Benutzer:Stegosaurus Rex/Schindlers Liste 2

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Interpretation, Analyse und wissenschaftliche Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wandlung und Rettung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Film erzählt einhergehend mit der Geschichte der Rettung der Schindlerjuden den Sinneswandel Oskar Schindlers von einem Kriegsgewinnler, Mitläufer und Opportunisten hin zu einem guten Deutschen und Retter der Juden. Der Sinneswandel vollzieht sich bei ihm durch die Begegnung mit Einzelschicksalen, darunter etwa der Jüdin, die ihn um Schutz für ihre Eltern bittet.[1] Die Schlüsselszenen der Wandlung werden durch die Rotfärbung des Mantels des Mädchens hervorgehoben. Darin erscheint das Kind stellvertretend für das Leid und den Schmerz des jüdischen Volkes und fungiert, wie die Kommunikationswissenschaftlerin Patrizia Tonin es formulierte, „als eine magisch-märchenhafte Figur, die Schindler den Weg zum Guten hin weist.“ An dem Mädchen im roten Mantel zeigt sich auch ein Leitmotiv des Films, bei dem es sich um das Leiden der Kinder handelt. Ein anderes Beispiel für dieses Motiv ist der Junge, der sich vor seiner Ergreifung durch die Besatzer in einer Kloake versteckt.[2]

Der dramaturgische Spannungsbogen des Films erreicht seinen Höhepunkt dort, wo eine Steigerung zum Schlimmen nicht mehr vorstellbar ist, nämlich im KZ Auschwitz.[3] Die maximale Spannung und damit das emotionale Involvement wird hier wesentlich durch das Wissen des Zuschauers um die Vergasungen erzeugt, durch sein Wissen darüber, was auf dem Spiel steht. Dieses Wissen stellt Spielberg beim Zuschauer mit der vorangehenden Unterhaltung der Jüdinnen im KZ Plaszow her, in der eine von ihnen den Ablauf bis zur Vergasung schildert, die anderen das aber als Gerücht zurückweisen.[4] Der Literaturwissenschaftler Sven Kramer hob hervor, dass unklar bleibe, warum gerade diese Gruppe Frauen dem Tod entgeht, und bestätigte damit die Kritikermeinung, dass Spielberg die Zuschauer emotional einspanne, aber nichts erkläre.[5] Tonin bestätigte unter anderem Claude Lanzmanns Kritik an dem von Spielberg hinterlassenen Eindruck, man habe die Gaskammer lebend verlassen können.[6]

Mythisierung, Gründung, Erlösung und Sinnstiftung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die farbige Szene am Filmende, die mit dem Lied Jerusalem aus Gold unterlegt ist und in der die Schindlerjuden nebeneinander über ein als Israel zu verstehendes, freies Land schreiten, wurde als Umwandlung und Mythisierung der bis dahin in dem Film erzählten Geschichte in eine Gründungsgeschichte interpretiert.[7] Die Szene transformiere die Verfolgung der Schindlerjuden, so Kramer, „zu einer Vorgeschichte, zu einem mörderischen Durchgangsstadium,“ und zeige „die Inbesitznahme der […] wahren Heimat, in der die Reise ein Ende hat und wo die Überlebenden sich […] entfalten und vermehren können.“[8]

Schindler lässt sich in dem Zusammenhang als eine „charismatische Führerfigur“ interpretieren, die das Volk der Schindlerjuden aus der lebensbedrohlichen Fremde rettet und es auf den Weg in das Gelobte Land bringt.[7] Damit ähnelt er Moses, der die Israeliten beim Auszug aus Ägypten anführte – ein Vergleich, den im Film auch Amon Göth in einer Frage an Schindler anstellt. Da die Schindlerjuden als Zeichen ihrer Dankbarkeit Schindler den aus selbsteingeschmolzenem Gold hergestellten Ring überreichen, während die Israeliten einst um das Goldene Kalb getanzt sind, ergebe sich, so der Filmwissenschaftler Thomas Elsaesser, eine „beinahe mythische Autorität“, trügen doch die Auserwählten bei ihrem Wiedererscheinen am Horizont die Opfer einer Vergangenheit in eine nationenbildende Zukunft. Spielberg habe sich damit, so Elsaesser weiter, weniger eine bestimmte Version des Holocaust als vielmehr von jüdischer Erlösung angeeignet und dabei mit einer erkennbar amerikanischen, Immigranten-, Siedler- und Gründerväter-Rhetorik versetzt. Elsaesser hielt insofern Lanzmanns in einem BBC-Interview vorgebrachte, antiamerikanische Kritik für gerechtfertigt, dass Spielbergs Film typisch für amerikanische Juden sei, die sich den Holocaust aneignen wöllten.[9]

Der Historiker Peter Schulze verstand die Pilgerschaft der Schindlerjuden und ihre Ankunft in Israel als „heilsgeschichtliche Auslegung“ des Holocaust. Durch die Parallelisierung mit dem alttestamentarischen Zug ins Gelobte Land würde jener Ankunft ein teleologischer Sinn verliehen, der gerade durch den Holocaust negiert worden sei. Der Prolog, in dem das Verschwinden der Familie und die erlöschende Kerze symbolisch für die drohende Auslöschung der Juden stünden, bilde gemeinsam mit dem Ende des Films eine „sinnstiftende narrative Rahmung der Holocaust-Darstellung.“ Jene Rahmung werde als authentisches Ereignis ausgegeben und neutralisiere so die historischen Tatsachen; es sei dies, so Schulze, „das Unhaltbare“ an Spielbergs Holocaust-Darstellung. Die Mythisierung Schindlers diene „einer versöhnlichen Darstellung des Holocaust, einer Aufarbeitung,“ in der dem Holocaust etwas Positives „abgerungen“ werde.[10]

