Betongelenk

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Betongelenk
Betongelenk mit Stirnseitenkerben
Probekörper eines Betongelenks bei der Talbrücke Weißenbrunn
Gelenkhals des Probekörpers

Ein Betongelenk ist ein Festkörpergelenk bzw. ein Fließgelenk aus (Stahl-)Beton, es umfasst den Bereich der Einschnürung eines (Stahl-)betonquerschnittes, die eine Verdrehung ohne nennenswerte Biegebeanspruchung zulässt.[1] Diese für Betonquerschnitte hohe Verdrehbarkeit[2] resultiert einerseits aufgrund der kontrollierten Zugrissbildung, anderseits auch aufgrund von Kriechen.[3][4][1] Es wird insbesondere im Brückenbau[1] als monolithische, einfache und preiswerte Alternative zu einem unverschieblichen Linienkipplager verwendet.

Die Kontaktstellen in den Längsfugen von Tübbings werden auch als Betongelenke betrachtet.[1]

Ein Betongelenk besteht aus dem Einschnürungsbereich (Gelenkhals) und den angrenzenden Verteilbereichen (Gelenkköpfe).

Geschichte und heutige Regelwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Betongelenke erfand Freyssinet.[5][6][1][4] Leonhardt formulierte in den 1960er Jahren Bemessungsrichtlinien,[7] die bis heute angewendet werden.[1] Janßen führte ihre Anwendung im Tunnelbau ein.[8][4] Gladwell entwickelte ein weiteres Bemessungsmodell, das eine steifere Vorhersage für die Verformungen macht als das Leonhardt/Janßen-Modell.[4] Marx und Schacht übertrugen Leonhardts Regelwerke erstmals in das semipropabilistische Sicherheitskonzept. Schlappal,[4] Kalliauer[1] und Koautoren erbrachten erstmals Gebrauchstauglichkeits- wie auch Tragfähigkeitsnachweise. Das Tragverhalten mit einem mechanisch konsistenten Modell auf Basis der Plastizitätstheorie beschreiben erstmals Kaufmann, Markić und Bimschas.[9]

Spannungen, Verdrehbarkeit, Traglast[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Tragwirkung beruht darauf, dass im Gelenkhals die Festigkeit des Betons aufgrund dreiachsiger Druckbeanspruchung[3] wesentlich höher ist als bei einachsiger Druckbeanspruchung, wo eine Querdehnung möglich ist.[1] So erlaubt der Eurocode 2 für übliche Betongelenksabmessungen Normalspannungen, die in etwa dem Doppelten der einaxialen Druckfestigkeit entsprechen.[1]

Während der Gelenkhals unbewehrt sein kann,[1] benötigen die Gelenkköpfe aufgrund der senkrecht zur Normalkraft auftretenden Spaltzugkräfte eine entsprechende Bewehrung.[10]

Bekannte Brücken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Betongelenke werden in Deutschland insbesondere bei Brücken bis 15 Meter Stützweite angewendet.

Bekannte Großbrücken mit Betongelenken sind unter anderem

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fritz Leonhardt: Vorlesungen über Massivbau – Teil 2 Sonderfälle der Bemessung im Stahlbetonbau. Springer-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-540-16746-3, S. 123–132.
  • VPI: Der Prüfingenieur. Ausgabe April 2010, S. 15–26, bvpi.de (PDF; 2,3 MB).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Betongelenk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j Johannes Kalliauer, Thomas Schlappal, Markus Vill, Herbert Mang, Bernhard Pichler: Bearing capacity of concrete hinges subjected to eccentric compression: multiscale structural analysis of experiments. In: Acta Mechanica. Band 229, Nr. 2. Springer Nature, 1. Februar 2018, ISSN 1619-6937, S. 849–866, doi:10.1007/s00707-017-2004-3 (amerikanisches Englisch, link.springer.com [PDF] Zeitstempel 6. März 2018).
  2. Experimente bis teilweise über 50 mrad wurden von Schlappal et al. durchgeführt, s. Fig. 11: T. Schlappal, M. Schweigler, S. Gmainer, M. Peyerl, B. Pichler: Creep and cracking of concrete hinges: insight from centric and eccentric compression experiments. In: Materials and structures. Band 50, Nummer 6, 2017, S. 244, doi:10.1617/s11527-017-1112-9, PMID 29213209, PMC 5700241 (freier Volltext).
  3. a b Johannes Kalliauer, Thomas Schlappal, Herbert A. Mang, Bernhard Pichler: Parameter identification as the basis for Finite Element simulations of Ultimate Limit States of concrete hinges. In: Günther Meschke, Bernhard Pichler, Jan G. Rots (Hrsg.): Computational Modelling of Concrete Structures: Proceedings of the Conference on Computational Modelling of Concrete and Concrete Structures (EURO-C 2018), February 26 – March 1, 2018, Bad Hofgastein, Austria. Euro-C2018. CRC Press, 2018, S. 689 (amerikanisches Englisch, crcpress.com [abgerufen am 6. März 2018]).
  4. a b c d e Thomas Schlappal, Michael Schweigler, Susanne Gmainer, Martin Peyerl, Bernhard Pichler,: Creep and cracking of concrete hinges: insight from centric and eccentric compression experiments. In: Materials and structures. Band 50, Nr. 6. Springer, 2017, S. 244, doi:10.1617/s11527-017-1112-9, PMC 5700241 (freier Volltext) – (amerikanisches Englisch).
  5. Eugène Freyssinet: Le pont de Candelier (The bridge of Candelier). In: Ann Ponts Chaussées. Band 1, 1923, S. 165 f. (französisch).
  6. Eugène Freyssinet: Naissance du béton précontraint et vues d’avenir. In: Travaux, Juni. 1954, S. 463–474 (französisch).
  7. Fritz Leonhardt, Horst Reimann: Betongelenke: Versuchsbericht; Vorschläge zur Bemessung und konstruktiven Ausbildung. Kritische Spannungszustände des Betons bei mehrachsiger, ruhender Kurzzeitbelastung. Ernst, 1965.
  8. Pieter Janßen: Tragverhalten von Tunnelausbauten mit Gelenktübbings. Dissertation, Technische Universität Braunschweig, 1983.
  9. Walter Kaufmann, Tomislav Markić, Martin Bimschas: Betongelenke – Stand der Technik und Entwicklungspotential. Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich, Februar 2017 (ethz.ch [PDF]).
  10. Johannes Kalliauer: Insight into the structural behavior of concrete hinges by means of Finite Element simulations. TU Wien - Vienna University of Technology, Wien 29. April 2016 (amerikanisches Englisch).