Energiecafé

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Energiecafé (Energy Café) in London, 2023

Ein Energiecafé (englisch energy café, selten: Energy Shop[1]) ist eine „Energieberatung bei Tee und Snacks“.[2] Das Veranstaltungsformat dient der angeleiteten oder selbstorganisierten Klärung von energiewirtschaftlichen Fragestellungen in Haushalt und Nachbarschaft und Bekämpfung von Energiearmut im Sinne gegenseitiger Hilfe.[3]

Konzept[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Energiecafés sind öffentliche Veranstaltungen, bei denen Interessierte Informationen zu ihrem Stromtarif, Energiekosten und -verbrauch erhalten können.[4] Im Falle von finanziellen Problemen beraten Ehrenamtliche bezüglich des etwaigen Aufschubs von Zahlungen oder der Inanspruchnahme von Hilfeleistungen. Damit dienen Energiecafés auch der Armutsbekämpfung und dem Abbau eingliederungshinderlicher Mental Load. Zeitgleich werden Vorträge und Gespräche zum Strommix und anbieterunabhängige Hilfe beim Wechsel zu Ökostrom-Tarifen und -Anbietern angeboten.

Anders als das komplementäre Format der Solarparties dienen Energiecafés damit nicht notwendigerweise der Förderung eigener Stromproduktion und Energiesubsistenz, sondern allgemein als Anreiz zur Nutzung erneuerbarer Energien. Damit ist das Format auch für einkommensschwache Haushalte ohne Investitionsvermögen geeignet.

Die Veranstaltungen können einmalig, mit Anschlussterminen für individuelle Detailfragen oder regelmäßig in offenerem Rahmen organisiert werden. Initiatoren sind meist Nachbarschaftsvereine, Stadtteilzentren, Quartiersmanagement, lokale Bürgerenergiegenossenschaften oder Stadtwerke, aber auch lose Initiativen von Privatpersonen, kommunale Energieberatungen und Verbraucherschutzzentralen.

Verbreitung und Adaption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vermutlich während der Ölpreiskrise entstanden und aus Großbritannien stammend[5] sind Energiecafés weltweit verbreitet und eng mit zivilgesellschaftlichem und genossenschaftlichen Engagement verbunden.[6][7] Dabei werden sie laut einer britischen Studie als ähnlich effektiv wie ein Hausbesuch durch Sozialarbeiter oder Energieberater wahrgenommen.[1] Einer Umfrage unter niederländischen Gemeinden zufolge sind sie eine der am häufigsten verfolgten Maßnahmen zur Umsetzung von Ressourceneffizienz und Degrowth-Strategien[8] und werden beispielsweise in Noord-Brabant im Rahmen eines kommunalen Programms zur Förderung sozialer Innovationen bei der Energiewende verfolgt.[9]

Sie können auch als dauerhaftes Workshop-Konzept in Wissenschaftsläden, Makerspaces und offenen Werkstätten angeboten werden.[10][11] In den Niederlanden existieren Beispiele von Gemeinschaftswohnen (Cohousing), bei denen Energiecafés als Teil der geteilten Infrastruktur in der Planung berücksichtigt wurden. Sie dienen den dortigen Wohngemeinschaften als wiederkehrende Plattform für energietechnische Vorhaben.[12] In ähnlicher Weise wurden Energiecafés bei der Planung zweier Wohnsiedlungen in Sankt Augustin berücksichtigt.[13] In Südkorea wurde das Konzept auf die frühkindliche Erziehung zum Energiesparen adaptiert.[14]