Gegenüberstellung von Schindler und Göth[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ähnlich einem Alter Ego beziehungsweise Spiegelbild, wird die Figur Amon Göth im Film Oskar Schindler gegenübergestellt, wobei beider Ähnlichkeit betont wird.[11] Der Vergleich zwischen ihnen wird durch die Szene, in der sie sich in alternierenden Einstellungen vor einem Spiegel rassieren, eingeleitet.[12] Beide sind gesellige Frauenhelden, Trinker und Kriegsgewinnler, reiten Pferde und halten, wenn auch auf unterschiedliche Weise, das Leben von Juden in ihren Händen;[13] beide Charaktere sind von Ambivalenz, Vorteilsdenken und einer Vorliebe für Luxus geprägt.[14]

Zunehmend wird bei der Gegenüberstellung der Beiden aber auch ihre Verschiedenheit betont.[12] Dazu dient vor allem ihr getrenntes Aufeinandertreffen mit Helene Hirsch im Weinkeller von Göths Haus. Während sich Schindler anteilnehmend Hirschs Bericht über ihr Leiden unter Göth anhört und ihr schließlich einen schlichten Kuss auf die Stirn gibt, ist Göths Besuch bei ihr ein Monolog voller rhetorischer und selbstbeantworteter Fragen.[15] In der Szene versucht Göth sich davon zu überzeugen, dass er sich deshalb von ihr angezogen fühlt, weil von ihr ein magischer Reiz ausgeht.[16] Da er jedoch unfähig ist, mit verbotenen Gefühlen von Zärtlichkeit umzugehen, verprügelt er Hirsch als eine „jüdische Schlampe“.[17] In der Szene verlässt Göth sich auf das in der NS-Propaganda typische Stereotyp von der jüdischen Frau als Verführerin. Besagtes Stereotyp, so der Wissenschaftler Eric Sterling, verwende Spielberg hier, um es zu untergraben, indem er es in den Mund eines sadistischen Verrückten lege.[16]

Darstellung der Juden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einem Beitrag für das Buch Spielberg’s Holocaust (1997) kritisierte die Literaturwissenschaftlerin Sara R. Horowitz den Film, weil er antisemitische Stereotype enthalte. Ähnliche Kritik hatten zuvor auch schon Lanzmann und Andere geäußert. Die Szene etwa, die jüdische Männer in einer Kirche beim Schwarzhandel zeigt, rufe, so Horowitz, das antisemitische Gerücht wach, demzufolge Juden heilige christliche Riten und Orte entweihten. Darin reproduziere der Film zudem das antisemitische Stereotyp des listigen, schlauen, über gute Kontakte verfügenden Juden wie in den Protokollen der Weisen von Zion verbreitet. Ferner bekräftige der Film wiederholt das antisemitische Stereotyp des geldraffenden Juden, indem er reiche jüdische Familien zeige.[18]

Andere hatten Einwände gegen solche Kritik. Buchautor Henry Gonshak zum Beispiel betonte, dass Horowitz mit ihrer Kritik die Tatsache übersehe, dass keine der jüdischen Figuren in dem Film unsympathisch porträtiert werde.[19] Der Medienwissenschaftler Nigel Morris nahm Stellung zu Horowitz’ Einschätzung, derzufolge die jüdischen Investoren, die Schindler trifft, „wie von einem Nazi-Propagandaposter über Eugenik und Rassenkunde“ stammend aussehen. Sie übersehe dabei, so Morris, dass diese Figuren in Schindlers Fabrik wieder erscheinen und, oft als Menschenmenge, verschiedene körperliche Typen umfassen. Und zu Horowitz’ Kritik an der Kirchenszene meinte er, dass man das Verhalten der Juden darin auch als entschiedenen Widerstand oder als Beweis für bewundernswerte Anpassung verstehen könne.[20]

Nicht nur Horowitz meinte, dass Jüdinnen in dem Film erotisiert dargestellt würden. Sven Kramer zum Beispiel hob hervor, dass es sich bei der Szene, in der sich die Schindlerjüdinnen im KZ Auschwitz entkleiden, um eine „Aktszene“ mit erotischen Anklängen handele und Spielberg die Identifikation mit den Juden darin mit Hilfe erotisch suggestiver Bilder aufbaue: „Im punktuell gesetzten Seitenlicht hebt sich der Körper von der dunklen Umgebung ab, das diffuse Gegenlicht umlegt ihn mit einem leichten Strahlenkranz.“[21] Ferner wurde von Mehreren die Deutung geäußert, dass die Juden in dem Film feminisiert dargestellt würden. Entsprechend der Historikerin Judith E. Doneson etwa bilde Schindlers Liste keine Ausnahme unter Holocaust-bezogenen Filmen, die den Juden als schwache, weibliche, auf den Schutz durch starke, männliche Christen bzw. Nichtjuden angewiesene Figur porträtiere.[22]

Dokumentarischer Charakter und Authentisierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt etliche Merkmale, die den Film dokumentarisch und authentisierend, die Wirklichkeit abbildend, wirken lassen. Zu ihnen gehört, dass er überwiegend in Schwarz-Weiß gedreht wurde, den Farben, in denen auch die meisten fotografischen und filmischen Aufnahmen aus der Zeit des Holocaust sind und die im Zuschauer Assoziationen mit der damaligen Zeit wecken.[23] Weiterhin kommt zur Authentizitätssteigerung Originalton-Material zum Einsatz, beispielsweise Winston Churchills Radioansprache, in der er die Kapitulation Deutschlands verkündet.[24] Abgesehen von den Namen der Schindlerjuden im Epilog werden zudem an 24 Stellen im Film Inserts eingeblendet, die Informationen, zum Beispiel über die Handlungszeit, den Handlungsort oder den Kriegsverlauf enthalten. Sie geben dem Film einen journalistischen Anstrich und wirken wie ein Ersatz für einen Erzähler oder Kommentator.[25]

