Carmen Franco y Polo

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Foto von drei Personen
Foto ihres Besuchs in Helsinki (links, 1971)

María del Carmen Franco Polo (* 14. September 1926 in Oviedo; † 29. Dezember 2017[1] in Madrid) war die Tochter des spanischen Diktators General Francisco Franco und von Carmen Polo y Martínez-Valdés. Aus ihrer Ehe mit dem Chirurgen Cristóbal Martínez Bordiú, Marquis de Villaverde, stammen sieben Kinder, darunter María del Carmen Martínez-Bordiú y Franco, ab 1972 mit Alfons Jaime de Borbón verheiratet. Sie und ihre Familie sind dadurch mit dem spanischen Königshaus Bourbon-Anjou unter Felipe VI. verwandt. Spaniens König Juan Carlos I. verlieh ihr nach dem Tod ihres Vaters den AdelstitelHerzogin von Franco und Grande von Spanien“.[2]

Um Carmen Franco Polo kursierten stets Gerüchte, sie sei nicht das leibliche Kind von Carmen Polo und Francisco Franco, der 1916 eine Unterleibsverletzung erlitten hatte. In Wirklichkeit sei sie aus einer Affäre von Ramón Franco hervorgegangen und dann von seinem Bruder und dessen Frau aufgezogen worden.[3] Gemäß dem Historiker Stanley Payne handelt es sich hierbei aber um eine Zeitungsente.[4]

Carmen Franco Polo führte die Stiftung „Fundacion Nacional Francisco Franco“. Ihr wurde immer wieder vorgeworfen, die Jahre der Diktatur unter ihrem Vater zu verherrlichen. 2008 veröffentlichte sie eine Biografie über ihren Vater.[5] Carmen Franco Polo gilt als Identifikationsfigur der Anhänger des Franquismus.[6] Jährlich am 20. November („20-N“), dem Todestag ihres Vaters, war sie Ehrengast der von tausenden Faschisten begangenen Feierlichkeiten in der unterirdischen Basilika im Valle de los Caídos[7], die bis ins Jahr 2019 noch die letzte Ruhestätte des Diktators war.[8]

Carmen Franco Polo und ihre Stiftung standen regelmäßig im Zentrum von Kritik. Obwohl die Stiftung revisionistisch z. B. den Putsch der rechtsgerichteten Militärs unter Franco als „bewaffnete Volksabstimmung“ und „legitime nationale Erhebung“ feiert und ähnliche Schönfärberei für die Epoche Spaniens betreibt, in der laut dem Historiker Borja de Riquer 140.000 Spanier im Terror von Falange, Guardia Civil und anderen faschistischen Organisationen im Franquismus hingerichtet wurden, wurde sie unter der Regierung José María Aznar bis 2004 vom spanischen Ministerium für Bildung, Kultur und Sport finanziell gefördert. Das Ministerium begründete die Förderung damit, die Stiftung sei unkommerziell und archiviere nur private Dokumente Francos. Die Opposition sprach dagegen von einer Verherrlichung der Diktatur durch die Förderung, da ein Großteil der Dokumente sich auf die Tätigkeit Francos als Staatschef bezieht.[9]

Carmen Franco Polo sorgte auch dafür, dass das Patronatsmitglied ihrer Stiftung, der Mediävist Luis Suárez Fernández, in der spanischen Nationalbiographie Franco im gewünschten Licht erscheinen ließ: Franco taucht hier als „Generalísimo“ oder „Staatschef“, aber nicht als „Diktator“ auf, der ein „intelligenter und gemäßigter“, ein „tapferer und katholischer“ Mann gewesen sei, der eine „autoritäre, aber nicht totalitäre“ Herrschaft errichtet habe.[10]

2013 war Carmen Franco Polo in der Aufmerksamkeit der internationalen Medien, weil sie den spanischen Künstler Eugenio Merino mehrfach verklagte, das Andenken an ihren Vater zu missbrauchen.[11] Unter „Cool Franco“ hatte Merino eine Skulptur von Franco (wie auch die weiterer Diktatoren) in einem Coca-Cola-Kühlschrank ausgestellt, später brachte er ein anderes Objekt „Punching Franco“, bei dem der Kopf Francos als Punchingball dargestellt wurde, heraus. Carmen Franco Polo scheiterte aber mit ihren Klagen über mehrere Instanzen.[12]

