Benutzer:Conspiration/Urh

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Notation einer Schachpartie

Die Frage, ob ein Urheberrecht oder Verwertungsrecht an Schachpartien existiert und wem dieses gegebenenfalls zusteht, wird spätestens seit dem 19. Jahrhundert von Schachspielern und Organisatoren von Schachturnieren diskutiert.

Nach heutiger Rechtsauffassung kann in Deutschland zumindest an gegeneinander gespielten Partien kein urheberrechtlicher Schutz bestehen, da der gemeinsame Wille zu ihrer Schöpfung fehlt. Partiedatenbanken sind jedoch als Datenbankwerke schützbar.

Historische Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren Schachspieler und Turnierorganisatoren regelmäßig von der Existenz eines Urheberrechts oder Verwertungsrechts an Schachpartien ausgegangen, weshalb sie oftmals Restriktionen bei der Wiedergabe von Partien bedeutender Schachturniere, auch Weltmeisterschaften, einforderten. Es wurde angenommen, dass mit Verwertungsrechten an Schachpartien ein zusätzliches Einkommen für starke Spieler vorhanden sein könnte.

Der damals frisch gegründete Weltschachbund FIDE befasste sich erstmals 1927 mit der Frage eines Urheberrechts an Schachpartien, vertiefte die Frage jedoch nicht weiter.

1931 legte der Wiesbadener Rechtsanwalt Walter Jung eine Inaugural-Dissertation mit dem Titel Gibt es ein Urheberrecht an Schachpartien? vor, in der er ein Urheberrecht an Schachpartien unter anderem deshalb verneinte, da ein Urheberrecht nur für eine bestimmte Form von Werken gelte.[1] Diese Rechtsauffassung gilt inzwischen jedoch durch die aktuelle Gesetzeslage als überholt.

Aktuelle Lage in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der deutsche Schachgroßmeister Robert Hübner weigerte sich am 28. Februar 1993, das Partieformular der in der Schachbundesliga 1992/93 gespielten Partie gegen Robert Kuczyński an die Turnierleitung zu übergeben. Zwei Tage später untersagte Hübner schriftlich die Weitergabe der von ihm gespielten Partien. Damit wollte Hübner einen Präzedenzfall zur Frage des Urheberrechts an Schachpartien schaffen. Am 21. Mai 1993 wurde vom Bundesturniergericht entschieden, dass Hübner nach jeder Partie eine lesbare Mitschrift auszuhändigen habe.

Gutachten von Unzicker und Bedau 1994[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Großmeister Wolfgang Unzicker sowie Ernst Bedau erstellten für den Deutschen Schachbund (DSB) ein nicht rechtsverbindliches Gutachten zu dem Thema, das am 22. Januar 1994 dem DSB-Präsidium vorgelegt wurde. Dabei wurde bejaht, dass im Falle eines geistigen Eigentums an Schachpartien deren Weitergabe untersagt werden kann, wodurch die Prüfung der Frage im Hinblick auf Hübners Forderung notwendig wurde.

Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass kein Urheberrecht an Schachpartien bestehen kann. Das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) vom 9. September 1965 sieht in §2 Abs.2 ein Urheberrecht an persönlichen geistigen Schöpfungen vor. Durch §141 UrhG wurde die frühere Auffassung aufgehoben, dazu kämen nur Schöpfungen in einer bestimmten Form in Betracht. Die Frage, was überhaupt ein Werk im Sinne des UrhG ist, führe jedoch nicht zu eindeutigen Ergebnissen im Hinblick auf Schachpartien. Sollte sie ein solches sein, sei die Klärung der Frage einer Einordnung zu Wissenschaft, Literatur oder Kunst notwendig.