Zur dokumentarischen Wirkung tragen die Originalschauplätze, an denen gedreht wurde, aber auch der Einsatz eher unbekannter Schauspieler, wodurch die Aufmerksamkeit des Zuschauers stärker auf die verkörperte Figur als auf die Persönlichkeit ihres Darstellers gelenkt wird, bei.[26] Nicht zuletzt dadurch, dass die realen Schindlerjuden, begleitet von ihren Darstellern im Film, im Epilog in der Gegenwart einen Stein auf das Grab ihres Retters legen, entsteht beim Zuschauer der Eindruck, dass das zuvor Gesehene der Wahrheit entspricht.[27] Auch die Handkameraästhetik steigert den Eindruck von Authentizität. Ihr Einsatz trägt in Kombination mit dem Bildaufbau, dem Toneinsatz, dem Montagerhythmus und schnell wechselnden Perspektiven zu einem Effekt bei, der Newsreels ähnelt.[28] Der Literaturwissenschaftler Manuel Köppen verglich diese Ästhetik mit CNN-Aufnahmen von Vietnam bis Kroatien und wandte sich damit auch gegen Einschätzungen von Kritikern, die das Schwarz-Weiß-Material des Films mit Wochenschauen der 1940er Jahre verglichen hatten.[29]

Rezipienten äußerten die Auffassung, dass die Zuschauer in der Duschszene dazu gezwungen würden, sich mit den Schindler-Jüdinnen zu identifizieren. Angesichts dessen, meinte etwa Martínez, wirke der Film „wie ein psychischer Prägestock, der die Emotionen des Zuschauers in vorbestimmter Weise erregt und formt“.[30] Das stelle einen deutlichen Gegensatz zu Spielbergs Behauptung dar, sich selbst so weit wie möglich zurückzunehmen und „den Zuschauern ihre Gefühle mit einer objektiven Geschichte zurückzugeben“.[30] Die Zuschauerlenkung ziele, so Martínez, „auf eine kathartische Teilnahme am Schicksal der Protagonisten, auf identifikatorischen Jammer und anteilnehmenden Schauder.“[31] Frank Schirrmachers Auffassung, es handele sich um einen „zutiefst unideologischen Film“, sei insofern ebenso unzutreffend wie die Urteile vieler anderer deutscher Kritiker, die dem Film dokumentarische Authentizität attestiert hatten. Zu diesen „so eklatant verfehlten Beurteilungen“ sei es gekommen, weil die Kritiker unter dem Begriff Authentizität eine auf Zeugenschaft beruhende Authentizität verstanden hätten, indem sie ihm die Verwendung originaler Drehorte und Spielbergs jüdische Herkunft zugrunde gelegt hätten.[32]

Stil und Ästhetik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Film wurde als ein Pastiche und eine Assimilation filmischer Stile verstanden. Abgesehen von den Stilen Wochenschauen des Zweiten Weltkriegs und CNN-Reportagen zitiere er den Film noir, den Deutschen Expressionismus und den Italienischen Neorealismus. Trotz der Vielzahl der Stile sind die Übergänge zwischen ihnen fließend und fast nicht zu bemerken.[33]

Die Wissenschaftlerin Yosefa Loshitzky äußerte sich überzeugt davon, dass der ausgiebige Einsatz von Schwarzweiß weniger dem Anspruch auf Realismus beziehungsweise Wahrheit als vielmehr filmischen Traditionen geschuldet sei, die mit Schwarzweiß assoziiert sind. Der Einsatz von Schwarzweiß variiert jenachdem, welcher filmische Stil zitiert wird. Der in einem Kabarett-ähnlichen Milieu stattfindenden Szene am Anfang des Films etwa sei durch das dramatisch kontrastierende Schwarzweiß ein Chiaroscuro-ähnliches Wechselspiel von Licht und Schatten zueigen – Anspielungen, die von Hollywood-Studiofilmen wie zum Beispiel jenen von Joseph von Sternberg, Orson Welles und Max Ophuls beeinflusst seien. Vor allem Szenen, die das Alltagsleben im Krakauer Ghetto oder in Schindlers Fabrik zeigen, ähnelten dem Stil des Italienischen Neorealismus, einer mit Schwarzweiß-Darstellungen des Lebens in Italien während und nach dem Zweiten Weltkrieg assoziierten Bewegung.[33]

Ein wesentliches Stilmittel des Films ist die Asynchronität zwischen Bild und Ton. So werden die letzten Bilder einer Szene bzw. Sequenz schon mit der Tonspur der folgenden unterlegt. Dadurch werden ohne Spannungsabfall gleitende Übergänge geschaffen, das Erzähltempo beschleunigt und die Handlung verdichtet. Das Stilmittel wird teils auch zusammen mit der Parallelmontage eingesetzt.[34]

Die Autorin Ora Gelley fasste den Film am Beispiel der Szene, in der Göth von seinem Balkon aus mit einem Gewehr zwei Häftlinge des KZ Plaszow erschießt, als teilweise Gewalt ästhetisierend auf. Darin wechseln sich Point-of-View-Shots des wenig bekleideten Göth, die ihn beim Schießen zeigen und sich mit Einstellungen seiner halbnackten Gespielin im Bett abwechseln. Wegen der großen Distanz zwischen den Positionen der Kamera und der Opfer seien die sexualisierten Körper von Göth und seiner Freundin akzentuiert. Wie auch bei der Misshandlung von Hirsch durch Göth erzeuge die Szene eine problematische Art von Faszination mit der Nazi-Ästhetik von Gewalt und Sexualität und dämpfe damit die Stimmen der Opfer. Jene Ästhetisierung von Gewalt überwinde der Film hingegen in der Szene, in der Göth seinen Dienstjungen Lisiek erschießt. Denn darin werde der Mord durch die augenzeugenähnliche Perspektive von Stern geschildert, der Zuschauer bleibe außerhalb von Göths Rolle und es würden hier die Einstellungen Schuss-Gegenschuss und Point-of-View vermieden.[35]

