Dau (Film)

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Film
Titel Dau
Originaltitel Дау
Produktionsland Russland
Originalsprache Russisch
Erscheinungsjahr 2019
Länge 330 Minuten
Stab
Regie Ilja Chrschanowski
Drehbuch Ilja Chrschanowski,
Wladimir Sorokin
Produktion Sergey Adonyev,
Philippe Bober,
Artyom Vasilev
Kamera Manuel Alberto Claro,
Lol Crawley
Jürgen Jürges
Schnitt Tim Arrowsmith,
Adelina Bichis,
Hoping Chen,
George Cragg,
John Dinwoodie,
Sibila Estruch,
Gideon Gold,
David G. Hill,
Tansy Huws,
Marianne Kuopanportti,
Ling Lee,
Maya Maffioli,
Benjamin Mirguet,
Mariko Montpetit,
Arttu Salmi,
Brand Thumim

Dau ist ein Filmprojekt des russischen Regisseurs Ilja Chrschanowski. Der Film handelt vom Leben des sowjetischen Physikers und Nobelpreisträgers Lew Dawidowitsch Landau (1908–1968, Spitzname Dau) und der Stalin-Zeit. Der Film ist eines der größten und umstrittensten Filmprojekte Russlands.[1][2]

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vorarbeiten zu dem Film begannen bereits 2005, die Dreharbeiten starteten 2008 und dauerten über drei Jahre. In dieser Zeit entstanden mehr als 700 Stunden Filmmaterial, aus dem inzwischen 13 Spielfilme und eine Vielzahl von TV-Serien geschnitten wurden.[3][4] Der ursprünglich als Drehbuchautor vorgesehene Schriftsteller Wladimir Sorokin verließ das Projekt nach inhaltlichen Differenzen.[5] Sponsor des Projektes ist der russische Unternehmer Sergei Adonjew aus St. Petersburg.[2] Die Weltpremiere war für die Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2011 geplant, musste aber verschoben werden.

Der Film entstand an verschiedenen Orten in Russland, der Ukraine, Deutschland, Großbritannien und Dänemark. Hauptsächlich entstand der Film im „Institut“ in Charkiw in der nordöstlichen Ukraine, wo Landau von 1932 bis 1937 lebte und unterrichtete. Mit einer Gesamtfläche von 12.000 Quadratmetern war das Institut die größte Filmkulisse Europas, ein Labor und ein eigenes Stadtquartier, in dem zwischen 2009 und 2011 bis zu 400 Menschen lebten. Das Set war eine dynamische kreative Rekonstruktion des streng geheimen „Institut für Physikalische Probleme der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften“ in den Jahren 1938–1968 mit Sitz in Moskau. Abgeschnitten von der modernen Welt lebten und arbeiteten sie über zwei Jahre in einem geheimen wissenschaftlichen Institut. Sie entdeckten eine vertraute und doch fremde Wirklichkeit, überschritten Grenzen, persönliche wie wissenschaftliche. Einige Schauspieler lebten dauerhaft im Institut in ihrer Rolle 24 Stunden am Tag, am Set sind mehrere Kinder entstanden.[6]

Mitwirkende sind u. a. der Dirigent Teodor Currentzis, der die Titelrolle spielt, Radmyla Schtschoholewa, die einzige professionelle Schauspielerin, spielt seine Frau. Alexei Blinov leitete die technische Entwicklung des Spielfilms und fungierte dabei als Prof. Blinow. Weiterhin wirkten mit: Kameramann Jürgen Jürges, der Komponist Brian Eno, die Performance-Künstlerin Marina Abramović, der Regisseur Romeo Castellucci, Massive Attack, Anatoli Wassiljew, Dmitri Tschernjakow, Olga Schkabarnja, Peter Sellars, Carsten Höller, David Gross, Shing-Tung Yau, Nikita Nekrassow, Carlo Rovelli, James H. Fallon, und andere.

Von Juli 2018 bis Ende 2023 gab es eine Projektseite, auf der das Projekt kurz skizziert wurde und man sich zum Erhalt weiterer Informationen anmelden konnte.[7]

