Bruno Weigandt

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Bruno Weigandt (* um 1885; † um 1975) war ein deutscher Offizier und Kaufmann. 1923 bis 1928 war er kaufmännischer Direktor der Chiffrier­maschinen AG (ChiMaAG), also des Unternehmens, das in den 1920er-Jahren die Rotor-Chiffriermaschine Enigma entwickelte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Enigma D war die Umkehrwalze (links) noch „setzbar“, also von Hand einstellbar.

Bruno Weigandt leistete bei der Preußischen Armee Militärdienst und wurde am 17. September 1906 zum Leutnant befördert. Ab 1909[1] beim Feldartillerie-Regiment General-Feldmarschall Graf Waldersee (Schlesw.) Nr. 9 in Itzehoe stationiert, wurde er 1913[2] zum 3. Lothr. Feldartillerie-Regiment Nr. 69 nach Sankt Avold versetzt. Mit diesem Regiment zog er in den Ersten Weltkrieg und wurde dort mit Patent vom 14. April 1916[3] zum Hauptmann befördert. Nach dem Krieg wurde er 1921[4] aus dem Militärdienst entlassen und war damit außer Dienst (a. D.). Von 1917 bis 1929 war Weigandt in Berlin wohnhaft gemeldet.[5]

Als am 9. Juli 1923[6] in Berlin die ChiMaAG gegründet wurde, trat er als Direktor in deren Vorstand ein.[7]

Im Gegensatz zu den Elektroingenieuren in der Firma, wie Arthur Scherbius, dem Erfinder der Enigma, und Ernst Richard Ritter, war der Kaufmann Weigandt eher für die geschäftlichen Aspekte des Unternehmens verantwortlich als für die technischen oder kryptologischen. Am 28. März 1927 vertrat er die ChiMaAG in einer wichtigen Besprechung im Reichswehrministerium (RWM). Seine Gesprächspartner von der Chiffrierstelle (Chi) der Heeresleitung waren dort der Kryptologe Wilhelm Fenner sowie Leutnant Walther Seifert. Thema war die Ausgestaltung der Enigma-Maschine (siehe auch: Enigma-D) in Hinblick auf eine zukünftig ausschließlich militärisch zu nutzende kryptographisch gestärkte Version. Dies mündete in die Enigma I, die dann drei Jahre später offiziell in Dienst gestellt wurde.

Die Weigandt-Abmachung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gesprächspartner vereinbarten in einer geheimen „Vorläufigen Abmachung“[8] hierzu Punkte zur Abänderung der Enigma, die hier sinngemäß, aber gekürzt und umformuliert, wiedergegeben sind:

(1) Die Änderungen sind Eigentum der Heeresverwaltung.
(2) Chi schlägt folgende Änderungen vor:
(a) Die Umkehrwalze (UKW) wird fest eingebaut.
(b) Zwischen Tastatur und Eintrittswalze (ETW) wird ein „Schaltbrett“ eingefügt.
(3) Herr Direktor Weigandt erklärt, dass sich die Tiefe der Maschine um höchstens 5 cm ändern wird.
(4) Herr Direktor Weigandt erklärt, dass
(a) die Änderungen exklusiv für Maschinen für das RWM durchgeführt werden und
(b) diese Tatsache geheim gehalten wird und
(c) die Fabrikation im Geheimen erfolgt.
(5) ChiMaAG ihrerseits schlägt vor, die UKW abzuändern, so dass deren Verdrahtung veränderlich wird.

Folgen der Abmachung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Enigma I ist die UKW fest eingebaut und von außen nicht mehr erreichbar. Dafür befindet sich nun ein „geheimes“ Steckerbrett an der Frontplatte.

Die Abmachung, die von Weigandt, Seifert und Fenner unterzeichnet wurde, beeinflusste die Gestaltung der Enigma I. Durch den festen Einbau der UKW (Punkt 2a) verwehrte man sich die Möglichkeit, diese leicht durch den Anwender austauschen zu können. Auch war sie nicht länger „setzbar“, das heißt durch manuelle Drehung auf einen der 26 Großbuchstaben des lateinischen Alphabets einstellbar. Dadurch wurde der Schlüsselraum, also die Anzahl der möglichen Einstellungen, für die gesamte Maschine reduziert.