Visuelle Nachbildungen und Bildzitate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Betonung des dokumentarischen Charakters von Szenen arbeitet der Film mit visuellen Nachbildungen beziehungsweise Bildzitaten historischer Fotografien. Eines der im Film nachgebildeten Fotos zeigt die Straße im Ghetto mit lauter Koffern und Kleidungsstücken und symbolisiert die Abwesenheit der deportierten Bewohner, andere Szenen zitieren etwa Margaret Bourke-Whites Aufnahmen von Häftlingen hinterm Stacheldrahtzaun befreiter Konzentrationslager.[36]

Doch nicht nur historische Fotografien, sondern auch Bildmaterial aus früheren Filmen, die den Holocaust thematisieren, werden in Schindlers Liste nachgebildet und zitiert. Hinsichtlich der Darstellung der Konzentrationslager etwa mit matschigem Boden, über den die Häftlinge laufen, verweist der Film – so, wie auch viele andere, vor Schindlers Liste entstandene Filme – auf den polnischen Spielfilm Die letzte Etappe (1948). Auf den Dokumentarfilm Nacht und Nebel (1956) spielt Spielbergs Film an, indem er die Montagesequenz nahezu identisch nachbildet, die Kofferstapel und Berge von Schuhen und Brillen zeigt.[37]

Bei den Zitaten und Nachbildungen von Bildern aus früheren Filmen handelt es sich um visuelle Stereotypen, die – entsprechend der Einschätzung des Filmwissenschaftlers Tobias Ebbrecht – als Ersatz für Primärerinnerungen, die im Publikum fehlen, an das historische Ereignis dienen. Der Film konstruiere sich auf diese Weise „als ein neues Momument der Erinnerung, das sich vorherige filmische Erinnerungsformen einverleibt und deren Wirkungen in die eigene ästhetische Wirkungsstrategie integriert.“[38] In dem Zusammenhang interpretierte die Historikern Sabine Moller Spielbergs Absicht mit dem Film als einen „Abbildrealismus“ bezüglich der Erinnerung, denn nicht die Realität, sondern „die von der filmischen Erinnerung repräsentierte Realität“ wolle er originalgetreu wiedergeben.[39] Da es sich bei den Bild- und Filmzitaten, so die Schriftstellerin Sonja M. Schultz, um eine „Kompilation von Bekanntem“ handelt, würden der Wiedererkennungseffekt und die authentische Wirkung der Fiktion gestärkt.[40]

Die visuellen Nachbildungen haben den Charakter von Bildikonen.[39] Zu ihnen gehört auch die Geste einer durchgeschnittenen Kehle, mit der ein polnischer Junge den Juden im vorbeifahrenden Deportationszug ihr bevorstehendes Schicksal anzeigt. Schindlers Liste adaptiert damit die Geste eines in Lanzmanns Dokumentarfilm Shoah interviewten polnischen Mannes, der seine Hand entlang seines Halses bewegt und damit seine Erinnerung an die Ermordung der Juden verdeutlicht. Die Kehlenschnitt-Geste wird in Spielbergs Film gleich dreimal gezeigt: Zweimal ist sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu sehen, ehe eine der beiden Aufnahmen erneut und – den ikonischen Charakter des Motivs betonend – nunmehr in Zeitlupe zu sehen ist.[41]

Vergleich mit Historie und Romanvorlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie bei vielen Filmadaptionen literarischer Stoffe ist auch die Adaption von Keneallys halbdokumentarischem Roman zu dem Film von Auslassungen, Vereinfachungen und Verdichtungen geprägt. Dazu gehört besonders, dass in dem Film, anders als im Roman, zahlreiche Aktivitäten in der Figur Stern gebündelt sind, darunter die Beschaffung von Geld für Schindlers Fabrik und die lebenswichtige Vergabe von Blauscheinen an die jüdischen Arbeiter; zudem vereinen sich in der Filmfigur Stern die historischen Personen Mietek Pemper und – als Geschäftsführer von Schindlers Emailwarenfabrik – Abraham Bankier.[42][43] Nicht zuletzt war Stern an der Niederschrift der Namensliste, die den Schindlerjuden das Leben rettet, nicht in dem im Film gezeigten Maße beteiligt; tatsächlich wurde sie von Raimund Titsch geschrieben, einem Helfer Julius Madritschs, und später im KZ Groß-Rosen neu erstellt.[44] (Siehe auch: Itzhak Stern)

Zu den historischen Umständen, auf die der Film verzichtet, gehört, dass auch jüdische Lagerinsassen bestochen haben, um die Namen Anderer in der lebensrettenden Liste durch die eigenen Namen zu ersetzen.[45] Zudem lässt der Film nicht nur Keneallys Bericht aus, dass Schindler die Juden in Brünnlitz zwecks Verteidigung gegen die SS mit automatischen Waffen ausgerüstet hat, sondern auch, dass er – wie Keneally festhielt – zusätzlich zu seinen Zwangsarbeitern gegen Kriegsende auch die Rettung mehrerer Tausend anderer Juden aus Auschwitz mitarrangiert hatte.[46]

Der Film erzeugt beim Zuschauer die Vorstellung, dass erst Göths Eintreffen in Krakau Anfang 1943 das dortige Morden durch die SS in Gang gesetzt habe. Dies steht im Gegensatz zum Roman, demgemäß es schon Mitte 1942, also vor der Liquidierung des Krakauer Ghettos, einen Überfall der SS auf die Ghettobewohner gegeben hat. Anders als im Film dargestellt, war es entsprechend dem Roman dieser Überfall, den Schindler mit seiner Freundin von dem Hügel aus beobachtete und bei dem ihm das rot gekleidete Mädchen auffiel.[42]

