Chlorella

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Chlorella

Chlorella regularis

Systematik
ohne Rang: Chloroplastida
ohne Rang: Chlorophyta
ohne Rang: Trebouxiophyceae
Ordnung: Chlorellales
Familie: Chlorellaceae
Gattung: Chlorella
Wissenschaftlicher Name
Chlorella
Beij.

Chlorella ist eine Gattung von Süßwasseralgen. Sie sind weit verbreitet.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chlorella-Arten bilden kugelförmige, einzeln vorliegende Zellen und sind durch Chlorophyll a und b grün. Die Zellen sind mit 2 bis 10 µm Durchmesser sehr klein.

Die Zellwand dieser Algengattung besteht aus einem mehrschichtigen Cellulosegerüst, in das Schichten aus polymeren Kohlenwasserstoffketten eingelagert sind. Die Zellen enthalten einen einzelnen Chloroplasten und verstreut im Zytoplasma liegende Mitochondrien.

Die Vermehrung geschieht offenbar ausschließlich ungeschlechtlich, es wurde jedenfalls noch keine Gametenbildung beobachtet. Das Genom ist haploid.

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chlorella vulgaris ist die Typusart der Gattung Chlorella. Sie wurde 1889 von Martinus Willem Beijerinck bei Delft beschrieben und wird nun in offiziellen Stammsammlungen wie der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen weitergezüchtet.

Die Gattung Chlorella ist keine monophyletische Verwandtschaftsgruppe. Wahrscheinlich handelt es sich sogar um eine polyphyletische Gattung, deren gemeinsame Merkmale durch konvergente Evolution entstanden sind.[1] Die Monophylie der Gattung wird durch genetische Analysen klar widerlegt, zudem sind die verschiedenen Kladen und ihre Abgrenzung je nach Methode widersprüchlich und nicht stabil. In einer aktuellen Analyse kamen die Autoren im Jahr 2015 zu dem Schluss: „Inferring the phylogeny of Chlorella and allies is still a nightmare.“[2]

In der Algaebase[3] werden folgende Arten (Stand: April 2024) als „currently accepted taxonomically“ (derzeit taxonomisch anerkannt) gelistet (wobei es sich in einigen Fällen um dubiose und alte Namen handelt, die aber nie formal synonymisiert worden sind):

Die aus biologischen Bodenkrusten der Wüste Negev isolierte Chlorella ohadii, angeblich die am schnellsten wachsende Grünalge, (Stand Januar 2022)[4], ist in der Liste nicht enthalten, weil die Art, trotz zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen darüber, nie formal wissenschaftlich beschrieben worden ist.[5]

Historisches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Chlorella erforschte Melvin Calvin die Sekundärreaktion der Photosynthese, wofür er 1961 den Nobelpreis erhielt.

Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chlorella wird für die Herstellung von Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika verwendet. Seit dem Jahr 1999 existiert in Deutschland eine Produktionsanlage für Mikroalgen in Klötze/Altmark. In dieser wird die Alge in einem 500 km langen Glasröhrensystem kultiviert.

Nahrungsergänzungsmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werbeaussagen mit dem Tenor „volles Nährstoffspektrum an Vitaminen, Mineralstoffen, Eiweiß und Fettsäuren“ werden von den Überwachungsbehörden in Deutschland als irreführend eingestuft, da Nahrungsergänzungsmittel aus Algen nur wenige Nährstoffe in relevanten Mengen enthalten. Ebenso die Aussagen, dass Chlorophyll für den Menschen ernährungsphysiologisch von Bedeutung sei.[6] Zu möglichen Gesundheitseffekten finden sich nur vereinzelt klinische Studien mit geringer Teilnehmerzahl und Aussagekraft.[7]

Gesundheitsgefährdend können Chlorella-Produkte sein, wenn diese polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthalten. Dies lässt sich auf eine schlechte Herstellungspraxis und insbesondere einer unsachgemäßen Trocknung der Zutaten zurückführen.[8]

Vitamin B12[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Untersuchungen des Vitamin B12-Gehalts verschiedener Chlorella-Produkte weisen darauf hin, dass diese das Vitamin nicht selbst hergestellt haben.[9] Stattdessen wird dieses aus dem Kulturmedium aufgenommen, beispielsweise durch die vorhandene bakterielle Begleitflora, die Vitamin B12 synthetisieren kann. Dies erklärt, warum der Gehalt bei den untersuchten Proben erheblich schwankt (<0,1 μg bis etwa 415 μg[9] bzw. nicht nachweisbar bis 446 µg[10] pro 100 g Trockengewicht). Auch die Herstellungsprozesse der Produkte können sich auf den Gehalt auswirken (z. B. hohe Lichtempfindlichkeit der Vitamin B12-Vitamere).[10] Außerdem sind die Gehaltsangaben nicht immer zuverlässig.[11]

Ob das in den Produkten vorhandene Vitamin B12 für den Menschen bioverfügbar und nutzbar ist, ist nach Angaben in der Literatur nicht eindeutig.[11][10] Es empfiehlt sich, mittels Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung mit Elektrospray-Ionisation der einzelnen Substanzen (LC/ESI-MS/MS) den Gehalt von Pseudovitamin B12 zuverlässig zu bestimmen.[9] Beim klassischen mikrobiologischen Assay werden höchstwahrscheinlich die Angaben überschätzt.[10]

Parasiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chlorella wird parasitiert von obligat parasitären Bakterien der Gattung Vampirovibrio (Melainabacteria), nachweislich C. vulgaris und C. sorokiniana durch die Typusspezies V. chlorellavorus.[12][13]

