Asow-Bewegung

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Die Asow-Bewegung oder Asowsche Bewegung[1] (ukrainisch Азовський рух Asowskyj ruch, wissenschaftliche Transliteration Azovsʹkyj ruch) ist ein informeller Name für ein Netzwerk von militärischen, zivilen, politischen, kulturellen, ehrenamtlichen und kreativen Gemeinschaften in der Ukraine, die nach 2014 von Veteranen des Asow-Bataillons (Regiments), Angehörigen der gefallenen Soldaten und anderen Aktivisten gegründet wurden.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die nationalistische und paramilitärische Organisation der Asow-Bewegung wurde 2014 gegründet und ist nach der Asow-Formation benannt, einer ursprünglich als Freiwilligenbataillon gegründeten Einheit der ukrainischen Nationalgarde, in welche das Bataillon noch im Gründungsjahr 2014 integriert wurde. Die Asow-Bewegung ist bekannt für ihren extremen ukrainischen Nationalismus und ihre Verbindung zum Rechtsextremismus (siehe auch Liste ukrainischer rechtsextremer Gruppierungen).

Die Organisation benannte sich nach dem Bataillon, das im Konflikt mit pro-russischen Separatisten in der Ostukraine kämpft. Inzwischen agiert sie als politische Bewegung mit einem eigenen politischen Flügel, dem Nationalen Korps (Національний корпус Nazionalnyj korpus). Der Anführer der Asow-Bewegung, Andrij Bilezkyj, gründete das Nationale Korps als politische Partei. „Politische Unternehmertypen wie Bilezkyj bemühten sich, Asows Erkennbarkeit zu kapitalisieren und über die Marke Asow breitere gesellschaftliche Kreise und politische Macht zu erreichen – was allerdings misslang.“ Denn es gelang der Partei Nationales Korps nicht bei Wahlen je wahrnehmbare Erfolge zu erringen[2].

Bilezkyj am Rednerpult bei einer Veranstaltung der rechtsextremen Organisation Patriot der Ukraine in Charkiw (2008)

Die Ideologie der Asow-Bewegung basiert auf einem aggressiven ukrainischen Nationalismus, der sich gegen jegliche Einflüsse von außen richtet. Die Organisation propagiert den Schutz der „weißen Rasse“ und betont die Bedeutung der ethnischen Reinheit für die ukrainische Nation. Dies hat zu Vorwürfen des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit geführt.

Die Asow-Bewegung ist auch wegen ihrer Verbindung zum Rechtsextremismus umstritten. Einige Mitglieder der Organisation sind bekannt für ihre neonazistischen Ansichten und ihre Verwendung von Symbolen und Terminologie aus der nationalsozialistischen Ära. Es gab auch Berichte über gewalttätige Übergriffe von Asow-Mitgliedern gegen ethnische Minderheiten und politische Gegner.[3] Die Bewegung hat in der Ukraine eine gewisse politische Unterstützung erhalten, insbesondere von Teilen der Bevölkerung, die frustriert waren über Korruption und den Einfluss der alten politischen Eliten. Allerdings ist das Nationale Korps bei Wahlen bisher gescheitert.[4] Die Asow-Bewegung hat jedoch auch international Kritik und Besorgnis hervorgerufen, insbesondere von Menschenrechtsorganisationen und Regierungen, die ihre rechtsextreme Ideologie verurteilen.