Um die Übersiedelung der jüdischen Zwangsarbeiter und seines Betriebes nach Mähren zu erreichen, hat Schindler im Roman vor allem die Hürden von nationalsozialistischen Behörden in Berlin, Krakau und Mähren zu überwinden. Der Film hingegen vermittelt den Eindruck, dass Schindler Göth zur Verlegung des Betriebes die Arbeiter abkauft.[42] Und anders, als im Film dargestellt, war es nicht Oskar Schindler, der mit Diamanten nach Auschwitz gereist ist, um die Jüdinnen freizukaufen, sondern eine ihm nahestehende Frau.[44]

Während der Roman auch unterschiedliche Überlieferungen zum tatsächlichen Geschehen anbietet und dabei auf Pathos verzichtet, kennt der Film, worauf unter anderem der Literaturwissenschaftler Eckart Oehlenschläger hinwies, „keine hypothetischen Perspektiven […], sondern nur die Wirkung der größten Wucht“; der Regisseur transformiere das Geschehen zur „Helden-Legende“.[42] Die Heroisierung Schindlers durch den Film zeigt sich auch dadurch, dass seine Promiskuität parallel zu seiner moralischen Entwicklung verschwindet und er nach der Eröffnung seiner Fabrik in Brünnlitz als monogam inszeniert wird, obwohl der reale Schindler zu der erzählten Zeit weiterhin mindestens eine außereheliche Beziehung pflegte.[43]

Filmmusik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Filmmusik wird nach einem bestimmten Muster eingesetzt, wie es der Musikwissenschaftler Berner beschrieben hat. Demzufolge wird diegetische Popmusik – also von sichtbaren Instrumenten gespielte Musik – dazu genutzt, Hedonismus sowie Gier von Mitläufern und Umstehenden abzubilden. Zum Beispiel wird Oskar Schindler mit internationaler Popmusik aus den 1930er Jahren eingeführt, darunter dem Tango Por una cabeza, und damit auch als ein Dandy charakterisiert. Nichtdiegetische Musik, also Hintergrundmusik, dient dazu, Mitgefühl, Mut und Großzügigkeit darzustellen, zu ihr gehört auch das Hauptthema. Hingegen werden Lärm oder Stille dazu eingesetzt, Gewalt zu kennzeichnen, die insbesondere von Nazis ausgeht. Zu dem Lärm gehören die Geräusche von Lkw- oder Pkw-Motoren, pfeifende Dampflokomotiven, Maschinengewehrsalven und Einzelschüsse.[47]

Das Hauptthema des Soundtracks unterstreicht die Wandlung Schindlers von einem Nazi-Kollaborateur und -Profiteur hin zu einem heldenhaften, altruistischen Retter. So wird die Musik anfangs, bei Schindlers erstem Entschluss, ein älteres Paar vor seiner Deportation zu bewahren, noch behutsam und, nur von einer Gitarre gespielt, eingesetzt. Später dann, als Schindler mit Sterns Hilfe beginnt, die rettende Liste zu schreiben, erklingt die Musik deutlicher, nunmehr gespielt von dem Geiger Itzhak Perlman und orchestral begleitet. In der zweiten Hälfte des Films dient das Hauptthema dazu, das Happy End anzukündigen und zu unterstützen.[47]

An dem Soundtrack kommt durch verschiedene Stile jüdischer Musik eine ausgeprägte jüdische Identität und aschkenasische Tradition und damit auch die auf dokumentarische Wirkung zielende Strategie des Regisseurs zum Ausdruck. Zu den Musikstilen gehören neben der religiösen Musik des gesungenen Schabbat-Gebets am Filmbeginn auch die Stücke, die während der Auflösung des Krakauer Ghettos erklingen. Diese bestehen aus Klezmer-Musik, hier vor allem in Form des Klarinettensolos von Giora Feidman, und dem von einem Kinderchor gesungenen jiddischen Volkslied Oyfn pripetschik. Es wurde von Mark Warschawskyj im 19. Jahrhundert komponiert und war in der jüdischen Gesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg sehr populär, ehe es wegen bestimmter Textvarianten, die den Leidensweg des jüdischen Volks mit den Ereignissen der frühen 1940er Jahre verbinden, auch als ‚Ghettolied‘ bekannt wurde.[47][48]

Bilderverbot[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Diskussion darüber, ob der Holocaust mit den Mitteln der Kunst und damit auch des Spielfilms darstellbar sei, wurde schon lange vor dem Erscheinen von Schindlers Liste geführt, so auch rund um die Fernsehserie Holocaust. Prägend für die Debatte ist das Bilderverbot, auch Abbildungs- oder Darstellungsverbot genannt, demzufolge die Gräuel der Shoah bildlich nicht wiedergebbar seien. Es geht zurück auf das zweite der Zehn Gebote im Alten Testament der Bibel, welches Götzenbilder verbietet und dessen strenge Auslegung in der jüdischen Tradition zu einer Unterbetonung visueller Darstellungen führte, sodass das Wort als wesentliches künstlerisches Ausdrucksmittel verblieb. Das Bilderverbot beruht zudem auf Theodor W. Adornos 1951 veröffentlichter Aussage „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“, welche manche Rezipienten wörtlich als einen Bann gegen jegliche künstlerische Darstellung der Erfahrungen aus den Lagern verstanden. Dem Bilderverbot gegenüber steht das Erinnerungsgebot, also ein Beitrag zu einer Erinnerungskultur, die dem Ereignis angemessen ist.[49][50][51]