DAU Freiheit – Ein Berliner Kunstprojekt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im August 2018 wurde bekannt, dass das Kunstprojekt durch die Berliner Festspiele als Stadtinstallation präsentiert werden würde. In der Zeit vom 12. Oktober bis 9. November 2018 sollte rund um das Kronprinzenpalais ein Erlebnisraum installiert werden, um den herum eine Replik der Berliner Mauer hochgezogen werden sollte. Gleichzeitig sollte hier die Weltpremiere für die 13 bis dahin entstandenen Kinofilme und mehrere Serien sein, die aus dem Filmmaterial entstanden. Die Berliner Festspiele als Veranstalter stellten das Projekt als „gesellschaftliches Experiment, das die Wahrnehmung Berlins verändern wird“ vor: „Mitten im derzeit von diversen Bauprojekten geprägten Zentrum der Stadt wird durch die temporäre Errichtung einer Mauer eine Zone markiert, die für vier Wochen zu einem besonderen Erlebnisraum wird und gleichzeitig historische Echoräume öffnet, die 29 Jahre nach dem Mauerfall die Chance bieten, eine politisch-gesellschaftliche Debatte über Freiheit und Totalitarismus, Überwachung, Zusammenleben und nationale Identität zu eröffnen.“[8]

Die vierwöchige Berliner Präsentation war unter dem Motto „Freiheit“ konzipiert, mit Fortsetzungen ab 23. November 2018 in Paris zum Thema „Brüderlichkeit“ und Anfang 2019 in London zum Schlagwort „Gleichheit“.

Das Projekt wurde nach Meinung der Betroffenen sehr kurzfristig bei den zuständigen Ämtern beantragt.[9] Deshalb und aus grundsätzlichen Erwägungen haben einige der eingeplanten Institutionen ihre Teilnahme abgesagt (Deutsche Staatsoper über deren Tiefgarage das Areal erschlossen werden sollte, St.-Hedwigs-Kathedrale, Barenboim-Said-Akademie). Das Projekt wurde sehr kontrovers diskutiert, auch weil Regisseur Chrschanowski nicht persönlich in Erscheinung getreten ist.[10] Unterstützung findet das Projekt u. a. bei Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller, Kultursenator Klaus Lederer, dem Regisseur Tom Tykwer sowie Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

Vorläufige Absage durch die Berliner Behörden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 21. September 2018 bestätigten Verkehrssenatorin Regine Günther und Bezirksstadträtin Sabine Weißler die Absage des Projektes aus Sicherheitsgründen. Bedenken gab es vor allem bei der Verkehrssicherheit und beim Brandschutz. Für Veranstaltungen dieser Größenordnung ist normalerweise ein Vorlauf von etwa einem Jahr erforderlich, erklärte Bezirksstadträtin Weißler, die ersten konkreten Planungsunterlagen wären aber erst sechs Wochen vor der Veranstaltung eingegangen.[11][12] „Es war eine Mischung aus Dilettantismus und Arroganz“, hieß es in der Verwaltung.[13] Die Absage wurde von vielen Seiten, darunter Kulturstaatsministerin Monika Grütters, dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Kultursenator Klaus Lederer, bedauert.[14]

Installation in Paris[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als nächste Station für das Kunstprojekt ist Paris vorgesehen. Auch hier sind die Vorbereitungen streng geheim.[15]

