Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität

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Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V.
(dgti)
Logo
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 28. Juni 1998 in Köln
Gründer Kerstin Voigt, Helma Katrin Alter, Claudia Jürgen Clüsserath, Andrea Ottmer, Karin Bellwinkel, Michael Deucker, Damian Kusenberg, Maria Rohlinger, Marion Schemann, Ulrike Stach-v. Gehlen
Sitz Köln
Zweck Stärkung gesellschaftlicher Akzeptanz und Rechten von transidenten, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen
Vorsitz Petra Weitzel, Andrea Ottmer, Sandra Mielke
Personen Alina Anstatt, Bettina Kempf, Janka Kluge, Luca Fabièn Dotzler
Website dgti.org

Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V. (Abgekürzt Eigenschreibweise dgti) ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für die Belange von transidenten, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen einsetzt und ihnen Unterstützung auf verschiedenen Ebenen bietet. Zu ihren Aufgaben gehören die Entwicklung von Informationsmaterialien und Unterstützungsangeboten, die Lobbyarbeit für gesetzliche Verbesserungen, für ein selbstbestimmtes Leben und die Förderung von Forschung und Wissenschaft zum Thema.

Dazu gehört beispielsweise die Förderung von Akzeptanz und Inklusion in der Gesellschaft. Die dgti arbeitet eng mit verschiedenen Institutionen und Organisationen zusammen und ist Mitglied in verschiedenen nationalen und internationalen Netzwerken und Verbänden.[1] Sie bietet ihren Mitgliedern und Interessierten zahlreiche Veranstaltungen und Angebote wie Informationsveranstaltungen, Seminare und Beratungen.[2] Sie setzt sich außerdem gegen transfeindliche Darstellungen und Berichterstattung in Medien ein.[3][4]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Verein wurde 1998 in Köln gegründet.[2] Bei der Namensgebung der dgti spielte der Begriff Transidentität in Abgrenzung zum Begriff Transsexualität eine wichtige Rolle. Die dgti übernahm den Begriff vom Verein Transidentitas e.V.[5] Die Gründer sahen den Begriff Transsexualität kritisch, da er durch die ICD-10 als pathologisierend definiert wurde und der Verein die Transgeschlechtlichkeit nicht als Krankheit, sondern als Normvariante der Natur sahen. Zudem ordneten sie den Begriff sprachlich falsch in die Gruppe der sexuellen Orientierungen, obwohl es sich um ein Problem der geschlechtlichen Identität handelt.[1]

Ergänzungsausweis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das am meisten in Anspruch genommene Angebot ist der kostenpflichtige „dgti-Ergänzungsausweis“, ein standardisiertes, vom Bundesministerium des Innern und für Heimat als nützlich akzeptiertes[6] privates Dokument. Es handelt sich nicht um ein amtliches Ausweisdokument, sondern soll amtliche Ausweise ergänzen, weil dort häufig Eintragungen bestehen (z. B. Geschlecht, Vorname), die mit dem gelebten Geschlecht des Betroffenen nicht übereinstimmen. Es soll daher Amtsträger informieren, Missverständnissen vorbeugen und Verständnis fördern. Ein entsprechender Ausweis wurde bereits 1989 vom Bundestag empfohlen.[7] Er wurde von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität entwickelt, um transidenten, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen ein Dokument zur Verfügung zu stellen, das ihre selbstgewählte Identität dokumentiert und ihnen erleichtert, ihre persönlichen Daten anzuzeigen, ein berechtigtes Interesse gemäß § 81d Abs. 1 StPO geltend zu machen und mit dem gewünschten Namen und den gewünschten Pronomen angesprochen zu werden oder entsprechende Toilettenräumlichkeiten zu benutzen, ohne dies verbal aussprechen zu müssen, wobei dieses Dokument keine Bedingung für die Geltendmachung eines berechtigten Interesse ist.[8][9]

Der Ausweis enthält alle selbstgewählten personenbezogenen Daten des Inhabers, einschließlich Vornamen, Pronomen und Geschlecht. Zusätzlich enthält er ein aktuelles Passfoto des Inhabers und eine Ausweisnummer eines amtlichen Personaldokuments.[10] Der Ausweis ist unter anderem bei sämtlichen deutschen Innenministerien, bei der Polizei[11][12], vielen Behörden, Banken,[13][14] Universitäten[15] und Versicherungen bekannt und akzeptiert. In fünf Bundesländern wurden Hinweise auf den Ausweis in Corona-Verordnungen und dazugehörige Erläuterungen aufgenommen, um ihn als Ausweisdokument z. B. zusammen mit Impfnachweisen anzuerkennen.[16] Der von der dgti herausgegebene Ergänzungsausweis wird in der Bundesdruckerei hergestellt.[17]

Der dgti-Ergänzungsausweis ist nur in Kombination mit einem amtlichen Personaldokument wie dem Personalausweis „gültig“ und läuft zeitgleich mit Ablauf mit dem mit ihm bezogenen amtlichen Personaldokument ab und muss bei Bedarf neu beantragt werden.