Symbiosen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Reihe wirbelloser Tiere, aber auch verschiedene Protisten, sind durch Endosymbionten grün gefärbt. Diese sind oft von Chlorella-artiger, einfach kugelförmiger Gestalt und werden daher oft pauschal „Zoochlorellen“ genannt. Ihre tatsächliche systematische Stellung war in den meisten Fällen vor Einführung genetischer Methoden nicht feststellbar. Heute ist klar, dass die Zoochlorellen selbst bei einzelnen Wirtsarten nicht immer derselben Algenart angehören müssen. So wurden bei dem grünen Süßwasserpolyp Hydra viridissima verschiedene Algen ganz unterschiedlicher systematischer Stellung nachgewiesen, darunter auch Chlorella (zu Chlorella vulgaris gehörig oder nahe verwandt dazu).[14] Auch bei zwei im Süßwasser lebenden Strudelwürmern wurde der Endosymbiont als Chlorella vulgaris angegeben.[15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Goetsch, W., & Scheuring, L. (1926). Parasitismus und Symbiose der Algengattung Chlorella. Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere, 7(1/2), 220–253.
  • Krienitz, L., Huss, V. A., & Bock, C. (2015). Chlorella: 125 years of the green survivalist. Trends in plant science, 20(2), 67–69.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christian van den Hoek, Hans M. Jahns, David G. Mann: Algen. 3. Auflage. Thieme, Stuttgart 1993, ISBN 3-13-551103-0.
  2. Jaqueline S. Heeg, Matthias Wolf (2015): ITS2 and 18S rDNA sequence-structure phylogeny of Chlorella and allies (Chlorophyta, Trebouxiophyceae, Chlorellaceae). Plant Gene 4: 20-28. doi:10.1016/j.plgene.2015.08.001.
  3. M. Beijerinck: Chlorella. In: M. D. Guiry, G. M. Guiry: AlgaeBase. World-wide electronic publication, National University of Ireland, Galway, abgerufen am 22. April 2024.
  4. Haim Treves et al.: Carbon flux through photosynthesis and central carbon metabolism show distinct patterns between algae, C3 and C4 plants. In: Nature, Band 8, S. 78–91, Januar 2022; doi:10.1038/s41477-021-01042-5; insbes. Abb. 6 mit C. sorokiniana, C. ohadii, Chlamydomonas reinhardtii. Dazu:
    Josephine Franke: Warum Algen schneller wachsen als Nutzpflanzen – Strategien für die effizientere Photosynthese könnten Erträge auch bei Getreide und Co erhöhen, auf: scinexx.de vom 4. Februar 2022.
  5. vgl. Haim Treves, Hagai Raanan, Omri M. Finkel, Simon M. Berkowicz, Nir Keren, Yoram Shotland, Aaron Kaplan (2013): A newly isolated Chlorella sp. from desert sand crusts exhibits a unique resistance to excess light intensity. FEMS Microbiology Ecology 86 (3): 373–380. doi:10.1111/1574-6941.12162
  6. Algenpräparate – kein grünes Wunder. In: Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart: Jahresbericht 2007 (Memento vom 11. Januar 2012 im Internet Archive) (PDF; 1,8 MB), S. 42.
  7. Algenpräparate: Die grüne Gefahr. In: Stiftung Warentest. 11. Februar 2011, abgerufen am 20. Oktober 2022.
  8. Umweltgifte in natürlicher Nahrungsergänzung? In: Verbraucherzentrale. 16. Oktober 2022, abgerufen am 20. Oktober 2022.
  9. a b c Fumio Watanabe, Tomohiro Bito: Vitamin B12 sources and microbial interaction. In: Experimental Biology and Medicine (Maywood, N.J.). Band 243, Nr. 2, Januar 2018, S. 148–158, doi:10.1177/1535370217746612, PMID 29216732, PMC 5788147 (freier Volltext) – (englisch).
  10. a b c d Sabrina P. van den Oever, Helmut K. Mayer: Biologically active or just “pseudo”-vitamin B12 as predominant form in algae-based nutritional supplements? In: Journal of Food Composition and Analysis. Band 109, 1. Juni 2022, S. 104464, doi:10.1016/j.jfca.2022.104464 (englisch).
  11. a b Christiane Lerch et al.: Veganer und Vegetarier aufgepasst – Spirulina, Afa und Chlorella sind keine zuverlässigen Vitamin B12-Quellen! In: Chemische und Veterinäruntersuchungsämter Baden-Württemberg. 17. Dezember 2019, abgerufen am 4. März 2023.
  12. Rochelle M. Soo, Ben J. Woodcroft, Donovan H. Parks, Gene W. Tyson, Philip Hugenholtz: Back from the dead; the curious tale of the predatory cyanobacterium Vampirovibrio chlorellavorus. In: PeerJ, Band 3, 21. Mai 2015, e968, doi:10.7717/peerj.968, PMID 26038723, PMC 4451040 (freier Volltext)
  13. Blake T. Hovde, Seth A. Steichen, Shawn R. Starkenburg, Judith K. Brown: Vampirovibrio chlorellavorus draft genome sequence, annotation, and preliminary characterization of pathogenicity determinants. In: Phycological Research, Band 68, Nr. 1, S. 23–29. 17. Juli 2019. doi:10.1111/pre.12392
  14. Nives Rajević, Goran Kovačević, Mirjana Kalafatić, Sven B. Gould, William F. Martin, Damjan Franjević (2015): Algal endosymbionts in European Hydra strains reflect multiple origins of the zoochlorella symbiosis. Molecular Phylogenetics and Evolution 93: 55–62. doi:10.1016/j.ympev.2015.07.014
  15. Angela E. Douglas (1987): Experimental Studies on Symbiotic Chlorella in the Neorhabdocoel Turbellaria Dalyellia viridis and Typhloplana viridata. British Phycological Journal 22: 157-161.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Chlorella – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien