Aoudéras

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Karte
Lage von Aoudéras in Niger

Aoudéras (auch Aoudérass, Auderas und Auderass) ist ein Dorf in der Landgemeinde Dabaga in Niger.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Dorf liegt etwa 23 Kilometer westlich der Monts Bagzane in einem Tal im Hochgebirge Aïr. Die Oase Timia befindet sich rund 66 Kilometer nordöstlich und die Großstadt Agadez rund 85 Kilometer südwestlich der Siedlung. Zu den größeren Dörfern in der näheren Umgebung zählt das etwa 19 Kilometer entfernte Elméki. Aoudéras wird von einem traditionellen Ortsvorsteher (chef traditionnel) geleitet und gehört administrativ zur Landgemeinde Dabaga im Departement Tchirozérine in der Region Agadez.[1]

Die Ortschaft hat den Charakter einer Oase.[2] Beim Dorf verläuft das gleichnamige Trockental Aoudéras mit weitläufigen Palmenhainen und Gärten.[3] Hier gibt es eine lange Tradition im Bewässerungsfeldbau. Etwa 15 Kilometer westlich des Ortszentrums befinden sich zwei landschaftsprägende Felsformationen: Tchintézawal nördlich des Trockentals und Tchizén-Islama südlich davon.[4]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aoudéras 1899 auf einer Zeichnung der Mission Foureau-Lamy

Aoudéras zählt zu den ältesten größeren Siedlungen im Aïr.[3] Die Ortschaft war lange Zeit von den Itesen bewohnt, einer sesshaften, Ackerbau treibenden Gruppe, deren Ursprünge im libyschen Raum lagen und die mit der Tuareg-Fraktion Kel Gress assoziiert war. Als Folge eines Kriegs mit der Tuareg-Fraktion Kel Owey Anfang der 1820er Jahre wurden die Itesen in den Süden vertrieben. Das Dorf wurde fortan von den Kel Nugru dominiert, einer Untergruppe der Kel Owey.[4] Der deutsche Afrikaforscher Heinrich Barth, der als einer der ersten Europäer den Aïr erreichte,[5] betrat den Ort am 7. Oktober 1850.[6] Barth beschrieb Aoudéras als eine aus zehn Einzeldörfern bestehende Ortschaft mit florierender Landwirtschaft.[5] Er schilderte, wie in dem fruchtbaren Tal Ackerbau betrieben wurde, indem Sklaven vor eine Art Pflug gespannt wurden.[6]

Aoudéras auf einer 1909 veröffentlichten Fotografie

Die französische Forschungs- und Militärexpedition Mission Foureau-Lamy schlug von 6. bis 25. Juli 1899 ihr Lager in Aoudéras auf.[7] Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Dorf nach Agadez die nach Einwohnern zweitgrößte Siedlung in der Aïr-Region.[3] Die Vorherrschaft der Kel Nugru endete mit der Kaocen-Revolte von 1917. Kaocen-Anhänger zerstörten das Dorf. Deren Konflikt mit Frankreich zwang die Kel Nugru in ein dreijähriges Exil in die Savanne zwischen Zinder und Kano. Zwischenzeitlich eignete sich der Sultan von Agadez viele ihrer Dattelhaine an.[8] Der schottische Naturforscher Angus Buchanan hielt sich im Sommer 1920 in Aoudéras auf, um in den umliegenden Bergen Tiere für ein Museum zu sammeln.[9] Der Brite Francis Rennell Rodd verbrachte 1922 mehrere Monate im Dorf und forschte hier zu den Tuareg.[4] Die 293 Kilometer lange Piste zwischen den Orten Agadez und Iférouane, die durch Aoudéras führte, galt in den 1920er Jahren als einer der Hauptverkehrswege in der damaligen französischen Kolonie Niger.[10]

Von den 1960er bis in die 1980er Jahre kam es zu einem starken Rückgang der Viehherden in Aoudéras.[8] Eine Heuschreckenplage im Jahr 2004 setzte dem Ackerbau zu.[3]

Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Volkszählung 2012 hatte Aoudéras 727 Einwohner, die in 143 Haushalten lebten.[1] Bei der Volkszählung 2001 betrug die Einwohnerzahl 764 in 141 Haushalten.[11]

Die Bevölkerung setzt sich fast ausschließlich aus Iklan, den ehemaligen Sklaven der Tuareg, zusammen. Lokal werden sie als Kel Aoudéras („Volk von Aoudéras“) und Kel Fergan („Volk der Gärten“) bezeichnet.[12] Die Kel Aoudéras stammen von verschiedenen nigrischen Ethnien ab: den Tuareg, Hausa, Kanuri, Tubu und Fulbe. Sie sind in die Tuareg-Gesellschaft integriert und wurden ursprünglich nach Aoudéras gebracht, um sich im Dattelanbau zu verdingen.[8] In der Umgebung des Dorfs leben Angehörige der Tuareg-Gruppe Imakitan.[13]