Beratungs- und Fortbildungsangebot[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beratungsangebot der dgti[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zahl der Beratungsstellen der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V. in Deutschland[18]
Bundesland Zahl
Baden-Württemberg 6
Bayern 7
Berlin 3
Brandenburg 1[19]
Bremen 0
Hamburg 3
Hessen 6
Mecklenburg-Vorpommern 0
Niedersachsen 5
Nordrhein-Westfalen 5
Rheinland-Pfalz 12
Saarland 0
Sachsen 1
Sachsen-Anhalt 1
Schleswig-Holstein 2
Thüringen 1

Die dgti betreibt bundesweit Beratungsstellen.[20][21] Auch Eltern intergeschlechtlicher Kinder werden beraten.[2] Die Beratungsstellen bieten ihre Dienste in Form von Einzel- und Gruppengesprächen persönlich, telefonisch oder online und ggf. auch anonym an.[22]

Es wird eine Vielzahl von Themen und Schwerpunkten angeboten, wie beispielsweise Unterstützung bei der hormonellen und chirurgischen Geschlechtsanpassung, Beratung im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Namens- und Geschlechtsanpassung, Unterstützung bei der Bewältigung von psychischen Belastungen und Hilfe bei der Integration in Schule, Ausbildung und Beruf.[23] Die dgti bemüht sich um die Einrichtung weiterer Beratungsstellen.

Fortbildungsangebot der dgti[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ebenfalls bietet der Verein Fortbildungen und Schulungen für Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen, wie beispielsweise der Sozialarbeit, der Gesundheitsversorgung,[24] der Psychotherapie, der Pädagogik und der Rechtsberatung und Unternehmen an. Ein Zertifizierungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Trans-Kinder-Netz e. V. soll einen einheitlichen Standard in der medizinischen Arbeit von Gesundheitspersonal in medizinischen Einrichtungen erreichen, der über etablierte Behandlungsrichtlinien und die gesetzlichen Vorgaben hinaus die Erfahrungen von transidenten, intergeschlechtlichen und nicht-binären Patienten berücksichtigt. Durch das Zertifizierungsprogramm sollen Fachkräfte in die Lage versetzt werden, die Bedürfnisse und Erfahrungen von solchen Patienten besser zu verstehen und in ihre Arbeit einzubeziehen.[21]

