nur in Form abgerundeter, länglicher bis abgeflachter, polymetallischer Körner von 1 bis 4 mm Größe gefunden werden, worin er in komplexen Verwachsungen mit gediegen Blei auftritt. Innerhalb dieser Verwachsungen bildet Anyuiit typischerweise plättchenförmige Aggregate im Bereich von 1 bis 50 μm Durchmesser und 100 bis 900 μm Länge sowie prismatische Kristalle von 50 × 100 μm bis zu 0,9 mm Länge von silbergrauer Farbe.[3]

Frische Proben des Minerals sind von silbergrauer Farbe und zeigen einen deutlich metallischen Glanz. Innerhalb von ein bis zwei Tagen nimmt es allerdings durch oberflächliche Oxidation eine bleigraue Farbe an und wird matt.[3]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals entdeckt wurde Anyuiit in einer Seifen-Lagerstätte am Großen Anjui im Nordosten von Sibirien in der russischen Region Ferner Osten. Analysiert und beschrieben wurde das Mineral von L. V. Razin und G. A. Sideorenko, die es nach dessen Typlokalität benannten. Die Mineralbeschreibung und der gewählte Name wurden 1987 bei der International Mineralogical Association (IMA) zur Prüfung eingereicht (Eingangs-Nr. der IMA: 1987-053) und noch im selben Jahr[7] anerkannt. Die Publikation der Neuentdeckung folgte 1989 in der russischen Fachzeitschrift Mineralogicheskii Zhurnal und wurde 1991 bei der Bekanntgabe der Neuen Mineralnamen durch John Leslie Jambor und Edward S. Grew im American Mineralogist nochmals bestätigt.

Das Typmaterial des Minerals wird im Mineralogischen Museums der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau aufbewahrt.[6]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Anyuiit zur Abteilung der „Metalle und intermetallische Legierungen (ohne Halbmetalle)“, wo er zusammen mit Auricuprid, Bogdanovit, Gold, Hunchunit, Kupfer, Novodneprit, Silber, Tetra-Auricuprid und Yuanjiangit die „Kupfer-Reihe“ mit der System-Nr. I/A.01 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Anyuiit ebenfalls in die Abteilung der „Metalle und intermetallische Verbindungen“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, die entsprechend ihrer verwandten Eigenschaften in Metallfamilien eingeteilt wurden. Novodneprit ist hier entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Kupfer-Cupalit-Familie“ zu finden, wo er nur noch zusammen mit Khatyrkit und Novodneprit die unbenannte Gruppe 1.AA.15 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Anyuiit in die Klasse und dort in die gleichnamige Abteilung der „Elemente“ ein. Hier ist er zusammen mit Hunchunit und Novodneprit als Namensgeber in der Gruppe „Anyuiit und verwandte Legierungen“ mit der System-Nr. 01.01.04 innerhalb der Unterabteilung „Elemente: Metallische Elemente außer der Platingruppe“ zu finden.

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anhand von drei Körnern wurde mithilfe der Elektronenstrahlmikroanalyse folgende chemische Zusammensetzungen ermittelt[3]:

  • Gold (Au): 32,6 / 34,3 / 36,7 Gew.-%
  • Blei (Pb): 64,8 / 59,0 / 52,9 Gew.-%
  • Antimon (Sb): 0,3 / 5,8 / 10,2 Gew.-%

Silber (Ag) konnte nur bei einer Probe mit einem Anteil von 0,35 Gew.-% nachgewiesen werden.

Die ermittelten Werte entsprechen den empirischen Zusammensetzungen (Au1.051Ag0.022)Σ1.073(Pb1.985Sb0.015)Σ2.000 beziehungsweise Au1.049(Pb1.713Sb0.287)Σ2.000 oder Au1.101(Pb1.507Sb0.493)Z2.000. Die idealisierte Formel wurde entsprechend zu AuPb2 vereinfacht.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anyuiit kristallisiert tetragonal in der Raumgruppe I4/mcm (Raumgruppen-Nr. 140)Vorlage:Raumgruppe/140 mit den Gitterparametern a = 7,39 Å und c = 5,61 Å, sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anyuiit bildet sich in kleinen, hercynischen, ultrabasischen Gabbroiden. Als Begleitminerale treten neben gediegen Gold und Blei unter anderem weitere Element-Minerale wie Platin, Osmium und dessen Varietät Iridosmin, Rutheniridosmin und Hunchunit; Sulfide wie Pyrit, Chalkopyrit und iridium- bzw. osmiumhaltiger Laurit, Oxide wie Chromit (Chromspinell), Hämatit, Ilmenit, titanhaltiger Magnetit und Pyrrhotin sowie das Phosphatmineral Apatit auf.

Anyuiit gehört zu den sehr seltenen Mineralbildungen, das nur in wenigen Proben von weniger als 10 Fundorten weltweit (Stand 2018) bekannt ist. Neben seiner Typlokalität am Großen Anjui im Fernen Osten trat das Mineral in Russland noch an einer Platin-Gold-Seife in dem zum Aldanhochland gehörenden Inagli-Massiv und in einer Diamant-Mine bei Mirny in der Republik Sacha (Jakutien) in Ostsibirien sowie in der Seifenlagerstätte Verkhneivinsk am Fluss Neiva nahe Syssert in der zum Ural gehörenden Oblast Swerdlowsk zutage.

Des Weiteren kennt man Anyuiit noch aus den Bergwerken Sandaogou bei Huadian und Jinjing bei Hunchun in der chinesischen Provinz Jilin, aus einem Peridotit-Ausbiss bei Etang de Lherz im französischen Département Ariège, aus einer polymetallischen Gold-Arsen-Lagerstätte bei Novodneprovsk auf dem Gebiet Aqmola in Kasachstan sowie aus den Kupferschiefern bei Lubin[5] in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • L. V. Razin und G. A. Sideorenko: Anyuiite, AuPb2, a new gold and lead intermetallide. In: Mineralogicheskii Zhurnal. Band 11, Nr. 4, 1989, S. 88–96 (russisch).
  • John L. Jambor, Edward S. Grew: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 76, Nr. 1–2, 1991, S. 299–305 (minsocam.org [PDF; 917 kB; abgerufen am 25. Februar 2018]).
  • Anyuiite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 61 kB; abgerufen am 25. Februar 2018]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 26. Januar 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c d e f g h John L. Jambor, Edward S. Grew: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 76, Nr. 1–2, 1991, S. 299–305 (minsocam.org [PDF; 917 kB; abgerufen am 25. Februar 2018]).
  4. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. 6. vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2014, ISBN 978-3-921656-80-8.
  5. a b Stefan Weiß: Goldmineralien und ihre Varietäten. In: Gold. Mineral, Macht und Illusion: 500 Jahre Goldrausch (= Christian Weise [Hrsg.]: extraLapis. Band 2). Christian Weise Verlag, 1992, ISBN 3-921656-23-0, ISSN 0945-8492, S. 42.
  6. a b Anyuiite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 61 kB; abgerufen am 25. Februar 2018]).
  7. Webmineral – Anyuiite (englisch)