Benutzer:Jo1971/Russland

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Fundsachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Politisches Systems[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sergei Guriev, Daniel Treisman: Spin Dictators. The Changing Face of Tyranny in the 21st Century. Princeton University Press, Princeton/Oxford 2022, ISBN 978-0-691-22447-3, S. X (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

His managed elections, co-opted media, and quiet marginalization of opponents set the standard for others. Yet, by the late 2010s he was edging backward, and by 2021 he had already reached the verge of fear dictatorship—as we observe in notes 6 and 7 to chapter 1. Since then, he has closed the deal. As his tanks rolled into Ukraine, Russia’s security services went to war at home, shuttering the few remaining free media outlets; blocking Facebook, Twitter, and other social networks; and threatening any who criticized the “special military operation with fifteen years of hard labor.

Gwendolyn Sasse: Der Krieg gegen die Ukraine. Hintergründe, Ereignisse, Folgen. C. H. Beck, München 2022, ISBN 978-3-406-79305-9, S. 59 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Wie lässt sich das politische System Russlands am besten beschreiben? Vor dem Hintergrund des Krieges hat diese Frage erneut an Relevanz gewonnen. Neben gängigen, jedoch nicht präzise voneinander abzugrenzenden Begriffen wie Autoritarismus und Diktatur wurde in den letzten Monaten der Begriff «Ruschismus » (ruschism) bwz. «Raschismus» (raschism) geprägt – jeweils eine Mischung aus «Russland» und «Faschismus». […] Als analytisches Konzept eignet sich weiterhin der Begriff «Autoritarismus», solange dieser nicht als etwas Statisches verstanden wird, sondern als ein sich dynamisch anpassendes politisches und gesellschaftliches System.

Faschismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Paul D’Anieri: Ukraine and Russia. From Civilized Divorce to Uncivil War. 2. Ausgabe. Cambridge University Press, Cambridge 2023, ISBN 978-1-00-931554-8, S. 299, doi:10.1017/9781009315555 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

For the debate prior 2022, see Timothy Snyder, “Fascism, Russia, and Ukraine”, New York Review of Books, March 20, 2014; and Marlene Laruelle, Is Russia Fascist? Unraveling Propaganda East and West (Ithaca: Cornell University Press, 2021). For the discussion after Februrary 2022, see Timothy Snyder, “We Should Say It: Russia is Fascist”, The New York Times, May 19, 2022. See also Taras Kuzio, “How Putin’s Russia embraced fascism while preaching anti-fascism”, Atlantic Council UkraineAlert, April 17, 2022.

Vor 2022

Marlène Laruelle stuft Russland hier ziemlich klar als nicht-faschistisch ein.

Marlène Laruelle: Is Russia Fascist? Unraveling Propaganda East and West. Cornell University Press, Ithaca 2021, ISBN 978-1-5017-5413-5, S. 152, doi:10.1515/9781501754159.

Out of the array of core components that qualify a regime as fascist, Russia displays only one: a constituted paramilitary culture directly supported by state institutions. All scholars of fascism studies agree on paramilitarism as a key feature of a fascist regime—it encapsulates the idea of the nation-in-arms that acts both as the regime’s ideological avant-garde and a potential organizational power to be recruited. Michael Mann’s Fascists, which delves into historical paramilitary groups in Germany, Austria, Hungary, and Spain, defines fascism specifically as “the pursuit of a transcendent and cleansing nation-statism through paramilitarism.” Looking at Russia’s supposed fascism, Vladislav Inozemtsev has been the only scholar to mention the gradual militarization of the Russian state—or, more exactly, its “law-enforcementization”—as a criterion for the country’s fascization.

Dem widerspricht allerdings Claus Leggewie:

Claus Leggewie: Faschismus und kein Ende? In: Stéphane Courtois, Galia Ackerman (Hrsg.): Schwarzbuch Putin. Piper, München 2023, ISBN 978-3-492-07098-0, S. 117–127, hier S. 124 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – französisch: Le Livre noir de Vladimir Poutine. Paris 2022.).