Die Europäische Union förderte Energiecafés im Rahmen des EC²-Projekts des Horizon-2020-Programms.[15][16] Das Fraunhofer UMSICHT betrieb um 2016 ein Reallabor in Dortmund samt Energiecafé und gleichnamiger Ringvorlesung.[17][18] Die schottische Universität St. Andrews richtet wiederkehrend ein informelles Austauschformat zu energiewissenschaftlicher Forschung aus, das sich in Anlehnung ebenfalls Energiecafé nennt.[19]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Mari Martiskainen, Eva Heiskanen, Giovanna Speciale: Community energy initiatives to alleviate fuel poverty: the material politics of Energy Cafés. In: Local Environment. Band 23, Nr. 1, 2. Januar 2018, ISSN 1354-9839, S. 20–35, doi:10.1080/13549839.2017.1382459 (englisch).
  • Mari Martiskainen, Giovanna Speciale: ‘The fuel bill drop shop’: an investigation into community action on fuel poverty. (PDF) University of Sussex, South East London Community Energy, April 2016, abgerufen am 19. Mai 2023 (englisch) online.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Mari Martiskainen, Giovanna Speciale: ‘The fuel bill drop shop’: an investigation into community action on fuel poverty. (PDF) University of Sussex, South East London Community Energy, April 2016, abgerufen am 19. Mai 2023 (englisch).
  2. Carer and community workshops. Drop into an energy cafe. In: SELCE (Registered Society number: 32417R). Abgerufen am 12. September 2023 (britisches Englisch).
  3. Maria-Jose Manjon, Amparo Merino, Iain Cairns: Business as not usual: A systematic literature review of social entrepreneurship, social innovation, and energy poverty to accelerate the just energy transition. In: Energy Research & Social Science. Band 90, August 2022, S. 102624, doi:10.1016/j.erss.2022.102624 (elsevier.com [abgerufen am 19. Mai 2023]).
  4. Darnell Christie: This 'Energy Cafe' in South London Helps People Cut Fuel Bills and Boost Green Energy. In: Global Citizen. Thomson Reuters Foundation, 16. Januar 2020, abgerufen am 12. September 2023 (englisch).
  5. Mari Martiskainen, Eva Heiskanen, Giovanna Speciale: Community energy initiatives to alleviate fuel poverty: the material politics of Energy Cafés. In: Local Environment. Band 23, Nr. 1, 2. Januar 2018, ISSN 1354-9839, S. 20–35, doi:10.1080/13549839.2017.1382459.
  6. Heather McCarron: Want to know more about Energy Cafe? Here are two Cape towns considering it. In: Cape Cod Times. 15. Dezember 2022, abgerufen am 19. Mai 2023 (amerikanisches Englisch).
  7. Energiecafé: Haus der Wissenschaft. In: Haus der Wissenschaft Braunschweig. Abgerufen am 19. Mai 2023.
  8. Rob van der Rijt: Ontgroeien als strategie om binnen planetaire grenzen te blijven. Resultaten van een verkennend onderzoek onder Nederlandse gemeenten. KlimaatPlein, 's-Hertogenbosch Mai 2022, S. 13 (klimaatplein.com [PDF]).
  9. Sven Lamper: Een zoektocht naar sociale innovatie in de energietransitie. Bachelorarbeit. Radboud-Universität Nijmegen, Nijmegen 10. Juli 2021, S. 50 (ru.nl [abgerufen am 19. Mai 2023]).
  10. Mathias Komesker: Offene Werkstätten in Wien. Eine räumliche Bestandsaufnahme im sozioökonomischen Kontext. Diplomarbeit. Technische Universität Wien, Wien 2018, S. 84/85 (archive.org [PDF]).
  11. Michael Jonas, Astrid Segert, Simeon Hassemer: Repair und Do-it-yourself Urbanism in Wien aus Bezirksperspektive. In: IHS Working Paper (= IHS Working Paper). Band 2. Institut für Höhere Studien, Wien 2019, S. 45 (ssoar.info [abgerufen am 19. Mai 2023]).
  12. Menno van Dinther: Gemeenschapshuizen, ouderwets of de nieuwste mode? Een onderzoek naar de invloed van gemeenschapshuizen op de leefbaarheid in het dorp Molenhoek. Bachelorarbeit. Radboud-Universität Nijmegen, Nijmegen Juli 2019, S. 22, 25, 30 ff. (ru.nl [PDF]).
  13. Michael Lehnberg: Berliner Siedlung in Sankt Augustin: Gute Ideen im Energie-Café. In: General-Anzeiger Bonn. 12. Juli 2015, abgerufen am 19. Mai 2023.
  14. Daphne Ngar-yin Mah: Community solar energy initiatives in urban energy transitions: A comparative study of Foshan, China and Seoul, South Korea. In: Energy Research & Social Science. Band 50, April 2019, S. 129–142, doi:10.1016/j.erss.2018.11.011 (elsevier.com [abgerufen am 19. Mai 2023]): „In Sungdaegol, an Energy Supermarket (which sold energy-saving and solar PV products and provided energy consulting) and an energy café (which engaged in teaching energy-saving values to children) (Fig. 3, Fig. 4) were established and used as places for demonstrations to encourage community residents to participate in energy-saving campaigns and to install household solar systems (Interviewee 19; [70,84]). Those activities influenced community behaviour by serving as role models for energy self-reliance, and they inspired and motivated social learning in adapting to new socio-technical practices [15].“
  15. Nives DellaValle, Veronika Czako: Empowering energy citizenship among the energy poor. In: Energy Research & Social Science. Band 89, Juli 2022, S. 102654, doi:10.1016/j.erss.2022.102654 (elsevier.com [abgerufen am 19. Mai 2023]).
  16. Z. S. I. GmbH: ec2project.eu. Abgerufen am 19. Mai 2023 (englisch).
  17. e:lab Energiecafe #1. In: Fraunhofer UMSICHT. 29. November 2016, abgerufen am 19. Mai 2023.
  18. Anna Butzin, Judith Terstriep: Orte und gegenwärtige Treiber von Innovationsentwicklung im Quartier. In: Sebastian Henn, Michael Behling, Susann Schäfer (Hrsg.): Lokale Ökonomie – Konzepte, Quartierskontexte und Interventionen. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-662-58363-0, S. 1–18, doi:10.1007/978-3-662-58363-0_11-1.
  19. The Energy Cafe | Energy Ethics. In: University of St Andrews. Abgerufen am 19. Mai 2023 (englisch).