Französisches Fenster

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Französische Fenster (Place des Voges, Paris), 17. Jahrhundert

Ein Französisches Fenster ist eine besonders in Frankreich anzutreffende Fenstertür als Zwischenform von Fenster und Tür, also ein bis oder fast zum Boden reichendes, hochrechteckiges Fenster.[1] Im engeren Sinne charakteristisch für französische Fenster ist in Obergeschossen die Kombination mit einem Geländer: Solche Fenstertüren ohne regelrechte Balkone weisen nur Schmuckgeländer als Absturzsicherung auf. Verwendet wird hierfür auch der Begriff französischer Balkon.[2]

Im weiteren Sinne wird heute im deutschsprachigen Raum jede Art des bodentiefen Fensters als französisches Fenster bezeichnet.

Begriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der deutsche Begriff französisches Fenster ist relativ neu und bezeichnet die historische Herkunft aus der französischen Architektur. Verschiedentlich werden dementsprechend auch die Begriffe Pariser Fenster[3] oder Fenêtre Haussmannienne[4] verwendet. (Siehe Kapitel ‚Geschichte‘; vgl. im Englischen: french window.)

Deutsche Architekturtheoretiker des 18. Jahrhunderts gebrauchten u. a. den Begriff Geländer-Fenster.[5]

Funktion und Formen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bodentiefe Fenstertüren vergrößern den Lichteinfall und ermöglichen repräsentativere Innenräume.

Französische Fenster zeichnen sich dadurch aus, dass sie trotz Bodentiefe einen nur angedeuteten Balkon haben. Ein Hinaustreten ist nicht wirklich möglich.[2] Unterschieden werden können zwei Typen: Zum einen französische Fenster, aus denen man überhaupt nicht hinaustreten kann, da das Balkongeländer entweder in oder vor die Laibung montiert ist. Der andere Typ weist einen nur etwa eine Handbreite tiefen Balkon als Austritt auf, der auch als Balkon- oder Gesimsband die gesamte Fassade einfassen kann.

Alle Arten des französischen Fensters bedingen die Anbringung eines Geländers als Absturzsicherung, wobei man sich seit deren Erfindung an den Formen und Materialien traditioneller historischer Balkone orientierte: Für die Geländer kamen steinerne Balustraden und vor allem gusseiserne Gitter zur Anwendung. Historische Geländer waren zumeist Gegenstand individueller Bauzier und konnten bei Eisengittern besonders kunstvoll ausfallen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ursprung des französischen Fensters liegt im französischen Repräsentationsbau der Barockzeit im 17. und 18. Jahrhundert mit vergrößerten Fensterformaten, wobei der vorgelagerte Balkon stilisiert nur angedeutet wurde.

Französische Fenster im Fassadenaufriss und -schnitt für die Rue de Rivoli, Paris (Percier & Fontaine, 1803)

Eine bürgerliche Verbreitung und prägende Neuformung erfuhr das französische Fenster ab Mitte des 19. Jahrhunderts im monumentalen Stadtumbau der Hauptstadt Paris unter Georges-Eugène Haussmann. Beim Ersatz der engen Gassen durch breite Boulevards entstanden Geschosswohnbauten mit Typenfassaden und großen Fenstern, deren charakteristische Ausformung dann weltweit prägend und nachgebildet wurde.[7][8] Bis zur Absetzung Haussmanns sollen etwa 40.000 Gebäude mit diesem Fenstertyp erbaut worden sein.[4] Eine verbreitete Variante französischer Fenster der Haussmann-Zeit zeigt keine Einzelgeländer, sondern über die gesamte Fassadenbreite durchgehende Geländerbänder.

Gestaltungs- und Konstruktionsvorbilder lagen in der Zeit um 1800 u. a. bei Pariser Wohnhausfassaden der Rue de Rivoli, entworfen von den Architekten Carles Percier und Pierre-François-Léonard Fontaine.

Französische Fenster wurden seit den 1920er Jahren und insbesondere in der Wiederaufbau-Architektur der 1950er Jahre wiederaufgegriffen.

Seit etwa den 1980er Jahren hat sich der Begriff des französischen Fensters und des französischen Balkons in der Immobilienwirtschaft erweitert und meint seitdem jede Art des bodentiefen Fensters,[2] mit oder ohne Geländer.

Wenn moderne Geländer zum Einsatz kommen, hängen Material und Form von individuellen Gestaltungswünschen ab. So kommen heute verschiedene Materialien zum Einsatz, vor allem verzinkter oder farbig beschichteter Stahl und Sicherheitsglas. Holz oder Naturstein sind selten und werden eher für echte Balkone verwendet. Bestimmend für die Geländergestaltung sind auch Sicherheitsbedürfnisse und Sicherheitsanforderungen zur Absturzsicherung.[11] Dies ist besonders wichtig, wenn sich Kinder oder Haustiere im Haushalt befinden. Dann kann das normalerweise nur hüfthohe Geländer höher ausfallen oder durch eine Zusatz-Handlauf ergänzt werden.

Auch bei modernen Kreuzfahrtschiffen kommen französische Fenster bzw. Balkone zum Einsatz.[12][13]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: französisches Fenster – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 4. Mai 2024), S. 178: Fenstertür.
  2. a b c Alexander Seidl: Französischer Balkon: Architektonisches Stilmittel für Fassaden. In: immoportal.com. 16. Juni 2021, abgerufen am 4. Mai 2024.
  3. Antonia Eigel: Französische Balkone: Architektonischer Trick mit erstaunlicher Wirkung. In: wohnglueck.de. Abgerufen am 4. Mai 2024.
  4. a b Französisches Fenster. In: baunetzwissen.de. Abgerufen am 4. Mai 2024.
  5. Johann Friedrich Penther: Ausführliche Anleitung zur bürgerlichen Bau-Kunst (Band 1): Enthaltend ein Lexicon Architectonicum oder Erklärungen der üblichsten Deutschen, Französischen, Italiänischen Kunst-Wörter der Bürgerlichen Bau-Kunst. Augspurg 1744, S. 13: Balcon. (Digitalisat)
  6. Hôtel Meynier de Salinelles dit Hôtel Boudon. In: pop.culture.gouv.fr. Abgerufen am 4. Mai 2024 (französisch).
  7. Französisches Fenster, Fenêtre Haussmannienne oder Haussmann-Fenster. In: baunetzwissen.de. Abgerufen am 4. Mai 2024.
  8. Daniel Holzbauer: Fenster aus aller Welt – Frankreich: Wiege der Baukunst. In: internorm.com. 7. März 2023, abgerufen am 4. Mai 2024.
  9. Akademische Burse. In: denkmalatlas.niedersachsen.de. Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, abgerufen am 5. Mai 2024.
  10. Thomas Kellmann: Der ausgeführte Wettbewerbs-Entwurf für das Aschaffenburger Rathaus von 1956–1958. In: Christian Freigang (Hrsg.): Diez Brandi – Ein Göttinger Architekt zwischen Tradition und Moderne. Göttinger Tageblatt Buchverlag, Göttingen 2002, ISBN 978-3-924781-44-6, 67–70.
  11. Brüstungen bei Treppen, Fenstern und Balkonen. In: tuvsud.com. Abgerufen am 3. Mai 2024.
  12. Ralf Nehmzow: Kein echter Balkon in Kabine auf Traumschiffsreise - Gutschein! In: abendblatt.de. Hamburger Abendblatt, 26. Mai 2011, abgerufen am 4. Mai 2024.
  13. Worauf du bei Balkon-Kabinen auf einer Kreuzfahrt achten musst. In: reisereporter.de. Abgerufen am 4. Mai 2024.