Elizabeth Garrett Anderson

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Elizabeth Garrett Anderson, um 1889

Elizabeth Garrett Anderson, VA (* 9. Juni 1836 in Whitechapel, London; † 17. Dezember 1917 in Aldeburgh, Suffolk) war eine englische Ärztin und Frauenrechtlerin. Sie war die erste Frau, die sich im Vereinigten Königreich als Ärztin qualifizierte, die erste Frau, die in Frankreich zum Doktor der Medizin promoviert wurde, das erste weibliche Mitglied der British Medical Association (BMA) und der erste weibliche Dekan einer medizinischen Fakultät in Großbritannien. Als Lady Mayoress von Aldeburgh in Suffolk war sie auch die erste britische Bürgermeisterin. Sie gehörte zu den Gründerinnen des New Hospital for Women, der ersten britischen Frauenklinik mit ausschließlich weiblichem Personal. Garrett Anderson setzte sich zeitlebens für das Frauenwahlrecht und das Recht der Frauen auf Ausübung qualifizierter Berufe ein. Schon in jungen Jahren sah sie in der Emanzipation der Arbeit vom Kapital auch die Lösung für die Unterdrückung der Frauen.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Elizabeth Garrett, 1866

Elizabeth Garrett kam als zweites von zehn überlebenden Kindern des Unternehmers und Kaufmanns Newson Garrett (1812–1893) und seiner Ehefrau Louisa Dunnell (1813–1903) in London zur Welt. Sie wuchs in dem Städtchen Aldeburgh in Suffolk auf, wo ihr Vater als Inhaber einer Mälzerei zu Wohlstand gekommen war. Eine ihrer jüngeren Schwestern, Millicent Garrett Fawcett DBE (1847–1929), wurde später eine bekannte Frauenrechtlerin. Bis zum Alter von 13 Jahren wurde Elizabeth, in der Familie Beth genannt, zuhause unterrichtet, zuerst von ihrer Mutter, dann von einer Gouvernante. Von 1849 bis 1854 besuchte sie gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Louie die renommierte Mädchenschule Academy of the Daughters of Gentlemen in Blackheath, die von den Tanten des berühmten Dichters und Dramatikers Robert Browning geführt wurde. Dort lag der Schwerpunkt des Unterrichts auf gutem Benehmen, englischer Literatur, Französisch, Italienisch und Deutsch. Garrett, die als frühreif und ausgesprochen intelligent galt, war eine ausgezeichnete Schülerin, klagte aber über die Beschränktheit ihrer Lehrer und das Fehlen mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts.

Nachdem sie ihre Ausbildung mit einer Auslandsreise abgeschlossen hatte, kehrte Elizabeth Garrett ins Elternhaus zurück. Neben ihren häuslichen Pflichten lernte sie autodidaktisch Latein und Mathematik, las viel und interessierte sich brennend für die politischen und gesellschaftlichen Fragen der Zeit. 1854 lernte sie während eines Besuchs bei Schulfreundinnen Emily Davies kennen, eine frühe Feministin, die später zu den Gründern von Girton College gehörte, dem ersten College für Frauen in Cambridge, und zu ihrer lebenslangen Freundin und Beraterin wurde.

1859 wurde Elizabeth Blackwell (1821–1910), die erste zugelassene Ärztin in den USA, von der Society for Promoting the Employment of Women eingeladen, in Großbritannien Vorträge über „Medizin als Frauenberuf“ zu halten. Garrett reiste nach London, um Blackwell zu hören, traf sie unter vier Augen und fasste den Entschluss, Medizin zu studieren und Ärztin zu werden. Nach anfänglichem Widerstand unterstützte ihr Vater sie in diesem revolutionären Vorhaben.

Da es keine ärztliche Ausbildung für Frauen gab, arbeitete Garrett zunächst ab August 1860 als Operationsschwester im Londoner Middlesex Hospital. Sie nutzte die Gelegenheit zur Teilnahme an chirurgischen Verfahren und der Ausbildung der Medizinstudenten. Trotz Ablehnungen durch die Universitäten in Oxford, Cambridge und London besuchte Garrett weiterhin als Aushilfsschwester Patienten und arbeitete in der Apotheke. Sie entschloss sich, das Lizenziat der Society of Apothecaries (LSA) zu erwerben. Bisher durften in Großbritannien diejenigen, die fünf Jahre unter der Leitung eines Arztes gearbeitet, bestimmte Vorlesungen gehört und sich durch eine Prüfung (Zertifikat) vor der Apothekerinnung qualifiziert hatten, an der Universität Medizin studieren. Im Herbst 1865 weigerte sich die Society of Apothecaries jedoch, Garrett zur Eignungsprüfung zuzulassen; daraufhin drohte ihr Vater, die Zustände vor Gericht zu bringen, woraufhin Garrett 1866 doch noch die Lizenz erhielt.

Elizabeth Garrett Anderson vor der Fakultät für Medizin in Paris, Kupferstich, 1870

Im Jahr 1866 eröffnete Garrett in der St. Mary's Dispensary ihr erstes Krankenhaus mit angegliederter Apotheke. Es war schwierig für Garrett, als Ärztin zu praktizieren, da ihr einerseits niemand Praxisräume vermieten wollte, andererseits die Patienten beiderlei Geschlechts einer Frau gegenüber sehr skeptisch waren. Gemeinsam mit Florence Nightingale (1820–1910) und Sophia Jex-Blake (1840–1912) bildete sie an der London School of Medicine for Women, dem später ein medizinisches College angegliedert wurde, Krankenschwestern und Ärztinnen aus.