Im Théâtre du Châtelet, das während der vorgesehenen Spielzeit (24. Januar 2019 – 17. Februar 2019) umgebaut wird, wurden Räume für die immersive Installation eingerichtet. Hierzu gehören Silikon-Figuren, die realistischer sind als lebensecht, ausgestopfte Tiere und sowjetische Poster zu Lenins Ruhm. Ursprünglich sollte eine 15 m hohe Brücke zwischen dem Châtelet und dem Théâtre de la Ville gebaut werden und ebenfalls Teil der Installation sein.[16][17] Innerhalb der beiden Standorte werden sieben Vorführräume eingerichtet, in denen dreizehn Filme in russischer Sprache (von 1:30 bis 2:30 Uhr) ohne Untertitelung gezeigt werden, die von Ilja Chrschanowski gedreht wurden.[18] Es sollen 400 Besucher gleichzeitig Zugang zu Chrschanowskis immersiver Installation bieten. Die Teilnehmer sollen das Kunstwerk rund um die Uhr erleben. Das Voiceover kommt von französischen Schauspielern wie Isabelle Adjani, Gérard Depardieu oder Isabelle Huppert. Eine Genehmigung der Stadt Paris für das Projekt steht noch aus.[19]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem aus dem Projekt entstandenen Spielfilm DAU. Natasha konkurrierte Chrschanowski 2020 gemeinsam mit Koregisseurin Jekaterina Oertel erstmals um den Goldenen Bären, den Hauptpreis der Berlinale. Auf das Festival wurde gleichzeitig der von Chrschanowski und Ilja Permjakow fertiggestellte Dokumentarfilm DAU. Degenerazija (DAU. Degeneration) in die Sektion Special Gala eingeladen.[20] Zudem erhielt der Kameramann Jürgen Jürges einen Silbernen Bären für herausragende künstlerische Leistungen im Zusammenhang mit dem Projekt DAU. Natasha.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Dau in Kharkiv – Sammlung von Bildern
  • Dau bei IMDb
  • Berliner Festspiele – DAU Freiheit. (Memento vom 28. September 2018 im Internet Archive) In: berlinerfestspiele.de
  • DAU – Freiheit: Eine Installation von Ilya Khrzhanovsky. (Memento vom 14. September 2018 im Internet Archive) In: visitberlin.de
  • Saskia Trebing: Geplanter Mauerbau in Berlin: Wer ist Ilya Khrzhanovsky und was sein Geheimprojekt „DAU“? In: monopol-magazin.de. 22. August 2018;.
  • NPR: The Never-Ending Film. In: npr.org. 12. Dezember 2014; (englisch).
  • Experiment is ongoing. DAU Projektseite. In: dau.xxx. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Dezember 2023; (englisch, mit Trailer).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The Never-ending Story. In: caravanmagazine.in. 20. Juni 2018, abgerufen am 2. Februar 2024 (englisch).
  2. a b Dau-Connection im Fokus: Wer steckt hinter dem Berliner Mauerprojekt? In: tagesspiegel.de. 23. August 2018, abgerufen am 13. September 2018.
  3. Apocalypse Dau: the most insane film shoot of all time, and why you may never get to see it. In: telegraph.co.uk. 13. April 2017, abgerufen am 13. September 2018 (englisch).
  4. DAU – Freiheit: Eine Installation von Ilya Khrzhanovsky –. In: visitberlin.de. Abgerufen am 13. September 2018.
  5. Totalitarismus und Karneval im DAU-Projekt. Abgerufen am 15. Februar 2019.
  6. Geplanter Mauerbau in Berlin: Wer ist Ilya Khrzhanovsky und was sein Geheimprojekt „DAU“? In: monopol-magazin.de. 22. August 2018, abgerufen am 13. September 2018.
  7. www.DAU.xxx (Memento vom 4. Dezember 2023 im Internet Archive).
  8. Berliner Festspiele: Berliner Festspiele – Specials: DAU Freiheit. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Januar 2019; abgerufen am 2. Januar 2019.
  9. Projekt DAU „Freiheit“. In: berlin.de. 21. August 2018, abgerufen am 13. September 2018.
  10. Kunstprojekt „Dau“: Warum man in Berlin wieder eine Mauer bauen sollte. In: welt.de. 13. September 2018, abgerufen am 13. September 2018.
  11. Startseite: Kunstprojekt «Dau» aus Sicherheitsgründen untersagt. In: berlin.de. 21. September 2018, abgerufen am 27. September 2018.
  12. Felix Hackenbruch: Umstrittenes Kunstprojekt: Warum „Dau“ 2018 in Berlin scheiterte. In: tagesspiegel.de. 21. September 2018, abgerufen am 27. September 2018.
  13. Peter Neumann: Kunstprojekt „Dau“: Stadträtin sieht keine Chance für Mauer-Bau in diesem Jahr. In: berliner-zeitung.de. 26. September 2018, abgerufen am 27. September 2018.
  14. Ulrich Zawatka-Gerlach: Reaktionen zum Aus für „Dau“: Grütters fordert mehr Mut zum Experiment. In: tagesspiegel.de. 21. September 2018, abgerufen am 27. September 2018.
  15. Tanja Kuchenbecker und Rüdiger Schaper: Nach Scheitern des Mauer-Kunstwerks in Berlin: „Dau“-Aktion zieht weiter nach Paris. In: tagesspiegel.de. 21. September 2018, abgerufen am 27. September 2018.
  16. Nicolas Maviel: Un pont gigantesque pour une œuvre d’art éphémère place du Châtelet à Paris. In: leparisien.fr. 24. September 2018, abgerufen am 3. Januar 2019 (französisch).
  17. Iris Radisch: DAU-Projekt: Das andere Universum. In: Die Zeit. Hamburg 24. Januar 2019 (zeit.de [abgerufen am 25. Januar 2019] Artikelanfang frei abrufbar).
  18. Eric Le Mitouard: Paris : au Châtelet, prenez votre visa pour la Russie. In: leparisien.fr. 6. November 2018, abgerufen am 3. Januar 2019 (französisch).
  19. Eberhard Spreng: In Berlin gescheitertes Kunstprojekt: DAU kommt nach Paris. In: tagesspiegel.de. 2. Januar 2019, abgerufen am 3. Januar 2019.
  20. Der Wettbewerb der 70. Berlinale und abschließende Auswahl des Berlinale Special. (Memento vom 31. Januar 2020 im Internet Archive) In: berlinale.de, 29. Januar 2020, abgerufen am 29. Januar 2020.