Verhältnis zur Asow-Brigade der ukrainischen Nationalgarde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Auffassung verschiedener Osteuropa-Experten und Politikwissenschaftler besteht mittlerweile eine überzeugende Trennung der extremistischen Asow-Bewegung und der in die ukrainischen Nationalgarde integrierten militärischen Asow-Brigade (früher: Asow Bataillon, Regiment Asow), welche selber nun trotz ihrer Gründungsgeschichte nicht mehr als rechtsextremistisch betrachtet werden könne und deren Verbindungen zur gleichnamigen Bewegung gekappt worden seien.[5][6][7][8][9][10][11][12][13]

Hingegen geht der kanadische Bellingcat-Journalist Michael Colborne nicht von einer überzeugenden Trennung aus. Er betrachtet die knapp 20.000 Mitglieder umfassende Asow-Bewegung als eine der stärksten rechtsextremen Bewegungen Europas, die ausdrücklich gegen eine liberale Demokratie gerichtet sei und sowohl über Verbindungen ins ukrainische Veteranenministerium als auch zur internationalen rechtsextremen Szene verfüge. Das Regiment mache nur einen kleinen Teil aus. Kurz nach dem Ausscheiden des Innenministers Arsen Awakow aus dem Amt habe der ukrainische Staat sich dazu stärker gegen die Bewegung gerichtet und Razzien durchgeführt.[14] Bis 2019 seien nach Colborne „sehr aktiv“ enge Verbindungen mit europäischen rechtsextremen Bewegungen betrieben worden und man sei weiterhin gut mit der rechtsextremen Szene in Estland, Kroatien und Polen vernetzt.[15] Es sei ein von Vertretern der Asow-Bewegung seit 2019 jedoch verbreiteter Mythos, dass zwischen dem „Regiment Asow“ und der „Asow-Bewegung“ keine Verbindung mehr bestünde.[16]

Nach Nicholas Potter von der Amadeu Antonio Stiftung ist nicht jedes Mitglied des Regiments rechtsextrem, und seine Rolle werde in der Darstellung Putins aufgebauscht – weiterhin sei aber eine enge Verbindung des Regiments zur rechtsextremen Szene belegt, und Angehörige würden in sozialen Medien weiterhin mit Neonazisymbolen posieren.[17] Laut Colborne werden Einfluss und Bedeutung der Asow-Bewegung gleichzeitig über- und unterschätzt. Es handle sich um eine aus dem gleichnamigen Regiment gewachsene Bewegung der extremen Rechten mit einer hohen Anpassungsfähigkeit und großer PR-Wirksamkeit, die trotz geringer Mitgliederzahlen zumindest einen gewissen Einfluss auf die ukrainische Politik und Gesellschaft ausübe. Im öffentlichen Diskurs werde die Bewegung oft entweder als ungefährlich und unbedeutend oder aber als eine wiederbelebte NSDAP dargestellt – die dazwischen bestehenden Nuancen würden dabei übergangen. Die ausländischen Kämpfer, die zu ihr gestoßen seien, könnten nicht alle der extremen Rechten zugeordnet werden. Innerhalb der rechtsextremistischen Bewegungen weltweit hätte sie nicht nur Unterstützer, teilweise werde sie dort wegen ihres Kampfes unter dem jüdischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gegen das von der globalen Rechten geschätzte Russland unter Putin geradezu gehasst.[18]

Im Online-Portal ‘The Nation’, dem ältesten US-Magazin,[19] hebt Lew Golinkin im Juni 2023 hervor, dass vor allem in Deutschland die Asow-Kämpfer als Verteidiger von Mariupol und Helden des Widerstands gegen den russischen Angriff gefeiert werden. Der Kommentator analysiert die Asow-Gruppierungen in der Ukraine, die seit 2014 in Umsetzung des ‘Anti-Terror-Erlasses’[20] zum Paramilitär formiert wurden und deren neonazistischer Charakter einer der Auslöser für die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in den östlichen Regionen der Ukraine waren. Und wenn Russland den Krieg gegen die Ukraine als eine Aktion zur ‘Entnazifizierung’ des Landes bezeichne, beziehe sich dies insbesondere auf die Asow-Brigaden.[21] Golinkin erbringt in dem Aufsatz einen quellengestützten Nachweis, dass diese militärischen Asow-Formationen und deren Führer tatsächlich neonazistische Züge tragen, die dem Rassismus des US-amerikanischen Ku-Klux-Klans sehr nahekämen. Er verweist dabei auf Äußerungen im US-Kongress und Forschungen der Stanford-Universität sowie auf Beiträge in den Portalen MBNC, Twitter und Facebook. Gab es bis zum Februar 2022 in westlichen Medien noch durchaus kritische Bewertungen zu den neonazistischen Tendenzen in der Ukraine, habe sich mit Beginn der Invasion Russlands ein grundsätzlicher Wandel in der medialen Darstellung dieser Kräfte vollzogen. Golinkin betont jedoch, dass die Neonazis in der Ukraine auch nach dem russischen Angriff Nazis geblieben seien – ohne dass damit die Ukraine insgesamt als neonazistischer Staat bezeichnet werden könne.

