Blasius Marsoner

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Blasius Marsoner

Blasius Marsoner (ital. Biagio[1], Kinder- und Rufname „Blasi“[2]) (* 9. Januar 1924 St. Pankraz (Südtirol); † 21. September 1991 in Meran) war ein Autodidakt, Dichter, Lokalhistoriker und Übersetzer der Göttlichen Komödie von Dante Alighieri.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blasius Marsoner wurde am 9. Jänner 1924 in St. Pankraz als Sohn des Ehepaars Blasius Marsoner (1878–1942) und Klara Windegger (1884–1963) geboren. Die Eltern bewirtschafteten den Tschahaunhof, westlich von St. Pankraz auf 750 m. ü. M. gelegen, welcher sich seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Besitz der Familie Marsoner befand.

Ausbildungsversuche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blasius Marsoners streng religiöse Erziehung weckte in ihm früh den Wunsch, Priester zu werden, weswegen er im Herbst 1937 vom Dorfpfarrer Josef Linder für das Knabenseminar Johanneum in Dorf Tirol angemeldet wurde, welches er wegen Heimwehs nach kurzer Zeit wieder verließ. Ab Herbst 1942 besuchte Marsoner die Landwirtschaftsschule in Dietenheim[3], wo er aus dem gleichen Grund nur bis Weihnachten blieb. Von da an blieb Marsoner auf dem Tschahaunhof, obschon ihm die Arbeit auf dem Hof zu schwer war. Vom Wehrdienst wurde er auf Betreiben seiner ihn umsorgenden Mutter[4] befreit.

Blasius Marsoner

Autodidakt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blasius Marsoner bildete sich selbst weiter und eignete sich ein vielfältiges historisches und literarisches Wissen an. Aus Marsoners Handbibliothek[5], dessen ca. 350 Bücher er sich zwischen 1940 und 1960 zugelegt hatte, befinden sich literarische Werke aus der griechisch-römischen Welt, des Mittelalters und der Gegenwart, zur italienischen und deutschen Kunstgeschichte und zur Religion und Kirchengeschichte. Marsoner erlernte selbständig Fremdsprachen, wie (Italienisch, Lateinisch, Englisch und Französisch). Er brachte sich selbst das Spiel auf dem Harmonium und der Gitarre bei. Er wurde zum Erlernen des Orgelspiels nach Meran geschickt, trug aber aus Scheu nie öffentlich vor.

Lokalhistoriker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus dem Studium der Werke der Tiroler Historiker Josef Egger, Josef Tarneller, Beda Weber, Johann Jakob Staffler, Karl Atz, Adelgott Schatz, Ludwig Steub, Hans Matscher sowie anhand alter Quellen erarbeitete Marsoner eine heimatkundliche Geschichte Ultens und des Ultentals[6].

Dichter und Essayist[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marsoners Nachlass umfasst 140 Gedichte auf 200 Seiten, welche die Themen Religion, Fortleben, Schuldgefühle, Tod, Heimat, Natur, Vergänglichkeit u. a. umfassen. Die Essays, die zwischen 1946 und 1951 entstanden, enthalten philosophische und religiöse Abhandlungen[7].

Übersetzer der Göttlichen Komödie von Dante Alighieri[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mehr als 15 Jahre lang arbeitete Marsoner an der Übersetzung der Divina Commedia (vermutlich von 1953 bis 1965 am Inferno und Purgatorio und von 1965 bis 1968 am Paradies[8]), für die er die volkstümliche Strophe bestehend aus vier vierfüßigen Reihen mit der Reimordnung [aabb] wählte. „Der vierfüßige Jambus ist gerade in seiner Schlichtheit sehr einprägsam, und ich bin fast versucht, ihn als die urdeutsche Versform zu bezeichnen.“[9]

In Mitt’ des Lebensweges fand
ich mich in einem dunklen Land,
in einem dichten Wald gefangen,
weil ich vom rechten Weg gegangen.

Ach! hart zu sagen, wie er war,
der wilde Wald, des Lichtes bar,
so rauh, so weit er sich erstreckt,
daß er, denk’ ich daran, mich schreckt.

So herb ist er, wohin man blickt,
daß selbst der Tod kaum bittrer drückt;
doch eh ich meld’ vom Heil, das kam,
meld’ andres ich, das wahr ich nahm.[10]

Zeitlebens lehnte es Blasius Marsoner ab, seine Übersetzung zu veröffentlichen. An der Dante-Alighieri-Feier zum 700. Geburtstag am 11.3.1965 in der Tiroler Industrie- und Handelskammer in Innsbruck[11] wurde er durch die Rezitation der Francesca da Rimini-Episode[12] in seiner Übersetzung geehrt. Eine spätere Verleihung der Ehrendoktorwürde für seine Verdienste um die Nachdichtung der Göttlichen Komödie lehnte Marsoner aus Bescheidenheit ab.