Umgekehrt führte das „Schaltbrett“ (Punkt 2b), aus dem etwas später das Enigma-Steckerbrett entstand, zu einer Vergrößerung der kombinatorischen Komplexität der Maschine. Es stärkte also die Sicherheit der Verschlüsselung. Allerdings war diese Stärkung weitaus geringer als die Anzahl der Möglichkeiten, die durch es hinzukamen, vermuten lässt. Die Geheimhaltung (Punkt 4) ist ein übliches militärisches Mittel, steht jedoch im Widerspruch zu Kerckhoffs’ Prinzip, das besagt: Die Sicherheit eines Kryptosystems darf nicht von der Geheimhaltung des Algorithmus abhängen. Die Sicherheit gründet sich nur auf die Geheimhaltung des Schlüssels. Claude Shannon formulierte viel später prägnant: „the enemy knows the system being used“ (deutsch „Der Feind kennt das benutzte System“).[9] Wie die Praxis zeigt, gelingt es nicht, den Aufbau einer Schlüsselmaschine auf Dauer geheim zu halten. Sie ist daher unter der von Shannon formulierten Annahme möglichst sicher zu gestalten.

Dazu hätte tatsächlich eine UKW mit veränderlicher Verdrahtung (Punkt 5) wesentlich beitragen können. Dieser Vorschlag der ChiMaAG wurde jedoch vom RWM niemals aufgegriffen. Erst sehr viel später, im Jahr 1944, wurde die „stöpselbare“ Umkehrwalze D (UKWD) eingeführt, und damit dieser Vorschlag umgesetzt. Allerdings musste sie zur Änderung der Verdrahtung (im Jargon genannt: „Walzenschaltung“) ausgebaut werden. Das war umständlich und unbequem. Wohl deshalb wurde die UKWD nur selten benutzt und deren Schaltung auch nur etwa alle zehn Tage geändert. Im Jahr 1927 wäre es noch relativ leicht möglich gewesen, ein entsprechendes Steckbrett für die UKW außen an der zu modifizierenden Maschine konstruktiv vorzusehen. Damit wäre es dann möglich gewesen, die Walzenschaltung zu einem integralen Bestandteil des Tagesschlüssels zu machen.

In der Folge führte diese Abmachung, deren Nachteile wohl auch von den eher technisch orientierten Mitarbeitern der ChiMaAG erkannt wurden, zu einem Zerwürfnis innerhalb des Unternehmens. Bruno Weigandt schied aus dem Vorstand aus und am 8. März 1928 auch aus der Firma.[10]

Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Olaf Ostwald und Frode Weierud: History and Modern Cryptanalysis of Enigma's Pluggable Reflector. Cryptologia, 40:1, 2016, S. 70–91, doi:10.1080/01611194.2015.1028682 PDF; 4 MB (englisch).
  • Claus Taaks: Scherbius and the Enigma – Political, Economic and Military Conditions. Proceedings of the 6th International Conference on Historical Cryptology HistoCrypt 2023, S. 170–179, PDF; 253 kB (englisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Aktie der ChiMaAG vom August 1923, unterschrieben von Weigandt (unten rechts).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rangliste der Königlich Preußischen Armee und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armeekorps für 1909. Mit den Dienstalterslisten der Generale und der Stabsoffiziere [...]. Nach dem Stande vom 6. Mai 1909, Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, Berlin 1909, S. 407.
  2. Rangliste der Königlich Preußischen Armee und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armeekorps für 1913. Mit den Dienstalterslisten der Generale und der Stabsoffiziere [...]. Nach dem Stande vom 6. Mai 1913, Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, Berlin 1913, S. 451.
  3. Dienstalters-Liste der Offiziere der Königlich Preußischen Armee und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Korps 1918, Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, Berlin 1918, S. 170.
  4. Berliner Adressbuch 1921. Zweiter Band, August Scherl Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m.b.H., Berlin 1921, S. 3262
  5. Berliner Adressbücher Jahrgänge 1917 bis 1928
  6. Louis Kruh, Cipher Deavours: The commercial Enigma – Beginnings of machine cryptography. Cryptologia, XXVI, 1, 2002, doi:10.1080/0161-110291890731, S. 1. PDF; 0,8 MB, abgerufen am 11. Januar 2024.
  7. Claus Taaks: Scherbius and the Enigma – Political, Economic and Military Conditions. HistoCrypt, 2023, S. 174.
  8. Weigert, Seifert und Fenner: Vorläufige Abmachung. PDF; 187 kB, abgerufen am 11. Januar 2024.
  9. Claude Shannon: Communication Theory of Secrecy Systems. Bell System Technical Journal, Vol 28, 1949 (Oktober), S. 662.
  10. Olaf Ostwald und Frode Weierud: History and Modern Cryptanalysis of Enigma's Pluggable Reflector. Cryptologia, 40:1, 2016, S. 72–73.