Wirtschaft und Infrastruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das staatliche Versorgungszentrum für landwirtschaftliche Betriebsmittel und Materialien (CAIMA) unterhält eine Verkaufsstelle im Ort.[14] Mit einem Centre de Santé Intégré (CSI) ist ein Gesundheitszentrum im Dorf vorhanden.[15] Es gibt eine Schule.[16] Das nigrische Unterrichtsministerium richtete 1996 gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen zahlreiche Schulkantinen in von Ernährungsunsicherheit betroffenen Zonen ein, darunter eine für Nomadenkinder in Aoudéras.[17]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Frederick E. Brusberg: Economy and society of Aoudéras, a community of the Saharan Aïr Massif (Niger). Dissertation. McGill University, Montreal 1988 (mcgill.ca [PDF]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Aoudéras – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Répertoire National des Localités (ReNaLoc). (RAR) Institut National de la Statistique de la République du Niger, Juli 2014, S. 20, abgerufen am 7. August 2015 (französisch).
  2. Aboubakar Ghali: Etude de la problématique oasienne au Niger. CARI – Centre d’Actions et de Réalisations Internationales, März 2016, S. 55, abgerufen am 10. Juli 2021 (französisch).
  3. a b c d Jolijn Geels: Niger. Bradt, Chalfont St Peter 2006, ISBN 1-84162-152-8, S. 183.
  4. a b c Frederick E. Brusberg: Economy and society of Aoudéras, a community of the Saharan Aïr Massif (Niger). Dissertation. McGill University, Montreal 1988, S. 94–95 (mcgill.ca [PDF; abgerufen am 11. Mai 2018]).
  5. a b Thaddaeus Eduard Gumprecht: Ueber Herrn Dr. Barth und Dr. Overwegs Untersuchungsreise nach dem Tschadsee und in das innere Africa. In: Thaddaeus Eduard Gumprecht (Hrsg.): Monatsberichte über die Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Band 9. Simon Schropp und Comp, Berlin 1852, S. 199, 246 und 253.
  6. a b Heinrich Barth: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central Afrika in den Jahren 1849 bis 1855. Erster Band. Justus Perthes, Gotha 1859, S. 165–166 (archive.org [abgerufen am 11. Mai 2018]).
  7. Fernand Foureau: Documents scientifiques de la mission saharienne. Mission Foureau-Lamy d’Alger au Congo par le Tchad. Atlas (Kartograf: Verlet-Hanus). Masson, Paris 1905 (upmc.fr [abgerufen am 9. Mai 2018]).
  8. a b c Frederick E. Brusberg: Economy and society of Aoudéras, a community of the Saharan Aïr Massif (Niger). Dissertation. McGill University, Montreal 1988, S. 98 und 100 (mcgill.ca [PDF; abgerufen am 11. Mai 2018]).
  9. Angus Buchanan: Exploration of Aïr. Out of the World North of Nigeria. Mit einer Einleitung von Lord Rothschild. John Murray, London 1921, S. 225 (archive.org [abgerufen am 31. März 2024]).
  10. Maurice Abadié: La Colonie du Niger. Mit einem Vorwort von Maurice Delafosse. Société d’Editions Géographiques, Maritimes et Coloniales, Paris 1927, S. 431.
  11. Répertoire National des Communes (RENACOM). (RAR-Datei) Institut National de la Statistique, abgerufen am 8. November 2010 (französisch).
  12. Frederick E. Brusberg: Economy and society of Aoudéras, a community of the Saharan Aïr Massif (Niger). Dissertation. McGill University, Montreal 1988, S. 1 (mcgill.ca [PDF; abgerufen am 11. Mai 2018]).
  13. Aboubacar Adamou: Agadez et sa Région (= Études Nigériennes. Nr. 44). Pr. de Copédith, Paris 1979, S. 36.
  14. CAIMA. In: Béret Vert. Bulletin de Liaison et d’Information des Forces Armées Nigériennes. Nr. 17, Mai 2013, S. 28.
  15. Niger DSS. In: Systeme Nationale d’Information Sanitaire (SNIS). Ministère de la Santé Publique, République du Niger, abgerufen am 10. November 2020 (französisch).
  16. Répertoire National des Centres d’Enrôlement et de Vote (CEV). (PDF) Commission Electorale Nationale Indépendante (CENI), République du Niger, 13. September 2020, S. 29, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. September 2022; abgerufen am 28. Dezember 2021 (französisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ceniniger.org
  17. Arrêté n°276/MEN/DAF/2445/IV du 21 octobre 1996, portant création de cantines scolaires en milieu nomade et transhumant. Ministère de l’Education Nationale, République du Niger, 21. Oktober 1996 (men.ne [abgerufen am 15. Dezember 2022]).

Koordinaten: 17° 38′ N, 8° 25′ O