Mitglieder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Asow-Bewegung gehören (ohne Anspruch auf Aktualität oder Vollständigkeit):

  • Nazionalnyj korpus (Національний корпус) – Nationaler Korpus
  • Zywilnyj Korpus «Asow» (Цивільний Корпус «Азов») – Ziviles Korps „Asow“
  • Nazionalni druschyny (Національні дружини) – (etwa:) Nationale Bürgerwehr
  • Junazkyj korpus (Юнацький корпус) – Jugend-Korps
  • Sportywnyj korpus (Спортивний корпус) – Sportkorps
  • Patronatna sluschba «Janholy Asowu» (Патронатна служба «Янголи Азову») – Patenschaftsdienst „Engel von Asow“
  • Wijskowa schkola imeni Jewhena Konowalzja (Військова школа імені Євгена Коновальця) – Jewhen-Konowalez-Militärschule
  • Chorunscha schkola imeni Mykoly Sziborskoho (Хорунжа школа імені Миколи Сціборського) – Chorunscha-Schule namens Mykola Sziborskyj
  • Schkola lideriw imeni Aksjona i Chomy (Школа лідерів імені Аксьона і Хоми) – Schule für Führungskräfte Aksjona i Chomy
  • Pamjat naziji (Пам'ять нації) – Gedächtnis der Nation
  • Literaturnyj klub «Plomin» (Літературний клуб «Пломінь») – Literarischer Klub „Plomin“ („Flamme“)
  • Wydawnyztwo «Orijentyr» (Видавництво «Орієнтир») – Verlagshaus „Orijentyr“ („Landmarke“)

