Curt Kosswig

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Carl Ferdinand Curt Kosswig, auch Curt Koßwig[1][2] geschrieben (* 30. Oktober 1903 in Berlin; † 29. März 1982 in Hamburg), war ein deutscher Zoologe und Genetiker. Nach seiner Flucht vor dem Nationalsozialismus war er im Exil von 1937 bis 1955 Professor für Zoologie an der Universität Istanbul und von 1955 bis 1969 an der Universität Hamburg. Curt Kosswig gilt als Vater der türkischen Universitäts-Zoologie und ist Entdecker bzw. Gründer des westtürkischen Vogelparadieses am See von Manyas. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt war die Zoologie der Amphibien.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Curt Kosswig besuchte die Technische Hochschule in Braunschweig, studierte danach und habilitierte sich 1930 in Münster bei dem Zoologen Leopold von Ubisch, der 1935 von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben wurde und nach Norwegen emigrierte. Kosswig, der 1933 in Braunschweig seine Ernennung zum außerordentlichen Professor für Genetik entgegennahm,[3] weigerte sich, die Stelle Ubischs zeitweise zu übernehmen.[4] Er war ab März 1933 der erste Professor am Zoologischen Institut der TU Braunschweig. Gleichzeitig leitete er auch das Naturhistorische Museum.

„Kosswig wurde parteilos zum 1.4.33 in Braunschweig berufen, trat im November in die SS ein, wurde Schulungsleiter des von Darré geleiteten Rasse- und Siedlungsamtes, trat im August 1936 aus der SS aus.“[5]

„Er war nicht nur für die Lehrerausbildung zuständig, sondern sollte Rassenkunde und Gesellschaftsbiologie auch für andere Studierende sowie für Parteimitglieder und die interessierte Bevölkerung lehren. Koßwig nutzte 1937 die Möglichkeit, in die Türkei zu emigrieren, wo er in Istanbul der Begründer einer eigenständigen türkischen zoologischen Forschung wurde.“[6] An die Universität Istanbul berufen war er dort als ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Zoologie und Hydrobiologie tätig und arbeitete auch intensiv mit Ärzten zusammen. Hier gehörte die Ichtyologin und spätere Hochschullehrerin Fahire Battalgil zu seinen Doktoranden.[7] Mit dem ebenfalls aus Deutschland gekommenen Zahnmediziner Kantorowicz hatte er zum Teil den gleichen täglichen Weg von Bebek zur Galata-Brücke, teilte mit diesem allerdings nicht dessen Streit- und Diskussionsleidenschaft. Befreundet waren Kosswig und Kantorowicz auch mit Alfred Heilbronn, der später die türkische Staatsbürgerschaft annahm.[8]

Im Jahre 1955 wurde Kosswig als Professor an die Universität Hamburg berufen. Diesem Ruf folgte er und war als ordentlich-öffentlicher Professor bis zu seiner Emeritierung 1969 Direktor des staatlichen Zoologischen Instituts und des Zoologischen Museums der Universität Hamburg. 1957/1958 war er Präsident der Deutschen Zoologischen Gesellschaft.

Curt Kosswig starb am 29. März 1982 in Hamburg und wurde seinem letzten Willen entsprechend in der Türkei, seiner zweiten Heimat, deren Landessprache er wie kein anderer seiner emigrierten Kollegen beherrschte, auf einem Friedhof "Aşiyan-Rumeli Hisarı" in Istanbul beigesetzt.[9]

Kosswig wurde während seiner Zeit als Student Mitglied der Landsmannschaft Marchia Berlin (heute: Landsmannschaft Marchia Berlin zu Osnabrück).

Wissenschaftliches Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Curt Kosswig war ein bedeutender Zoologe und Genetiker. Seine wichtigsten wissenschaftlichen Publikationen lagen im Bereich Geschlechtsbestimmung, Krebsentstehung, konstruktive und regressive Evolution, Genetik der Haustiere, Zoogeographie und Systematik.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ehrendoktorwürde der Universität Istanbul[10]
  • 1968 Ehrendoktor der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes[11]
  • 1970 Ehrendoktorwürde der Universität Gießen
  • Aus Anlass der 100. Wiederkehr des Geburtstages von Curt Kosswig im Oktober 2003 veranstalteten die Fakultäten für Naturwissenschaften und für Fischerei-Wissenschaft der Universität Istanbul sowie das Zoologische Institut und Zoologische Museum der Universität Hamburg ein gemeinsames Gedenksymposium zu Ehren des Verstorbenen.[12]

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1937 Yılından bugüne kadar türkiye'deki hatıralarımdan bazılari. In: 2. Türk-Alman tıbbi ilişkileri sipozyumu, İstanbul 20.–25 September 1982. Istanbul 1981, S. 19–28.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Wettern / Daniel Weßelhöft: Opfer nationalsozialistischer Verfolgung an der Technischen Hochschule Braunschweig 1930 bis 1945, Hildesheim 2010, S. 151–153.
  • Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde). Medizinische Dissertation, Würzburg 1985, S. 268–270.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eine Liste seiner Publikationen, online (Memento vom 16. April 2014 im Internet Archive) (PDF; 186 kB)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ancestry. Abgerufen am 15. Februar 2024.
  2. StA Hamburg NO Generalregister Sterbefälle KM-KRÖ 1978-1983 (Best. 332-5 Nr. 49512) Blatt 3478. Abgerufen am 15. Februar 2024.
  3. Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde). Medizinische Dissertation, Würzburg 1985, S. 268–270.
  4. Ute Deichmann: Biologen unter Hitler. Campus Verlag, 1992.
  5. II. Schlaglichter 1933–1945. (Memento vom 16. Februar 2019 im Internet Archive) auf aleph99.org
  6. Das Zoologische Institut der TU Braunschweig wird 75 Jahre. (Memento vom 16. April 2014 im Internet Archive) auf tu-braunschweig.de
  7. Battalgazi Uslu Ayşe Didem: Turkey’s First Zoologist Prof. Dr. Fahire Battalgazi’s Short But Fruitful Academic. In: Turkish Journal of Bioscience and Collections. Band 3, Nr. 2, 2019, S. 37–42, doi:10.26650/tjbc.20190010 (edu.tr [abgerufen am 18. November 2023]).
  8. Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde). Medizinische Dissertation, Würzburg 1985, S. 268–270.
  9. Ali Vicdani Doyum: Alfred Kantorowicz unter besonderer Berücksichtigung seines Wirkens in İstanbul (Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Zahnheilkunde). 1985, S. 269.
  10. Klaus Velten: Die Emigration deutscher Wissenschaftler in die Türkei 1933–1945. Diplomica Verlag, Hamburg 1998
  11. Ehrenpromotionen der Naturwissenschaftlich-Technischen Fakultäten I-III, Universität des Saarlands (Memento vom 7. Mai 2015 im Internet Archive)
  12. Deutsche Wissenschaftler in der Türkei nach 1933: Ord. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Curt Kosswig und seine herausragende Bedeutung für die zoologische Forschung und Lehre. (Memento vom 16. April 2014 im Internet Archive) (PDF; 476 kB) auf egefish.ege.edu.tr