Eine Einordnung einer Partie in das Gebiet der Literatur oder Wissenschaft wird verneint. Die Nichteinordnung in das Gebiet der Literatur sei Konsens unter Fachleuten. Dass möglicherweise durch die Anwendung von Endspieltheorie wissenschaftliche Arbeit in eine Partie einfließen kann, mache die Partie nicht selbst zu einem wissenschaftlichen Werk. Mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. November 1956 (I ZR 57/55) ist Ästhetik Voraussetzung für die Anerkennung eines Werkes als Kunst. Das Gutachten bezieht sich auf die Auffassung Botwinniks, dass eine Partie nur in seltenen Fällen einen künstlerischen Wert habe, was zu einer untragbaren Rechtsunsicherheit führen würde.

Unabhängig von diesen Fragen verbiete jedoch §8 Abs.1 UrhG die Einordnung einer Schachpartie als urheberrechtlich geschütztes Werk. Dort sieht das Gesetz vor, dass eine gemeinsame Schöpfung mehrerer Personen ohne getrennt verwertbare Anteile zu einer Miturheberschaft aller Personen führt. Der Bundesgerichtshof urteilte am 6. Februar 1985 (1 ZR 179/82), dass für eine gemeinsame Schöpfung ein gemeinsamer Wille gegeben ist, der auf die Herstellung des Werkes hinzielt. Es mangele bei einer Schachpartie jedoch an dieser Zusammenarbeit der beiden Spieler. Da die Züge einer Seite ohne die andere Seite undenkbar seien, könne auch nicht von zwei separaten Werken ausgegangen werden.

Ein eventueller Schutz an Schachpartien durch §1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb bleibe von der Frage des Urheberrechts an Schachpartien unberührt. Die Weitergabe der Partien durch den Deutschen Schachbund sei jedoch rechtlich unbedenklich, da kein kommerzielles Interesse des Schachbunds bestehe.

Am Ende des Gutachtens weisen die Gutachter darauf hin, dass die Möglichkeit unterschiedlicher Urteile über die Frage bestehe und letztlich nur ein höchstrichterliches Urteil absolute Rechtssicherheit schaffen könne.[2]

Datenbanken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Frage des Schutzes von Schachdatenbanken ist nach allgemeiner Auffassung mit der Frage des Schutzes von Datenbankwerken identisch. Dies ermöglicht den urheberrechtlichen Schutz von eigenständigen Partiedatenbanken.

Lage in Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liveübertragung von Schachpartienotationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ob Verwertungsrechte an Liveübertragungen von Schachpartienotationen geltend gemacht werden können, wurde im Fall der Schachweltmeisterschaft 2010 vor Gericht verhandelt. Die bulgarischen Organisatoren, vertreten vom bulgarischen Schachverband, warfen der deutschen Firma ChessBase vor, ohne deren Einwilligung die Züge der Partien live veröffentlicht zu haben, wodurch Rechte verletzt worden seien. ChessBase ging hingegen von einer rechtskonformen Veröffentlichung aus. Da keine Einigung erzielt werden konnte, wurde der Präzedenzfall vor Gericht gebracht. Silvio Danailow meinte einige Monate vor der Verhandlung, dass Sponsoren abgeschreckt werden können, falls Liveübertragungsrechte an Schachpartien nicht geschützt würden.[3]

Mit dem Urteil vom 29. März 2011 hat die Zivilkammer 16 am Landgericht Berlin die Klage der bulgarischen Schachföderation gegen ChessBase abgewiesen. Das Gericht urteilte darin unter anderem, dass das Hausrecht den Ausschluss jeglicher öffentlicher Berichterstattung erlauben würde, wodurch jegliche unerlaubte Darstellung im Internet unlauter würde. Dieses Verbot sei jedoch nicht erlassen worden. Bei der Zulassung öffentlicher Berichterstattung könne nur ein Zugriff auf die von den Sensoren des Schachbretts erhobenen Daten untersagt werden, um die im vorliegenden Fall jedoch nicht gestritten wurden.[4]

Lage weltweit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikationsrechte an Schachpartien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der FIDE-Weltmeisterschaft 1997/1998 legte der Weltschachbund FIDE in Artikel 10.c der Regeln fest, dass die Partieformulare Eigentum der Spieler und der FIDE sind und darüber hinaus die FIDE die exklusiven Rechte für die Veröffentlichung der Partien besitzt.