Mit seiner in Le Monde geäußerten Position, die Fiktion sei eine „Übertretung“ des Flammenkreises um den Holocaust und es sei „jede Darstellung verboten“, bekräftigte Claude Lanzmann das Bilderverbot nicht nur, sondern er weitete es auch zu einem Fiktionalisierungsverbot aus.[49] Sein Kernargument, demzufolge Spielberg dort Bilder eingesetzt habe, wo in Shoah keine gewesen seien, zog der Literaturwissenschaftler Manuel Köppen in Zweifel. Denn auch Shoah setze, so Köppen, Bilder ein, darunter mit Landschaften, Eisenbahnschienen und Zügen solche, bei denen es sich um „inszenierte Erinnerungsflächen“ handele und die nicht lediglich Zeugnisse dokumentierten. Lanzmanns Vorstellung, derzufolge Shoah die allein angemessene Form filmischer Annäherung sei und massenmediale Produkte wie Schindlers Liste ihren Gegenstand trivialisierten, gehöre zu den in ihrer Konsequenz fatalen, „ethisch-ästhetischen Polarisierungen“. Entgegen der von Lanzmann geäußerten Meinung, so Köppen resümierend, besetzten auch seine Aufnahmen als „Substitute des Nicht-Dargestellten“ das Bildergedächtnis und erweiterten damit das Repertoire der Holocaust-Bilder, insofern zeichne sich unter Schindlers Liste auch Shoah ab.[52]

Die Dozentin Miriam Bratu Hansen verstand Lanzmanns Kritik als Reduktion des Darstellbarkeitsproblems auf den bloßen Gegensatz zwischen Zeigen oder Nichtzeigen und vermisste dabei besonders die Dimension des Akustischen und die Rolle des Tons in der Produktion von Visualität. Eine Fülle von Asynchronisierungen des Tons wie das Sprechen einer Figur, das in ein Voiceover dokumentarischen Stils übergeht, riefen einen Effekt hervor, der „ein unmittelbares und totalitäres Verständnis von Realität“ vermittele.[53] Den Film nur wegen einer von vornherein begründeten Undarstellbarkeit abzulehnen, wäre eine vergebene Chance, die Signifikanz der Shoah in der Gegenwart und den anhaltenden, offenen Kämpfen zu verstehen, über die Vergangenheit erinnert werde.[54]

Lanzmanns Haltung gegen jede Abbildung der Massenvernichtung blieb eine Minderheitenmeinung.[55] Dem Film wurde zugeschrieben, das Bilderverbot beendet zu haben beziehungsweise eine Befreiung von selbigem zu repräsentieren. Sonja M. Schultz machte dafür die „hochprofessionelle Dramatisierung“ und die Gewaltinszenierung des Films verantwortlich.[56] Frank Bösch erklärte die Thematisierung der Vergasung, ohne sie abzubilden, zwar als eine erneute Grenzsetzung, gleichwohl aber auch als die Markierung des Endes des Bilderverbots.[55]

Universalisierung und Amerikanisierung des Holocaust[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Film wurde zugeschrieben, die Fragen aufzuwerfen, wie ein Individuum in einer Welt, die jeglichen moralischen Antrieb aufgegeben zu haben scheint, dennoch moralisch handeln könne und, – Bezug nehmend auf den im Film aufgesagten Talmud-Spruch – wie die Menschheit eine menschlichere Zukunft erreichen könne. Diese Fragen beziehungsweise Botschaften wurden als Enthistorisierung und Universalisierung des Holocaust verstanden, zentralen Merkmalen von transnationaler Erinnerungskultur am Ende des 20. Jahrhunderts. Insofern, so der Historiker Christoph Classen, seien der Holocaust und Auschwitz zu Chiffren des Übels schlechthin geworden – eine Entwicklung, in der Schindlers Liste einen Meilenstein darstelle.[57]

Besagte Universalisierung wird zudem als Synonym oder Teil der Amerikanisierung des Holocaust verstanden, einem unter Wissenschaftlern vieldiskutierten Prozess, in dem der Film neben der Holocaust-Fernsehserie und dem Washingtoner Holocaust-Museum eine wesentliche Stellung einnehme. Die Amerikanisierung des Holocaust wird neben seiner Universalisierung mit seiner Medialisierung,[58] Kommerzialisierung und Popularisierung erklärt, aber auch als Instrumentalisierung, Banalisierung, Trivialisierung, Disneyfizierung und McDonaldisierung kritisiert.[59]

Der US-amerikanische Dozent Michael André Bernstein sah in der Universalisierung des Holocaust ein Merkmal des von ihm sogenannten „Schindler’s List Effect“, eines von dem Film ausgehenden Effekts auf die Art und Weise, wie an den Holocaust erinnert werde. Sie zeige sich an Spielbergs wiederholter Äußerung, wonach der Film für Bosniaken oder Afroamerikaner ebenso relevant wie für Juden sei. Der Eifer, den Holocaust als eine Parabel universellen Leids zu interpretieren, lasse den typisch amerikanischen Drang danach erkennen, in jedem Ereignis eine erlösende Bedeutung zu finden. Derartige Auswirkungen verlangten, so Bernstein, einen „scharfäugigen und schamlosen Widerstand.“[60]

Beurteilung der zeitgenössischen Rezeption in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein wichtiger Gegenstand wissenschaftlicher Publikationen war auch die Rezeption des Films im Rahmen von dessen Erstveröffentlichung in Deutschland. Wissenschaftler beurteilten sie zum Beispiel als geprägt von Vereinnahmung. Der britische Dozent William J. Niven etwa sprach in diesem Zusammenhang von einer Instrumentalisierung des Films durch Kritiker und Politiker, die sich von dem Film unter anderem die Immunisierung gegen Neonazis oder den Beweis für bürgerlichen Widerstand und Philosemitismus erwünscht hätten.[61]

