Erlichmanit

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Erlichmanit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1970-048[1]

IMA-Symbol

Erl[2]

Chemische Formel OsS2[3][1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/D.17-110

2.EB.05a
02.12.01.16
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol disdodekaedrisch; 2/m3
Raumgruppe Pa3 (Nr. 205)Vorlage:Raumgruppe/205[3]
Gitterparameter a = 5,62 Å[3]
Formeleinheiten Z = 4[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7 bis 7,5[4] (VHN100 = 1730–1950 kg/mm2[5][6])
Dichte (g/cm3) gemessen: 8,28; berechnet: 9,59[5]
Spaltbarkeit nicht definiert
Farbe grau bis grauweiß
Strichfarbe nicht definiert
Transparenz undurchsichtig (opak)
Glanz Metallglanz

Erlichmanit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung OsS2[3][1] und damit chemisch gesehen Osmiumdisulfid.

Erlichmanit kristallisiert im kubischen Kristallsystem und findet sich meist in Form winziger Körner (20 μm) in Platin-Eisen-Legierungen (Ferroplatin),[7] Platin-Nuggets oder als Einschlüsse in Chromit. Selten werden auch abgerundete pyritoedrische Kristalle von bis zu einem Millimeter Größe[5] entdeckt. Das Mineral ist in jeder Form undurchsichtig (opak) und zeigt auf den Oberflächen der grauen bis grauweißen Körner einen metallischen Glanz.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits 1928 stellte der norwegische Professor der Mineralogie Ivar Oftedal (1894–1976) neben Osmiumdisulfid (OsS2) noch RuS2, AuSb2 und MnTe2 synthetisch her, um die Kristallstruktur dieser Verbindungen vom Pyrit-Typus zu analysieren.[8]

Als natürliche Mineralbildung wurde Erlichmanit erstmals in der MacIntosh Mine, einer Edelmetall-Seife etwa einen halben Kilometer nördlich von Willow Creek in den Klamath Mountains im Humboldt County des US-Bundesstaates Kalifornien gefunden. Die Erstbeschreibung erfolgte 1971 durch Kenneth G. Snetsinger. Er benannte das Mineral nach dem Mikrosondenanalytiker der Abteilung Planetologie im Ames Research Center der NASA Jozef Erlichman (1935–), um dessen Leistungen bei der Analyse und Identifikation von mehreren neuen Mineralen – unter anderem Sinoit, Niningerit, Brezinait, Yagiit und Armalcolit – zu ehren.

Das Typmaterial des Minerals wird in der Mineralogischen Sammlung der Stanford University in Kalifornien unter der Katalog-Nr. 51965 und dem National Museum of Natural History in Washington, D.C. (USA) unter der Katalog-Nr. 123914 aufbewahrt.[5]

Zum Vergleich der chemischen Zusammensetzung von Erlichmanit stellte Dr. Joachim Ottemann eine Probe aus West-Äthiopien zur Verfügung, die auch das neue und 1967 durch Ottemann und Stylianos-Savvas Augustithis erstbeschriebene[9] Mineral Roseit (OsS) enthalten sollte. Das bereitgestellte Material enthielt allerdings kein Osmiummonosulfid, obwohl diese Phase in anderen Proben aus der äthiopischen Region vorhanden sein könnte.[8] Ottemann und Augusthitis bezweifelten allerdings selbst aufgrund unzureichender Daten, dass die Vergabe des Namens Roseit zu rechtfertigen sei, zumal der gleiche Name bereits seit 1879 von Dana für ein vermiculitähnliches und der Name Rosit seit 1840 für eine pinitähnliche Pseudomorphose verwendet wurde.[9] 1971 wurde der Name Roseit von der IMA/CNMNC mit einer Mehrheit von über 60 % der Kommission zurückgewiesen (diskreditiert).[10]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz ist der Erlichmanit noch nicht verzeichnet.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/D.17-110. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort der Abteilung „Sulfide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : S,Se,Te < 1 : 1“, wo Erlichmanit zusammen mit Aurostibit, Fukuchilit, Villamanínit, Cattierit, Changchengit, Dzharkenit, Geversit, Hauerit, Insizwait, Kruťait, Laurit, Maslovit, Mayingit, Michenerit, Padmait, Penroseit, Pyrit, Sperrylith, Testibiopalladit, Trogtalit und Vaesit die „Pyrit-Gruppe“ bildet (Stand 2018).[4]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Erlichmanit dagegen in die Abteilung der „Metallsulfide mit M : S ≤ 1 : 2“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach dem genauen Stoffmengenverhältnis und den in der Verbindung vorherrschenden Metallen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „M : S = 1 : 2, mit Fe, Co, Ni, PGE usw.“ zu finden ist, wo es zusammen mit Aurostibit, Cattierit, Dzharkenit, Fukuchilit, Gaotaiit, Geversit, Hauerit, Insizwait, Iridisit, Kruťait, Laurit, Penroseit, Pyrit, Sperrylith, Trogtalit, Vaesit und Villamanínit die „Pyritgruppe“ mit der System-Nr. 2.EB.05a bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Erlichmanit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“ ein. Hier ist er ebenfalls in der „Pyritgruppe (Isometrisch: Pa3)“ mit der System-Nr. 02.12.01 innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n) : p = 1 : 2“ zu finden.

Chemismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der idealen (theoretischen) Zusammensetzung von Erlichmanit (OsS2) zufolge besteht das Mineral aus 74,79 % Osmium und 25,21 % Schwefel.[12]

Die Mikrosondenanalyse des Typmaterials aus der MacIntosh Mine ergab allerdings neben 68 % Osmium und 25,3 % Schwefel zusätzlich geringe Gehalte von 3,8 % Rhodium und 2,6 % Iridium sowie Spuren von Palladium (0,5 %) und Ruthenium (0,4 %), die einen Teil des Osmiums ersetzen (Substitution, Diadochie). Eine ähnliche Zusammensetzung hatte auch das analysierte Material aus Oromia in West-Äthiopien mit 64,3 % Osmium und 25,5 % Schwefel sowie 5,5 % Rhodium, 3,5 % Iridium, 0,6 % Palladium und 0,4 % Ruthenium.[5]

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erlichmanit kristallisiert kubisch in der Pyritstruktur in der Raumgruppe Pa3 (Raumgruppen-Nr. 205)Vorlage:Raumgruppe/205 mit dem Gitterparameter a = 5,62 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit einer Mohshärte von 7 bis 7,5[4], was einer VHN von 1730–1950 kg/mm2 bei einer Prüfkraft von 100 g entspricht,[5][6] gehört Erlichmanit zu den harten Mineralen. Bei entsprechender Größe wäre Erlichmanit ähnlich wie das Referenzmineral Quarz (Härte 7) in der Lage, Fensterglas zu ritzen.

Die Dichte von natürlichem Erlichmanit beträgt gemessen durchschnittlich 8,28 g/cm3. Die auf der Grundlage der idealisierten Kristalldaten berechnete Dichte ist mit 9,59 g/cm3 etwas höher.[5]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erlichmanit findet sich in Platinmetall-Seifen, die wahrscheinlich aus chromitithaltigen gebildet wurden und mit Ophiolith und anderen ultramafischen Komplexen vom alaskischen Typ vergesellschaftet waren. Als Begleitminerale können unter anderem Hollingworthit, Irarsit und Laurit, gediegen Platin und Osmium sowie natürliche Pt–Fe- und viele andere Platinmetall-Legierungen und Sulfide auftreten.[5]

Als eher seltene Mineralbildung kann Erlichmanit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Bisher sind fast 120 Fundorte dokumentiert (Stand 2020).[13] Außer an seiner Typlokalität, der MacIntosh Mine bei Willow Creek trat das Mineral in Kalifornien nur noch am American River nahe Folsom im Sacramento County auf. Weitere bekannte Fundorte in den Vereinigten Staaten sind das Bergbaugebiet Ketchikan im gleichnamigen Gateway Borough und das Bethel Census Area in Alaska, die East Boulder Mine im Sweet Grass County von Montana und nahe dem Nottingham Township im Chromit-Bergbaubezirk State Line im Chester County von Pennsylvania.