Stand 16. März 2023 sind drei Einrichtungen von der dgti zertifiziert, u. a. das Clementine Kinderhospital in Frankfurt am Main.[25]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Adrian de Silva: Negotiating the Borders of the Gender Regime : Developments and Debates on Trans(sexuality) in the Federal Republic of Germany. Transcipt Verlag, Bielefeld 2018, ISBN 3-8394-4441-1.
  2. a b c Kathrin Zehnder: Zwitter beim Namen nennen : Intersexualität zwischen pathologie, Selbstbestimmung und leiblicher erfahrung. transcript Verlag, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-8394-1398-2, S. 176 f.
  3. Joane Studnik: Transfeindlichkeit in Medien? Eine Initiative will Berichterstattung kritisch überprüfen. In: Berliner Zeitung. 6. Juli 2022, abgerufen am 15. Dezember 2022.
  4. Joane Studnik: ARD-Tatort „Die Amme“: Transfeindlichkeit durch Framing. In: Frankfurter Rundschau. 31. März 2021, abgerufen am 15. Dezember 2022.
  5. Adrian de Silva: Bewegungssoziologische Analyse der Begrifflichkeiten der deutschen Trans*-Bewegung : Begleitforschung zur Interministeriellen Arbeitsgruppe Inter- & Transsexualität, Band 1. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Geschlechtliche Vielfalt. Begrifflichkeiten, Definitionen und disziplinäre Zugänge zu Trans- und Intergeschlechtlichkeiten. 2015, S. 25–30 (bmfsfj.de [PDF; abgerufen am 11. Dezember 2022]).
  6. Schreiben des BMI. (PDF; 730 kB) 22. Dezember 2016, abgerufen am 8. Dezember 2022.
  7. Robin Ivy Osterkamp, Friederike Wünsch: Theoretisch-fachliche Hintergründe. In: Trans* Personen. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2022, ISBN 978-3-658-37056-5, S. 25–70, doi:10.1007/978-3-658-37057-2_2.
  8. „Schritt zur Gleichbehandlung“ : Uni Frankfurt erleichtert Eintrag von neuem Namen und Geschlecht In: FAZ vom 5. Oktober 2022
  9. Maria Wilde: Stimme und Transidentität über die Bedeutung der Stimme - Stimmangleichung und Stimmtherapie für trans* Menschen. Schulz-Kirchner-Verlag, Idstein 2018, ISBN 978-3-8248-1232-5, S. 19.
  10. Miriam Schmidt-Jüngst: Namenwechsel: Die soziale Funktion von Vornamen im Transitionsprozess transgeschlechtlicher Personen. De Gruyter, 2020, ISBN 978-3-11-068940-2, S. 247, doi:10.1515/9783110689402-005 (degruyter.com [abgerufen am 11. Dezember 2022]).
  11. Marc Holste, Kai Klodt, Karin Kretzer, Udo Küchler, Walter Liedtke, Olaf Peters, Sonja Petrovic, Andrea Schaub, Kazou Takagi, Simone Wroblewski: Streife #03 04 05 16. Hrsg.: Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen. 4. Mai 2016, ISSN 0585-4202, S. 12 f. (polizei.nrw [PDF]).
  12. Patrick Gensing: Polizei und trans Personen: Aus Angst nicht zur Staatsgewalt. In: Die Tageszeitung: taz. 2. August 2022, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 10. Dezember 2022]).
  13. Thomas Riedel: GLS Bank mit True-Name-Kreditkarte › absatzwirtschaft. In: absatzwirtschaft. 28. Juni 2022, abgerufen am 10. Dezember 2022 (deutsch).
  14. Sebastian Goddemeier: Falscher Name auf der Kontokarte: Wie eine trans Kundin bei einer Bank um ihr Recht kämpft. In: Der Tagesspiegel Online. 17. August 2020, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 11. Dezember 2022]).
  15. Goethe-Universität Frankfurt erleichtert Änderungen bei Geschlechtseintrag - Rosa*Liste: „Überfälliger Schritt“. Abgerufen am 10. Dezember 2022.
  16. Jeja Klein: In fünf Ländern: Ergänzungsausweis der dgti kann für Impfnachweis genutzt werden. In: queer.de. 5. Februar 2022, abgerufen am 11. Dezember 2022 (deutsch).
  17. Erläuterungen zum Ergänzungsausweis. Abgerufen am 10. Dezember 2022.
  18. Übersicht - Beratungsstellen > dgti e.V. - Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. 22. August 2021, abgerufen am 9. Dezember 2022 (deutsch).
  19. Hierbei handelt es sich um die Beratungsstelle Berlin-Brandenburg, Berlin I, welche in der Zahl der Beratungsstellen für Berlin miteinbegriffen ist
  20. Beratungsstellen der dgti. Abgerufen am 9. Dezember 2022.
  21. a b Katja Thorwarth: „Wird Hormontherapie geblockt, geraten trans* Jugendliche in Panik“: Interview mit Petra Weitzel. In: Frankfurter Rundschau. 22. Juli 2022, abgerufen am 10. Dezember 2022.
  22. Beratungs- und Informationsgespräch > dgti e.V. - Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. 22. August 2021, abgerufen am 9. Dezember 2022 (deutsch).
  23. Britta Bürger: Transaktivistin Julia Monro - "Das größte Freiheitsgefühl, das man sich vorstellen kann". In: Deutschlandfunk Kultur. 9. April 2021, abgerufen am 11. Dezember 2022.
  24. Marcel Schorrlepp: trans*Personen fühlen sich in Arztpraxen oft diskriminiert. In: MMW - Fortschritte der Medizin. Band 164, Nr. 14, August 2022, ISSN 1438-3276, S. 22–23, doi:10.1007/s15006-022-1300-6.
  25. Das dgti Zertifizierungsprogramm > dgti e.V. - Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. 1. Dezember 2021, abgerufen am 9. Dezember 2022 (deutsch).