Eine als Standardwerk angelegte Analyse der französischen Russland- und Eurasienexpertin Marlène Laruelle von 2021 führt alle Standardargumente gegen die Charakterisierung Russlands als faschistische Macht und Gesellschaft auf: die fehlende Massenbasis, die Nischenexistenz authentischer faschistischer Strömungen und Weltanschauungen, die eher taktische Verbindung zu Rechtsradikalenin Westeuropa, der gewollte weltanschauliche Synkretismus und der inkrementale Pragmatismusdes Herrschaftsapparats, der die verschiedenen Schichten der russischen Gesellschaftzufriedenstellen und dabei eher politikfern und apathisch halten soll. […] Die für das Putin-Regime zutreffende Charakterisierung lautet bei Laruelle stattdessen »Illiberalismus«. Das griff schon lange vor dem Februar 2022 zu kurz und transportiert den alten Grundirrtum der »Kreml-Exegese«, wonach Russland lediglich eine defensive Reaktion auf Einflüsse von außen an den Tag gelegt habe: geostrategisch mit der Ostexpansionder NATO, wirtschaftlich mit den fatalen Auswirkungen des importierten Neoliberalismus, politisch mit der Demokratiebewegung.

Und Timothy Snyder, der Russland schon 2014 (als einziger?) als faschistisch eingestuft hatte:

Timothy Snyder: Fascism, Russia, and Ukraine. In: The New York Review of Books. 20. März 2014; (englisch).

Ab 2022

Claus Leggewie sieht faschistoide Züge in Russland ab 2022.

Claus Leggewie: Faschismus und kein Ende? In: Stéphane Courtois, Galia Ackerman (Hrsg.): Schwarzbuch Putin. Piper, München 2023, ISBN 978-3-492-07098-0, S. 117–127, hier S. 126–127 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Nicht der Faschismus in seinen historischen Kernelementen kennzeichnet Putins Diktatur und Aggression, dieser wird vielmehr als Hauptfeind markiert. Aber immer mehr Elemente des Regimes weisen Familienähnlichkeiten und Näherungen auf, die sich zu einem neuen Typus totalitärer Herrschaft entwickeln. Die Analogie zum Nationalsozialismus besteht in der revisionistischen Außenpolitik des Regimes: Ein Volk, das den Untergang sowjetischer Größe bedauert und das Chaos fürchtet, soll durch einen strongman mit entschlossene Law-and-Order-Politik getröstet werden. […] Das alles verbietet eine Einordnung des Putin-Regimes als »Autokratie«, »Illiberalismus« und dergleichen, die ebenso auf Ungarn oder Mali zuträfe und einer intellektuellen Verharmlosung dient. Das Putin-Regime ist noch nicht bei den Diktaturen Hitlers und Stalins angekommen, aber faschistoide Züge sind bei ihm ebenso erkennbar wie Anschlüsse an das sowjetische (nicht: kommunistische) Erbe, die auch nicht im strengen Sinne stalinistisch sind.

Taras Kuzio sieht Russland als faschistischen Staat und nennt 10 Kritieren, die er als erfüllt sieht.

Taras Kuzio, Stefan Jajecznyk-Kelman: Fascism and Genocide. Russia’s War Against Ukrainians. Ibidem-Verlag, Stuttgart 2023, ISBN 978-3-8382-1791-8, S. 36–43 (englisch).

Since 2020, Russia has evolved from an authoritarian autocracy to a totalitarian fascist dictatorship.

Klar, dass das Timothy Snyder ab 2022 immer noch so sieht und Wladislaw Inosemzew ist im Artikel auch schon drin.

Timothy Snyder: Ukraine Holds the Future. The War Between Democracy and Nihilism. In: Foreign Affairs. Band 101, Nr. 5, September/Oktober 2022, S. 124–141, hier S. 130 (englisch, foreignaffairs.com).

Although Russia is fascist at the top, it is not fascist through and through.

Paul D’Anieri äußert sich zurückhaltend...