Nach dem Tod Francos 1975 erbte Carmen Franco Polo einen Teil des Immobilienbesitzes ihres Vaters, wie es in seinem Testament sieben Jahre davor festgelegt worden war.[13] Ihren Sommersitz Pazo de Meirás in der galicischen Provinz A Coruña samt sechs Hektar großem Waldgrundstück hatte der Diktator noch während des Bürgerkriegs im Jahr 1938 geschenkt bekommen: finanziert durch eine institutionell forcierte Spendenkampagne seiner Anhänger, zu der auch ein Gehaltsverzicht der Beamten gehört hatte. Im demokratisierten Spanien forderte die Regionalregierung, dass Carmen Franco Polo einmal wöchentlich die Tore als „Bien de Interes Cultural“, als Kulturgut, öffnen solle, was sie aber verweigerte.[7] Die Folge waren langjährige Rechtsstreitigkeiten, die im Dezember 2020 mit der Verurteilung der Familie Franco zur Herausgabe des gesamten Anwesens an den spanischen Staat endete. Im Oktober 2021 eröffnete im Pazo de Meirás eine Dauerausstellung, die sich kritisch mit seiner Geschichte auseinandersetzt.[14]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Spanish dictator’s only child Carmen Franco dies aged 91. Belfast Telegraph, 29. Dezember 2017, abgerufen am 30. Dezember 2017 (englisch).
  2. Ute Müller: Die Francos – eine schrecklich … reiche Familie. In: Die Welt, 20. November 2015, abgerufen am 30. Dezember 2017.
  3. Spaniens Diktator Franco verlor Hoden im Krieg. In: Die Welt, 27. Mai 2009, abgerufen am 30. Dezember 2017.
  4. Jay Nordlinger: Children of Monsters: An Inquiry into the Sons and Daughters of Dictators. Encounter Books, 2017, ISBN 978-1-59403-900-3, S. 25–28 (eingeschränkte Vorschau).
  5. Leo Wieland: Gut, dass der Diktator in der anderen Welt ist. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. November 2015, abgerufen am 30. Dezember 2017.
    Leo Wieland: Neues Buch über den „Caudillo“: Francos Frau ließ sehr viel beten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. November 2008, abgerufen am 30. Dezember 2017.
  6. Stefanie Müller: 30 Jahre danach: Francos heikles Vermächtnis. In: Handelsblatt, 19. November 2005, abgerufen am 30. Dezember 2017.
  7. a b Martin Dahms: Verbissene Sachwalterin. (Memento vom 7. September 2017 im Internet Archive) In: Sächsische Zeitung 5. September 2007
  8. Gebeine Francos aus dem Mausoleum ins Familiengrab umgebettet. In: Deutsche Welle 24. Oktober 2019, abgerufen am 19. Januar 2020.
  9. Ralf Streck: Im Bett mit Franco. In: Telepolis 26. August 2003, abgerufen am 30. Dezember 2017.
  10. Paul Ingendaay: Spanische Nationalbiographie: Franco, der Tapfere. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Juni 2011, abgerufen am 30. Dezember 2017.
    Jan-Henrik Witthaus, Patrick Eser: Machthaber der Moderne: Zur Repräsentation politischer Herrschaft und Körperlichkeit (= Band 68 von Edition Kulturwissenschaft). Transcript Verlag, 2015, ISBN 978-1-59403-900-3, S. 224 (eingeschränkte Vorschau).
  11. Spanish artist fights for Franco punching ball. AFP-Artikel in: Daily Nation (Kenia), 29. Dezember 2013, abgerufen am 30. Dezember 2017 (englisch).
  12. Spanish Artist sued over ‘Punching Franco’ work. In: Japan Times. 30. Dezember 2013, archiviert vom Original am 7. November 2014; abgerufen am 30. Dezember 2017 (englisch).
    J. Jiménez Gálvez: El creador de ‘Punching Franco’ en el juicio: „Detrás de esos golpes había arte“. In: El País, 28. Februar 2014, abgerufen am 30. Dezember 2017 (spanisch).
  13. Javier Romera: La fortuna de los Franco: la familia tiene un patrimonio de 500 millones. In: elEconomista.es. 23. November 2007, abgerufen am 30. Dezember 2017 (spanisch).
  14. Xosé M. Núñez Seixas: Der Krieg der Erinnerung in Spanien. Zum Stand der Debatte. In ZfG 12/2021, S. 1005–1023, hier S. 1014.