Verbindungen zur rechtsextremen Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als internationales Aushängeschild und Vernetzungsplattform der Asow-Bewegung[22] gilt das jährlich in Kiew statt findende Asgardsrei Festival für National Socialist Black Metal (NSBM). Dieses vom russischen Rechtsextremisten Alexey Levkin ursprünglich in Moskau ausgerichtete Festival übersiedelte nach Kiew nachdem Alexey Levkin sich 2014 der Asow-Brigade angeschlossen hatte.[23]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise und Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. auch Azov-Bewegung, Asow’sche Bewegung usw.
  2. Ivan Gomza: Analyse: Das Asow-Regiment und die russische Invasion. 24. Juni 2022, abgerufen am 18. Juli 2023.
  3. Ukrainian Monitors Record 137 Episodes Of Violence, Confrontation By Ultraright Groups. Abgerufen am 19. Januar 2024 (englisch).
  4. Ivan Gomza: Das Asow-Regiment und die russische Invasion. In: Ukraine-Analysen. Nr. 270, 22. Juni 2022, S. 6–9, doi:10.31205/UA.270.02 (laender-analysen.de [abgerufen am 9. Juni 2023]).
  5. Neonazis oder Nationalhelden: Was ist das ukrainische Asow-Regiment? In: DiePresse. 19. April 2022, abgerufen am 19. April 2022.
  6. Tara John, Tim Lister: A far-right battalion has a key role in Ukraine’s resistance. Its neo-Nazi history has been exploited by Putin. In: CNN World. 30. März 2022, abgerufen am 7. Mai 2022.
  7. Rewert Hoffer: Das Asow-Regiment hat rechtsextreme Wurzeln – doch für die ukrainische Bevölkerung zählt, dass es Mariupol verteidigt. In: Neue Zürcher Zeitung. 26. April 2022 (nzz.ch [abgerufen am 26. April 2022]).
  8. Vera Mironova, Ekaterina Sergatskova: How Ukraine Reined In Its Militias. 1. August 2017, ISSN 0015-7120 (foreignaffairs.com [abgerufen am 29. April 2022]).
  9. Anton Schechowzow: Das heutige Asow-Regiment hat nichts mehr mit dem „neonazistischen“ Bataillon zu tun. Übersetzt aus dem Englischen: Deniz Yücel, Die Welt, 24. April 2022.
  10. Anton Schechowzow im Interview mit Michael Thumann: »Das Asow-Regiment ist keine extremistische Organisation«. Die Zeit, Nr. 19, 5. Mai 2022.
  11. Azov Regiment. Counter Extremism Project, abgerufen am 15. November 2022 (englisch).
  12. Alexander Ritzmann: The myth that far-right zealots run Ukraine is Russian propaganda. 20. Juni 2023, abgerufen am 15. Juli 2023 (englisch).
  13. Ivan Gomza: Analyse: Das Asow-Regiment und die russische Invasion. Bundeszentrale für politische Bildung, 24. Juni 2022, abgerufen am 18. Juli 2023.
  14. Das Phänomen Asow. 20. April 2022, abgerufen am 24. Juni 2022.
  15. Interview zur Ukraine: „Asow verdankt seine Existenz dem Krieg“. In: Belltower.news. 23. Februar 2022, abgerufen am 10. Juli 2022.
  16. "Azow needs a war" An Interview with Michael Colborne. In: Violence Marker. 29. Dezember 2021, abgerufen am 10. Juli 2022.
  17. Was ist dran: Putins Narrativ von den Neonazis in der Ukraine. 18. Mai 2022, abgerufen am 12. Juni 2022.
  18. Michael Colborne, Eviane Leidig: An Interview with Bellingcat Journalist Michael Colborne on the Azov Movement in Ukraine. 29. März 2022 (icct.nl [abgerufen am 6. Juli 2022]).
  19. Lew Golinkin: The Western Media Is Whitewashing the Azov Battalion (en). In: Online-Portal ‘The Nation’, New York, 13. Juni 2023. Abruf am 24. Juni 2023. (thenation.com)
  20. Der Erlass № 405 vom 13. April 2014 des (nach dem Putsch) amtierenden Präsidenten der Ukraine, O. Turtschinow, markiert den Übergang der Ukraine zur militärischen „Anti-Terror-Operation“ (ATO) im Donbass zwischen 2014–2022. In: DGKSP-Diskussionspapiere, Dresden 2022, Mai, ISSN 2627-3470. S. 20 (de), 71 (ukr). (slub.qucosa.de)
  21. Lew Golinkin: Die westlichen Medien beschönigen das Asow-Bataillon. Bevor Russland in die Ukraine einmarschierte, waren diese Kämpfer Neonazis. Sie sind es immer noch. In: Online-Portal ‘The Nation’, New York, 13. Juni 2023. Abruf am 24. Juni 2023. Übersetzung aus dem Englischen von Rainer Böhme. In: DGKSP-Diskussionspapiere, Nr. 34, Dresden 2023, August, ISSN 2627-3470. S. 14–27 (de), 80–90 (en). (slub.qucosa.de)
  22. Counter Extremism Project (CEP): Violent Right-Wing Extremism and Terrorism – Transnational Connectivity, Definitions, Incidents, Structures and Countermeasures, Berlin 2020, Seite 20
  23. https://www.bellingcat.com/news/2020/01/02/dispatches--from-asgardsrei-ukraines-annual-neo-nazi--music-festival/, abgerufen am19.1.2024