Journalistische Medien Deutschlands hatten Schindlers Liste als einen Film eingeordnet, der den Holocaust zum zentralen Thema habe beziehungsweise ein Film über den Holocaust sei.[62] Wissenschaftler wiesen das aber zurück und machten darauf aufmerksam, dass es sich vielmehr um eine Ausnahmegeschichte über die Rettungsaktion eines Einzelnen vor dem Hintergrund der Shoah handele.[63] In jener kritisierten Behauptung, wie auch dem Emporheben des Films zu einem – wie es etwa Andreas Kilb formulierte – „Ereignis der Zeitgeschichte“[64] durch manche Zeitungen glaubte der Politologe Peter Reichel eine zweifelhafte „Umdeutung der Ausnahmegeschichte zu einem filmisch-repräsentativen Gesamtpanorama mit schuldbefreiendem Ausblick“[65] zu erkennen: „Man sah, was man sehen wollte und erinnerungspolitisch offenbar dringend benötigte.“[65] Mitverantwortlich für die fragwürdige „Vereinnahmung des Films zu einem nationalen Ereignis“[65] sei auch die Zeit mit ihrem auch doppeldeutig verstehbaren Urteil zu Beginn der öffentlichen Debatte, demzufolge Spielberg mit seinem Film die Deutschen „von Holocaust erlöst“[66] habe.

Vor dem Hintergrund, dass der Film weltweit innerhalb kürzester Zeit „zum definitiven Ausgangspunkt und Rahmen“ vor allem für die pädagogische Auseinandersetzung mit dem Holocaust avanciert sei,[67] vermisste die Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Lohmann in der deutschen Presseberichterstattung eine ausreichend kritische Betrachtung des Films. Auch durch Politiker und Publizisten sei der Film den Nachwachsenden in einer „naiven Lektüre“ dargeboten worden. Auslassungen und Simplifikationen im Zuge der Mediatisierungen des Films, darunter der Adaption des Romans als Drehbuch, seien übersehen bzw. nicht zur Diskussion gestellt worden. Am Zögern, den Film kritisch zu betrachten, komme, so Lohmann, „eine gänzlich mißverstandene pädagogische – […] volkserzieherische – Haltung“ zum Ausdruck.[68]

Historiker verglichen die Aufnahme des Films in Deutschland mit der der Fernsehserie Holocaust. Matthias Weiß etwa äußerte die Auffassung, dass beim Diskurs um Schindlers Liste im Vergleich zu jenem um Holocaust von „‚Betroffenheit‘ im Sinne eines kollektiv-verbindlichen Angehens kaum mehr die Rede“[69] gewesen sei, sondern an „die Stelle der öffentlichen und inhaltsbezogenen Emotionalität […] die Abgeklärtheit eines Diskurses getreten“[69] sei, der von Fragen der Darstellung und der Authentizität der Erinnerung geprägt gewesen sei. „Das kollektive Gedächtnis“, so Matthias Weiß weiter, „hatte offenbar seine nationale Spontaneität verloren und war Teil eines selbstreflexiven Mediendiskurses geworden, der die Fortdauer der kollektiven Erinnerung an die deutschen Verbrechen zugleich ermöglichte und reflektierte.“[69] Während bei Holocaust Reaktionen aufgetreten seien, die auf das Fortbestehen einer noch vorhandenen Kontinuität mit dem mentalen Kontext der NS-Verbrechen hingewiesen hätten, sei Spielbergs Film auf eine Gesellschaft getroffen, bei der es ein hohes Maß an Bereitschaft gegeben habe, sich der Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit zu stellen.[70]