In Österreich konnte Erlichmanit bisher nur in einem Ultramafit-Steinbruch mit Serpentinit bei Kraubath an der Mur und in einer unbenannten Chromit-Grube am Mitterberg bei Sankt Stefan ob Leoben in der Steiermark gefunden werden.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Australien, Brasilien, Bulgarien, China, Costa Rica, Ecuador, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indien, Indonesien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kolumbien, Kuba, Madagaskar, Mexiko, der Mongolei, Neuseeland, Norwegen, Oman, den Philippinen, in Russland, Sierra Leone, der Slowakei, Spanien, Schottland im Vereinigten Königreich, Südafrika, Türkei und Zypern.[14]

Der bisher einzige dokumentierte Fundort außerirdischen Ursprungs ist der Meteorit Acfer 217, der 1991 im algerischen Teil der Sahara gefunden wurde[15] und in dem neben Erlichmanit unter anderem noch Ilmenit, Irarsit, Laurit, Moncheit, Pentlandit, Sperrylith, Spinell und Troilit nachgewiesen werden konnten.[16]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ivar Oftedal: Über die Kristallstrukturen der verbindungen RuS2, OsS2, MnTe2 und AuSb2. Mit einem Anhang über die Gitterkonstant von Pyrit. In: Zeitschrift für Physikalische Chemie. Band 135, 1928, S. 291–299 (rruff.info [PDF; 376 kB; abgerufen am 18. April 2020]).
  • Kenneth G. Snetsinger: Erlichmanite (OsS2), a new mineral. In: American Mineralogist. Band 56, 1971, S. 1501–1506 (englisch, rruff.info [PDF; 400 kB; abgerufen am 18. April 2020]).
  • Th. Stingl, B. Mueller, H. D. Lutz: Crystal structure refinement of osmium(II) disulfide. In: Zeitschrift für Kristallographie. Band 202, 1992, S. 161–162 (englisch, rruff.info [PDF; 64 kB; abgerufen am 18. April 2020]).
  • Paul Ramdohr: Die Erzmineralien und ihre Verwachsungen. 4., bearbeitete und erweiterte Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1975, S. 879.
  • Richard V. Gaines, H. Catherine W. Skinner, Eugene E. Foord, Brian Mason, Abraham Rosenzweig: Dana’s New Mineralogy. 8. Auflage. John Wiley & Sons, New York u. a. 1997, ISBN 0-471-19310-0, S. 118 (englisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: November 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2023, abgerufen am 19. Dezember 2023 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 19. Dezember 2023]).
  3. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 104 (englisch).
  4. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. a b c d e f g h Erlichmanite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 64 kB; abgerufen am 18. April 2020]).
  6. a b Erlichmanite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 18. April 2020 (englisch).
  7. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 321.
  8. a b Ivar Oftedal: Über die Kristallstrukturen der verbindungen RuS2, OsS2, MnTe2 und AuSb2. Mit einem Anhang über die Gitterkonstante von Pyrit. In: Zeitschrift für Physikalische Chemie. Band 135, 1928, S. 291–299 (rruff.info [PDF; 376 kB; abgerufen am 18. April 2020]).
  9. a b Michael Fleischer: New Mineral Names. In: The American Mineralogist. Band 52, Nr. 9–10, 1967, S. 1579 (englisch, minsocam.org [PDF; 800 kB; abgerufen am 18. April 2020]).
  10. H. J. Axon, C. V. Waine: International Mineralogical Association: Commission on New Minerals and Mineral Names. In: Mineralogical Magazine. Band 38, Nr. 293, 1971, S. 102–105 (englisch, rruff.info [PDF; 194 kB; abgerufen am 19. April 2020]).
  11. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 18. April 2020 (englisch).
  12. Erlichmanit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 18. April 2020.
  13. Localities for Erlichmanite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 18. April 2020 (englisch).
  14. Fundortliste für Erlichmanit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 18. April 2020.
  15. Meteoritical Bulletin Database – Acfer 217. In: lpi.usra.edu. Meteoritical Bulletin, abgerufen am 18. April 2020 (englisch).
  16. Acfer 217 meteorite, Tamanghasset Province, Algeria. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 18. April 2020 (englisch).