Die insgesamt 18.980 Verse wurden unter der gestrengen Aufsicht von Marsoner von der Innsbrucker Ärztin Gerda Foltin geborene Hartung von Hartungen (1908–1986), die jahrelang mit ihm im gleichen Haushalt lebte, aufgrund des Manuskripts abgetippt.[13]

Marsoner erwähnt in seinem Vorwort diverse deutsche Übersetzungen der Göttlichen Komödie, von denen sich einige in seiner Handbibliothek befanden.[14]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hymnus auf das Sein [Gedicht]. In: Tiroler Nachrichten Jg. 83 vom 10. April 1965, S. 11.
  • Dante Göttliche Komödie aus IV. Gesang Vergils Mitleid für die Verlorenen. In: Novum – Neues und Erneuertes. Innsbruck: Turmbund Jg. 83 (1964/65)
  • Dante-Nachdichtung von Blasius Marsoner: Auszüge. In: Innsbrucker Beiträge zu Dante. Innsbruck 1967, S. 35–50.
  • Gedichtauszüge. In: ’s Pankrazer Blattl Oktober/November 1997, S. 20 f.
  • Dante. Die göttliche Komödie neu übersetzt in vierfüßigen Jamben von Blasius Marsoner. Hrsg. Anna Johanna Schwellensattl und Gerhard Clara, St. Pankraz (ab 2022), Privatdruck.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • In memoriam Blasius Marsoner (1924–1991). Eine Persönlichkeit aus St. Pankraz/Ulten. Hrsg. v. Verein für Kultur und Heimatpflege St. Pankraz in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Künstlerbund 2021
  • Alois Egger, Ferruccio Delle Cave: Blasius Marsoner. Mensch, Dichter, Denker aus St. Pankraz/Ulten (1924–1991). Selbstzeugnisse und Bilddokumente. St. Pankraz 2021

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Briefanschrift an „Biagio Marsoner, Ospedale Militare, Verona“, in: Blasius Marsoner (1924–1991). Eine Persönlichkeit aus St. Pankraz/Ulten, 2021. S. 47.
  2. „Blasi war ein ruhiger und sehr intelligenter Bub […].“; „Tschahaun Blasi“. Quelle: op. cit. S. 43 und S. 77
  3. Heute „Scuola professionale per l'agricoltura, l'economia domestica e agroalimentare Teodone“ in Brunico.
  4. „Nach einer Fehlgeburt war Blasius das Wunschkind der Familie Marsoner auf dem Tschahaunhof, umso besorgter war die Mutter um ihren kleinen Blasius. Die Mutter hatte ihn im guten Glauben verwöhnt, so dass Blasius ihr in späteren Jahren den Vorwurf machte: ‚Warum habt ihr mich so verwöhnt‘“. Quelle: op. cit. S. 40
  5. Die Handbibliothek wurde dem Verein für Kultur und Heimatpflege St. Pankraz übergeben und bibliografisch erfasst. Quelle: op. cit. S: 117–118
  6. Kurzer Abriss der Geschichte Ultens von Blasius Marsoner (unveröffentlicht) sowie Das Ultental. Beiträge zur Heimatkunde (diese Beiträge wurden in den 60er-Jahren in der Tageszeitung Alto Adige abgedruckt).
  7. Die meisten Texte Marsoners blieben unveröffentlicht, können aber in der öffentlichen Bibliothek St. Pankraz in Ulten und im Archiv des Künstlerbundes in Bozen (Nachlass Dr. Alfred Gruber) eingesehen werden.
  8. Das Vorwort trägt das Datum 8. September 1953. Quelle: op. cit. S. 57–59 inkl. Abdruck des Vorworts.
  9. Aus dem „Vorwort zur Übersetzung“ vom 8. September 1953.
  10. Inferno I, 1-9
  11. Organisiert durch den Turmbund (Gesellschaft für Literatur und Kunst), das Italienische Kulturinstitut, das Institut für Romanische Philologie an der Universität Innsbruck und die Volkshochschule Innsbruck.
  12. Inferno V
  13. Das Typoskript wurde später durch Anna Johanna Schwellensattl Clara und Gerhard Clara digitalisiert (fertiggestellt am 2.8.2021) und ab 2022 als Privatdruck herausgegeben. Eintrag im Katalog der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol
  14. Lebrecht Bachenschwanz (1767), Philalethes (1939), Karl Witte (1865), Otto Gildemeister (1891), Alfred Bassermann (1921), Hermann Gmelin (1949), Hermann A. Prietze (1953), August Vezin (1955). Auch die Dante-Übersetzungen von Stefan George und Rudolf Borchardt waren Marsoner bekannt.