Elizabeth Garrett Anderson, 1900 (Kopie eines Gemäldes von John Singer Sargent, Reginald Grenville Eves zugeschrieben)

Da damals in England aber Frauen nur das Studium selbst, nicht jedoch ein Studienabschluss erlaubt war, wechselte Garrett 1870 nach Frankreich. An der Pariser Universität Sorbonne setzte sie ihr Studium fort, da Frauen dank der Intervention von Kaiserin Eugènie an der medizinischen Fakultät in Paris studieren durften. Noch im selben Jahr schloss Garrett mit dem Doktor der Medizin ab.

Am 9. Februar 1871 heiratete Garrett in London den Reeder James George Skelton Anderson († 1907) aus Aberdeen, Geschäftsführer der Peninsular and Oriental Steam Navigation Company, und trug fortan den Doppelnamen Garrett Anderson. Die beiden hatten drei Kinder: Margaret (1872–1873) starb an Meningitis, Louisa (1873–1943) wurde ebenfalls Ärztin und Alan (1877–1952) Unterhaus-Abgeordneter (Member of Parliament) für die Conservative Party.

1872 wurde die School of Medicine for Women in die Liste der anerkannten medizinischen Schulen aufgenommen. Sechs Jahre später gelang Garrett Anderson, damals Ärztin für Gynäkologie am New Hospital for Women, als erster Ärztin die operative Entfernung von Eierstöcken („Ovarien“). Von 1883 bis 1903 war Garrett Anderson der erste weibliche Dekan an der School of Medicine for Women.

1903 zog sich Garrett Anderson nach Aldeburgh zurück, wo sie fünf Jahre später (1908) zum ersten weiblichen Bürgermeister in Großbritannien gewählt wurde. Am 17. Dezember 1917 starb sie an den Folgen eines Herzinfarkts im Kreise ihrer Familie und wurde neben ihrem Ehemann auf dem Friedhof von Aldeburgh bestattet.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der englische Unternehmer Arthur Anderson (1791–1868) war Garrett Andersons Onkel.
  • Garretts Andersons Nichte Philippa Fawcett (1868–1948) war eine britische Mathematikerin und Frauenrechtlerin.
  • Andersons Urenkelin, Winifred Flack-Barrett († 1991), war die Mutter von Syd Barrett (1946–2006), dem Mitbegründer, Namensgeber und kreativen Kopf der Band Pink Floyd.

Prominente Patienten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Galerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sur la migraine. Thèse pour le doctorat en médecine présentée et soutenue le 15 juin 1870. A.Parent, Paris 1870 Digitalisat
  • London School of Medicine for Women. Inaugural address.Lewis, London 1877
  • The Student's Pocket Book. (Arranged for students of the London School of Medicine for Women). H.K. Lewis, London 1878
  • The medical education of women and the Medical Acts Amendment Bill. Reprinted from The Times, May 8, 1878. London 1878 (Collected pamphlets 1)
  • The sanitary care and treatment of children and their diseases, being a series of five essays. Houghton, Mifflin, Boston 1881
  • Deaths in childbirth. Extract from the Correspondence section of the British Medical Journal, Sept. 17, 1898. Edinburgh 1898

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Justina's Letters in Reply to Miss Garrett's Defence of the Contagious Diseases Acts. W. Tweedie, London 1870 Digitalisat
  • Renate Strohmeier: Lexikon der Naturwissenschaftlerinnen und naturkundigen Frauen Europas. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. Verlag Harri Deutsch, Thun/Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-8171-1567-9, S. 21–22.
  • Louisa Garrett Anderson: Elizabeth Garrett Anderson, 1836–1917. Faber & Faber, London 1939.
  • Ruth Fox Hume: Great Women of Medicine. Random House, New York 1964.
  • Jo Manton: Elizabeth Garrett Anderson. Dutton, New York 1965.
  • M. A. Elston: Anderson, Elizabeth Garrett (1836–1917). In: Henry Colin Gray Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X (doi:10.1093/ref:odnb/30406 Lizenz erforderlich), Stand: 2017.
  • Jo Manton: Elizabeth Garrett Anderson: England's first woman physician. Methuen, London 1965.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Elizabeth Garrett Anderson – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Klaus Goch: Eleanor Marx (1855–1898). In: Luise F. Pusch (Hrsg.): Töchter berühmter Männer. Neun biographische Porträts. Insel, Frankfurt am Main 1988 (= Insel Taschenbuch. Band 979), S. 275–348, hier: S. 300.
  2. „Eleanor hat jetzt das Bett wieder verlassen, viel rascher, als ihr Arzt (Madame Dr. Anderson.Garret) gehofft hatte. […] Madame Anderson hält das Karlsbader Wasser sehr wünschenwert für ihre völlige Kur“. Karl Marx an Louis Kugelmann 4. August 1874 (Marx-Engels-Werke. Band 33, S. 637).
  3. Bert Andréas, Jacques Grandjonc, Hans Pelger (Hrsg.): Unbekanntes von Friedrich Engels und Karl Marx. Teil I: 1840–1874. Trier 1986, S. 157 (Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Trier Nr. 33).