Frank Lynder

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Frank Lynder (Pseudonym von Franz Leuwer (Sohn); * 26. Februar 1916 in Bremen; † 21. Mai 1984 in Kiel) war ein deutscher Kaffeemakler und Journalist. Lynder arbeitete während des Zweiten Weltkriegs für den britischen Geheimdienst und den von den Alliierten betriebenen deutschen Kurzwellensender Atlantik.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frank Lynder war der Sohn des Bremer Buchhändlerehepaars Franz Leuwer und Johanna Leuwer.[1][2]

1938 wanderte er nach London aus und trat ins Royal Pioneer Corps ein. Er lernte den Journalisten Sefton Delmer kennen und schloss sich dessen Geheimorganisation zum Aufbau deutschsprachiger Propagandasender gegen das NS-System an. Lynder war als Untergebener von Delmer zwischen dem Jahresbeginn 1942 bis Kriegsende eine zentrale Figur bei den verschiedenen deutschsprachigen, von England aus betriebenen Tarnsendern. Erste Versuche mit dem Soldatensender Nord scheiterten, der deutsche Truppen in Norwegen ins Visier nahm, denen eingeredet werden sollte, eine britische Invasion des besetzten Norwegens stünde bevor. Terrestrische Übertragungsprobleme ließen dieses Projekt rasch scheitern; der Senderempfang war laut Lynder in Peking besser als im Norden Norwegens.[3] Im Gegensatz dazu erwies sich die durch Lynder und andere verbreitete schwarze Propaganda über die Kurzwellensender Atlantik, Gustav Siegfried 1 und Soldatensender Calais als effektiv. Lynder lieferte außerdem dem britischen Geheimdienst Analysen von Informationen der deutschen Kriegsmarine.[4] Delmer schrieb über die Zusammenarbeit mit Lynder, dass die Moderatoren manchmal in der Lage waren, über den Atlantiksender die Besatzungen einzelner, gerade ausgelaufener deutscher U-Boote direkt anzusprechen und ihnen dann angebliche „Musikwünsche“ einspielten. Dies war aufgrund von Lynders präzisen Kenntnissen und Geheimdienstkontakten möglich. Lynders Stimme hatte in diesen Sendungen meist einen charakteristischen Bremer Akzent.[5]

Nach dem Krieg erhielt er die britische Staatsbürgerschaft, arbeitete kurz bei der Nachrichtenagentur Reuters und, zurück in Deutschland, beim Axel Springer Verlag. Hier lernte er seine spätere Frau kennen, Inge Springer. Ab 1954 war Lynder Korrespondent des Verlags in London und Kopenhagen. Er schuf die Comicfigur »Detektiv Schmidtchen« für die Bild.[6]

Basierend auf den Aussagen von Max Merten in einem Verfahren in Athen, eröffnete Fritz Bauer im Juni 1960 ein Ermittlungsverfahren gegen Hans Globke. Am 29. Juni 1961 brach Lynder mit Rolf Vogel in das Zimmer von Friedrich Karl Kaul im King David Hotel ein und entwendete Unterlagen, darunter Prozessvollmachten von Opfern des KZ Auschwitz, um als Nebenkläger im Eichmann-Prozess aufzutreten.[7]

1979 schrieb Lynder einen Nekrolog auf Sefton Delmer.[8]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans-Peter Schwarz, Axel Springer: die Biografie, Propyläen, 1. Februar 2008 - 733 S., S. 20
  2. Aschenbeck, Nils: 100 Jahre Buch- und Kunsthandlung Franz Leuwer; mit einem Beitr. von Erwin Miedtke. Bremen, Donat (um) 2003, ISBN 978-3-934836-62-4
  3. SWR2 Archivradio: Frank Lynder – Deutscher Journalist der britischen Geheimsender im Zweiten Weltkrieg | 2.3.1979 - SWR Kultur. In: swr.de. 27. Januar 2022, abgerufen am 11. März 2024.
  4. The Times vom 6. Juni 1984, Nachruf auf Frank Lyndner, S. 16. In diesem Artikel wird Lynders Bekanntschaft mit dem späteren Gründer des Sunday Telegraph, Donald McLachlan, erwähnt. McLachlan arbeitete für den Marinenachrichtendienst und dessen Propagandaabteilung NID 17Z. Lyndner übersetzte und analysierte die Spionagedokumente und nutzte sie auch für seine Arbeit im Rundfunk.
  5. Siehe Sefton Delmers Nachlass (Memento des Originals vom 22. November 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.psywar.org
  6. 24. April 1954, comicforschung (PDF-Datei; 368 kB)
  7. Der Spiegel, 2. September 2010, Kalter Krieg beim Eichmann-Prozess Aktenklau für die Adenauer-Republik; Nils Aschenbeck, Leseprobe, Agent wider Willen: Frank Lynder, Axel Springer und die Eichmann-Akten (PDF-Datei; 133 kB); Herausgegeben von Ursula E. Koch, Markus Behmer, Deutsche Publizistik im Exil, 1933 bis 1945: Personen – Positionen, S. 205
  8. Andreas Dornheim, Röhms Mann fürs Ausland, S. 229

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nils Aschenbeck: Agent wider Willen: Frank Lynder, Axel Springer und die Eichmann-Akten. Wiesbaden: Marix, 2012
  • Ellic Howe: Die schwarze Propaganda : ein Insider-Bericht über die geheimsten Operationen des britischen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg, München: Beck, 1983