Der Literaturhistoriker Christoph Weiß verglich die Reaktionen auf den Film mit jenen auf Peter Weiss’ Theaterstück Die Ermittlung von 1965, das den ersten der Frankfurter Auschwitzprozesse thematisiert, und hob dabei Hellmuth Karaseks Urteile hervor. Hatte Karasek als Theaterkritiker der Stuttgarter Zeitung die Frage der Darstellbarkeit von Auschwitz mit dokumentarischen oder fiktionalen Mitteln 1965 noch prinzipiell verneint, so hatte er 1994, mittlerweile leitender Kulturredakteur des Spiegel, Spielbergs Film gelobt und ihn unter anderem als „die Wahrheit der Kunst“ angepriesen. Dieser signifikante Wechsel in der Auffassung, so Christoph Weiß, lege nahe, dass das „Inkommensurable […] im Prozeß der ›Historisierung‹ kommensurabel und konsumierbar geworden“ sei.[71]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Traugott Roser: Konversion als wiederkehrendes Motiv in den Filmen von Steven Spielberg, in: Praktische Theologie Nr. 4/2019 (54. Jg.), S. 217–221, hier: S. 220
  2. Tonin 1997, S. 41
  3. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen tonin1997-s44.
  4. Kramer 1999, S. 9
  5. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen kramer1999-s13.
  6. Tonin 1997, S. 49
  7. a b Martínez 2004, S. 55
  8. Kramer 1999, S. 36
  9. Thomas Elsaesser: Subject Positions, Speaking Positions: From HOLOCAUST and HEIMAT to SHOAH and SCHINDLER'S LIST, in: Vivian Sobchack (Hrsg.): The Persistence of History. Cinema, television, and the modern event (Reihe AFI film readers), Routledge, New York 1996, ISBN 0-415-91084-6, S. 145–183, hier: S. 177 f., Originalzitat von S. 178: „almost mythic authority“
  10. Peter Schulze: Geschichts-Schichtungen. Zur Darstellung des Holocaust bei Steven Spielberg und Roman Polanski, in: Giesenfeld und Koebner 2004, S. 61–75, hier: S. 69 f.
  11. Christoph Classen: Balanced Truth: Steven Spielberg’s Schindler’s List among History, Memory, and Popular Culture, in: History and Theory Nr. 2 von 2009 (48. Jg.), Themenausgabe 47, S. 77–102, hier: S. 94
  12. a b Tonin 1997, S. 46
  13. Gonshak 2015, S. 205
  14. Corell 2009, S. 251
  15. José Díaz-Cuesta Galián: Man as Rescuer and Monster in Steven Spielberg's Film Text Schindler's List, in: Journal of English Studies, 5./6. Jg. 2005–2008, S. 63–81, hier: S. 71 f.
  16. a b Eric Sterling: All Rules Barred: A Defense of Spielberg's Schindler's List, in: Film & History: An Interdisciplinary Journal of Film and Television Studies Nr. 2/2002 (32. Jg.), S. 62–71, hier: S. 65
  17. McBride 2010, S. 428 f., Zitat von S. 429: „Jewish bitch“
  18. Sara R. Horowitz: But is it Good for the Jews? Spielberg’s Schindler and the Aesthetics of Atrocity, in: Loshitzky 1997, S. 119–139, hier: S. 125
  19. Gonshak 2015, S. 204
  20. Morris 2007, S. 226 f., darin wiedergegebenes Originalzitat (S. 226) von S. R. Horowitz: „out of a Nazi propaganda poster on eugenics and racial science“
  21. Kramer 1999, S. 10
  22. Judith E. Doneson: The Image Lingers: The Feminization of the Jew in Schindler’s List, in: Loshitzky 1997, S. 140–152, hier: S. 143 und 145
  23. Noack 1998, S. 99–101
  24. Noack 1998, S. 101 f.
  25. Noack 1998, S. 104
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  27. Noack 1998, S. 109
  28. Korte 2010, S. 197
  29. Köppen 1997, S. 158
  30. a b Martínez 2004, S. 51
  31. Martínez 2004, S. 56
  32. Martínez 2004, S. 58
  33. a b Yosefa Loshitzky: Holocaust Others: Spielberg's Schindler's List versus Lanzmann's Shoah, in: Loshitzky 1997, S. 104–118, hier: S. 109 f.
  34. Corell 2009, S. 258–260
  35. Ora Gelley: Narration and the Embodiment of Power in “Schindler's List”, in: Film Criticism Nr. 2 von 1997/98 (22. Jg.), S. 2–26, hier: S. 17–20
  36. Ebbrecht 2011, S. 188
  37. Ebbrecht 2011, S. 188–191
  38. Ebbrecht 2011, S. 198
  39. a b Sabine Moller: Zeitgeschichte sehen. Die Aneignung von Vergangenheit durch Filme und ihre Zuschauer (Deep focus, Nr. 27), Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-86505-330-5, S. 136
  40. Schultz 2012, S. 241
  41. Ebbrecht 2011, S. 194 f.
  42. a b c d Eckart Oehlenschläger: Steven Spielbergs Film Schindlers Liste: „Based on the novel by Thomas Keneally“. In: Berghahn, Schneider et al. 2002, S. 97–110, Zitate in selber Reihenfolge von S. 100 (von T. Keneally), 106 (zwei) und 109
  43. a b Martínez 2004, S. 52
  44. a b Michael Wildt: The Invented and the Real: Historiographical Notes on Schindler’s List, in: History Workshop Journal Nr. 41 von 1996, S. 240–249, hier: S. 246
  45. Martínez 2004, S. 53
  46. Daniel Mark Fogel: ‘Schindler’s List’ in novel and film: Exponential conversion, in: Historical Journal of Film, Radio and Television Nr. 3/1994 (14. Jg.), S. 315–320, hier: S. 317
  47. a b c Elias Berner: ‘Remember me, but forget my fate’ – The use of music in Schindler’s List and In Darkness. In: Holocaust Studies, Spezialausgabe Contemporary Holocaust Film, 2019, S. 1–15, hier: S. 3–7
  48. Bettina Schlüter: Erzählstrategische Funktionen der Filmmusik in Schindlers Liste, in: Berghahn, Schneider et al. 2002, S. 83–96, hier: S. 85
  49. a b Nuy 2004, hier: S. 301
  50. Bresheeth 1997, S. 199 f.
  51. Morris 2007, S. 217
  52. Köppen 1997, S. 164 f.
  53. Hansen 1997, S. 85 f., Originalzitat von S. 86: „[still undercuts the effect of] an immediate and totalitarian grasp on reality“
  54. Hansen 1997, S. 99
  55. a b Bösch 2007, S. 20
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  57. Classen 2009, S. 99 ff.
  58. Ohne Autor: Einleitung, in: Hilene Flanzbaum (Hrsg.): The Americanization of the Holocaust, Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 978-0-8018-6022-5, S. 5
  59. Sznaider 2003, S. 224 ff.
  60. Michael André Bernstein: The Schindler's List Effect, in: The American Scholar Nr. 3/1994 (63 Jg.), S. 429–432, Originalzitat von S. 432: „sharp-eyed and unembarrassed resistance.“
  61. Niven 1995, S. 183 f.
  62. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen spiegel-1994-02-21.
  63. Helmut J. Schneider: Den Toten ein Gesicht geben? Zum Problem der ästhetischen Individualisierung in Schindlers Liste und der Holocaust-Fernsehserie, in: Berghahn, Schneider et al. 2002, S. 69–82, hier: S. 78
  64. Zitat von A. Kilb, wiedergegeben in: Reichel 2004, S. 316
  65. a b c Reichel 2004, S. 317
  66. Zitat aus Die Zeit, wiedergegeben in: Reichel 2004, S. 317
  67. Lohmann 1995, S. 205
  68. Lohmann 1995, S. 218 f.
  69. a b c Weiß 2001, S. 88
  70. Weiß 2001, S. 88 f.
  71. Christoph Weiß: Nachwort (zu einem ›Abschlußbericht‹), in: Weiß 1995, S. 291–306, hier: S. 305 f., Zitat von H. Karasek von S. 298, Zitat von C. Weiß von S. 306