Paul D’Anieri: Ukraine and Russia. From Civilized Divorce to Uncivil War. 2. Ausgabe. Cambridge University Press, Cambridge 2023, ISBN 978-1-00-931554-8, S. 299, doi:10.1017/9781009315555 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Russia’s invasion of Ukraine, and the domestic measures and rhetoric that accompanied it, dramatically increased the level of authoritarianism in Russia, accelerating a discussion, already underway for years, about whether Putin’s Russia was a fascist state.74 […] Some important elements of historical fascism were missing: rather than promising a glorious future, Putin looked primarily to a glorious past. Rather than mobilizing the population, Putin seemed to strive for its de-mobilization. Unlike previous fascist regimes, Russia rejected the label, claiming to be anti-fascist, although as Stephen Shenfield presciently point out in 1998, “For a fascist organization in contemporary Russia to avoid the stigma of association with the German invaders, it therefore suffices to avoid use of the word ‘fascist’ and to emphasize the native Russian roots of its ideas and symbols.” Whether we use the word “fascist” or not, by the spring of 2022, Russia had become a very different kind of authoritarian state than it had been even a few years earlier. This metastasis was both the cause and effect of the war.

...ebenso wie Michael Thumann, der einige Kriterien als noch nicht erfüllt sieht.

Michael Thumann: Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat. C. H. Beck, München 2023, ISBN 978-3-406-79935-8, S. 152–153.

Wie soll man das System Putin heute nennen? Ist es Faschismus? Es gibt erschreckende Parallelen, doch auch Unterschiede. Es fehlen Antisemitismus, Vernichtungslager für «Rassenfremde», rotbraun-sozialistische Rhetorik, die Bekämpfung kirchlicher Institutionen und der Terror durch Sturmtrupps in den Straßen. Der Nationalsozialismus war in seiner Radikalität auch eine revolutionäre Bewegung, Putin scheut Revolutionen aller Art. Man versteht sein System nicht zur Gänze, wenn man versucht, es in eine bekannte Schablone von westeuropäischen Vorbildern zu pressen. Es baut auf nie bewältigten russischen und sowjetischen Traditionen von Gewalt und Rechtlosigkeit auf. Der Putinismus ist eine Art UdSSR ohne Sozialismus, eine pseudoklerikal-konservative Moralherrschaft, ein giftsprühender Polizeistaat, nach innen repressiv, nach außen aggressiv. Aber auch das ist für sich noch kein  neues System. Putin, geschieden und in wilder Ehe mit einer Sportlerin liiert, lässt das Bild der konservativen Familie zum Ideal der Gesellschaft malen. Die staatlichen Propagandisten streben nach Kontrolle über die Hirne. Sie schaffen einen hermetischen «russischen Informationsraum». Sie kreieren das Ideal des konservativen starken Mannes, der Frau und Kinder verteidigt, der seinen Acker vor der Stadt bestellt und für das Vaterland kämpft. Sie mobilisieren die Massen für die Abschottung des Landes und den Angriff auf die Nachbarn. Die Menschen dürfen Krieg, Annexion und Putin bejubeln. Im ganzen Land denunzieren Menschen sich gegenseitig. Die Gesellschaft ist atomisiert und hat kaum noch Organisationsformen jenseits der staatlichen Vertikale. Der Politologe Andrej Kolesnikow spricht von «hybridem Totalitarismus».

Martin Schulze Wessel: Der Fluch des Imperiums. Die Ukraine, Polen und der Irrweg in der russischen Geschichte. C. H. Beck, München 2023, ISBN 978-3-406-80049-8, S. 261–262 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Trotz dieser Analogien entwickelten sich die politischen Ordnungen Russlands und der Ukraine jedoch nicht ähnlich, sondern entgegengesetzt. Obgleich es auch in der Ukraine äußerst machtbewusste, ja ruchlose Politiker gab, erscheint sie dreißig Jahre nach der Unabhängigkeit als eine funktionierende Demokratie, die sechs Machtwechsel friedlich vollzogen hat, während Russland zu einem autoritär geführten Staat mit faschistischen Elementen geworden ist.

Andreas Kappeler: Ungleiche Brüder. Russen und Ukrainer vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Erweiterte Neuausgabe. C. H. Beck, München 2023, ISBN 978-3-406-80042-9, S. 238 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Russland wurde immer mehr zu einem militarisierten repressiven Polizeistaat, der einige Merkmale des Stalinismus und Faschismus aufwies. Putin verstärkte den innenpolitischen Druck sukzessive und ließ tatsächliche und angebliche Oppositionelle verfolgen.