Schachkolumnisten wie Mark Crowther (The Week in Chess) und Tim Harding (ChessCafe) sprachen sich gegen solche Regelungen aus. Crowther beleuchtete dabei auch seine rechtliche Einschätzung.

Beurteilung von Mark Crowther[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im August 1997[5] gab Mark Crowther in seinem Newsletter an, dass Egon Ditt in einem Compuserve-Forum auf die Frage des urheberrechtlichen Schutzes für Schachpartien hingewiesen hatte, wo unter anderem auch durch Crowther selbst eine hitzige Debatte um das Thema entstanden sei.

Nach Angaben von Duif Calvin gebe es rechtliche Vorhersagen, dass Schachpartien nicht urheberrechtlich schützbar seien. Desweiteren seien in Deutschland und den Niederlanden entsprechende Urteile gefällt worden.

Crowther ging anschließend auf die Frage ein, inwieweit sich die Urheberrechtsverletzungen auch rückwirkend bemerkbar machen würden, falls ein Urheberrecht an Schachpartien bestünde. Nach Angaben von Iclicki bestünden keine Pläne des Weltschachbunds FIDE, juristisch vorzugehen. ChessBase sehe Zusammenstellungen von Partien als schützbar an.[6] Sollte sich jedoch ein Schutz für einzelne Partien durchsetzen lassen, könnten Partien in den Vereinigten Staaten erst nachgedruckt werden, wenn sie als trivial gälten. Bis zu einem gewichtigen gegenteiligen Rat wollte Crowther weiterhin Partien in seiner Publikation nachdrucken und es notfalls auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen.

Die Frage nach finanziellen Vorteilen für Spieler durch ein Urheberrecht an Schachpartien beantwortete Crowther mit der mangelnden Vermarktungsmöglichkeit. Mainstreammedien hätten ohnehin nur ein geringes Interesse an Schachveranstaltungen, während Schachzeitschriften eher aus schachlicher Zuneigung als aus der Hoffnung auf Reichtum herausgegeben würden. Crowther wies auch darauf hin, dass in praktischen Partien oftmals die ersten 20 Züge bereits Vorgänger hätten, wodurch sich die Frage nach der individuellen kreativen Leistung stelle.

Beurteilung von Duif Calvin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einem Usenet-Beitrag, der von Mark Crowther zitiert wurde,[5] verglich Calvin ein Partieformular mit einem box score, also einem Spielbericht.

Zunächst führte Calvin aus, dass ein entsprechender Vermerk nicht mehr nötig sei, um in den Vereinigten Staaten Copyright-Ansprüche zu besitzen. Es handele sich bei Partieformularen um die physische Aufnahme eines Spielberichts zu einer Sportveranstaltung. Derartige Fälle seien nach dem US-amerikanischen und britischen Copyright-Gesetz bereits mehrfach behandelt worden, wobei eine Schützbarkeit des Spielberichts abgelehnt worden sei. Motorola habe in einer Klage gegen die NBA um einen Zeitwert während der Liveübertragung gestritten, jedoch habe Motorola in zweiter Instanz den Fall The National Basketball Association v. Motorola, Inc. gewonnen, wobei das Gericht urteilte, dass die Ergebnisse eines Basketballspiels auch während der Liveübertragung nicht schützbare Fakten darstellten.[7]

In der Folge kritisierte Calvin, dass Musiker eine „unlogische“ Erweiterung des Copyrights besäßen, da die Ergebnisse, also Musiknoten, ihrer live vorgetragenen Lieder unter gleichen Bedingungen dennoch geschützt seien. Musiker hätten hier als Künstler andere Rechte als Sportler. Dadurch werde die Frage bedeutsam, ob eine Schachpartie als Kunst oder Sport zu verstehen sei. Die FIDE habe sich hier inkonsistent verhalten, da sie Schach als Sport darstellen wolle, aber die Schützbarkeit von Kunstwerken anwenden wolle.

Analyse von Tim Harding[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tim Harding argumentierte im Oktober 1997,[8] dass nur Spitzengroßmeister von einer Kontrolle über die Veröffentlichung ihrer Partien profitieren könnten. Die Partien von unbekannteren Spielern könnten hingegen überhaupt nicht mehr veröffentlicht werden, wenn diese nicht selbst die Partien einsändten. Probleme könnten sich auch bei Fernpartien ergeben, wo nur die Spieler und der Turnierdirektor überhaupt Zugang zu den Partien haben, da diese nicht bei öffentlichen Veranstaltungen ausgetragen werden.

Obwohl, so Harding, Organisatoren die Veröffentlichung von Partien in Internetdatenbanken unterbinden könnten, würde dies der Popularität des Schachspiels abträglich sein. So müssten Zeitungen beachten, dass nur Partien veröffentlicht werden können, bei denen das Urheberrecht abgelaufen sei oder die Einwilligung der Spieler vorliege, wodurch praktisch die Schachkolumnen in Zeitungen ausstürben. Harding verglich die Situation mit Radiosendern, die für jede Veröffentlichung von Musikstücken Tantiemen an die Rechteinhaber zahlen müssen. Auch Fernschachzeitschriften könnten sich nicht mehr finanzieren, so Hardings Befürchtung. Der Markt für Schachbücher könnte zusammenbrechen, da keine Partiefragmente mehr abgedruckt werden könnten. Eröffnungsbücher würden so nutzlos, da keine Neuerungen aus Meisterpartien veröffentlicht werden könnten.

Auch durch die Regelung, dass Partien nicht Eigentum der Spieler, sondern der Organisatoren, seien, träten Probleme auf. So könnten Spieler nicht ihre eigenen Partien ohne die Erlaubnis des Rechteinhabers an Schachzeitschriften einsenden. Die Regelung, dass die intellektuelle Leistung der Spieler, sofern Schachpartien überhaupt als geistiges Eigentum schützenswert seien, zur Hälfte dem Organisator zustehe, käme einem Arbeitsverhältnis zwischen den Spielern und dem Organisator gleich, wobei die Spieler dennoch um Preisgelder spielen und kein festes Gehalt bekommen. Dies sei inakzeptabel.

Der finanzielle Vorteil eines Urheberrechts an Schachpartien, so Hardings Fazit, läge nur bei Spitzenspielern, Datenbankherstellern und Organisatoren, während der Durchschnittsspieler nur deutliche finanzielle und literarische Nachteile habe.

Tim Harding schloss sich Crowthers rechtlicher Interpretation an, die auch bereits im deutschen Gutachten angeführt worden war, wonach Schachpartien als nichtgemeinschaftlich erstellte Werke nicht schützbar seien.

Einzelnachweise und Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. (Neue) Wiener Schachzeitung, 1932, Nr. 9, Seite 143 (abgerufen am 30. Juli 2020)
  2. Rechtsgutachten von Unzicker und Bedau (PDF-Datei)
  3. Interview mit Silvio Danailow auf seiner Internetseite (englisch). 1. Juni 2010, abgerufen am 7. September 2010
  4. Anonymisiertes Urteil als PDF-Datei-Download, abgerufen am 15. Mai 2012
  5. a b 2) FIDE set to challenge gamescore copyright? In: THE WEEK IN CHESS 146 - 25th August 1997 by Mark Crowther
  6. Anmerkung: Ein entsprechendes Gesetz trat in Deutschland im Jahr nach Crowthers Beurteilung in Kraft, siehe Datenbankwerk
  7. Urteil auf bitlaw.com
  8. The Kibitzer's Cafe, Folge 17 (englisch). Oktober 1997, abgerufen am 7. September 2010

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]