Gerhard Meyer (Psychologe)

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Gerhard Meyer (* 31. August 1952 in Bremen) ist ein deutscher Suchtforscher, Fachpsychologe für Rechtspsychologie und emeritierter Hochschullehrer für Psychologie an der Universität Bremen. Sein Forschungsschwerpunkt ist das Suchtverhalten bezogen auf Glücksspiele.

Biografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausbildung und Beruf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meyer studierte von 1973 bis 1979 Psychologie an der Universität Göttingen, an der er 1982 über Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit: Objekte pathologischen Glücksspiels?[1] zum Dr. rer. nat. promovierte. In seiner kontrovers aufgenommenen[2] Dissertation kam er zum Ergebnis, dass auch von gewerblich betriebenen Geldspielautomaten – wie von klassischen Glücksspielformen – Suchtgefahren ausgehen. Grund sei, dass die Automatenindustrie die Vorgaben der Spielverordnung umgangen habe. Im Zuge der medialen Kontroverse formulierte Meyer die Vermutung, gemäß der bei 500.000 der insgesamt etwa sieben Millionen Automatenspielern das Spiel bereits krankhafte Züge angenommen habe.[2][3]

Als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Hochschulassistent an der Universität Bremen führte er mehrere Forschungsprojekte im Bereich der Spielsucht durch und habilitierte sich dort 1999 für das Fach Psychologie. Von 2008 bis 2018 leitete er die Bremer Fachstelle Glücksspielsucht.

Arbeitsschwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Arbeitsschwerpunkte von Meyer umfassen ein breites Spektrum an glücksspielrelevanten Fragestellungen. Neben Grundlagenforschungen zu den Entstehungsbedingungen und den Folgen des pathologischen Spielverhaltens hat Meyer diverse Publikationen zur Prävention dieses Krankheitsbildes vorgelegt. Weitere Arbeitsgebiete beinhalten die forensische Begutachtung von pathologischen Spielern,[4] die Durchführung von Schulungen zum verantwortungsbewussten Umgang mit pathologischen Spielern für Mitarbeiter von Spielkasinos,[5] die Entwicklung eines Messinstrumentes zur Einschätzung des Gefährdungspotentials von Glücksspielen[6] und eines Screening-Instrumentes zur Früherkennung von Problemspielern[7], die Evaluierung von Maßnahmen des Spielerschutzes in Spielhallen[8][9] sowie die Abgabe fachkundiger Stellungnahmen zu verschiedenen Aspekten des Glücksspielwesens.[10]

Inhaltlich gilt Meyer als Vertreter der These, dass das pathologische Spielverhalten als eine stoffungebundene Suchterkrankung (= Glücksspielsucht) zu verstehen ist. Entsprechend begrüßt Meyer die im DSM-5 (Klassifikationssystem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) umgesetzte Re-Klassifikation des pathologischen Spielverhaltens und dessen Einstufung unter der Kategorie „Substance-Related and Addictive Disorders“ als Verhaltenssucht.[11] Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die „Störung durch Glücksspielen“ (Gambling Disorder, Code: 6C50) inzwischen ebenfalls in der ICD-11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) den Verhaltenssüchten (Disorders due to Addictive Behaviours) zugeordnet.[12]

Meyers Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meyer kritisiert die Entwicklung der Geldspielautomaten seit Anfang der 1980er-Jahre. Anders als die zuständigen Behörden[13] sieht Meyer trickreiche Umgehungen der Spielverordnung,[14][15] mit denen Geldspielautomaten den Charakter eines Glücksspiels erreicht hätten, bei dem erhebliche Vermögenswerte auf dem Spiel stünden.[16] Folglich hat Meyer immer wieder nachhaltige Korrekturen eingefordert, die im Sinne des Spielerschutzes bzw. der Prävention glücksspielbezogener Probleme stehen und im Kern auf die Minimierung der Spielanreize ausgerichtet sind. Unabhängig vom Glücksspielsegment bevorzugt Meyer aus der Perspektive der Suchtprävention einen kleinen, regulierten Glücksspielmarkt mit staatsmonopolartigen Strukturen,[17] der aus seiner Sicht am ehesten die Rahmenbedingungen für die Implementierung von wirksamen Spielerschutzmaßnahmen schafft.[18][19] Als Vorbild verweist er auf die Regulierung in Norwegen, die den verpflichtenden Einsatz einer personengebundenen, spielformübergreifenden Spielerkarte mit Verlustbegrenzungen und Sperroptionen vorsieht.[20]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. G. Meyer: Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit: Objekte pathologischen Glücksspiels?, Göttingen 1982, ISBN 3-88339-282-0
  2. a b Automatenpedia 1984: Spielsucht (Memento vom 19. Juni 2013 im Webarchiv archive.today)
  3. Geldspielautomaten: Goldene Serie. In: Der Spiegel. Nr. 10, 1983, S. 92–94 (online7. März 1983).
  4. G. Meyer. (2019). Beurteilung der Schuldfähigkeit bei Glücksspielsucht: Craving als Kriterium einer Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. In: Sucht, 65, S. 207–215 (online – 31.07.2019).
  5. Internet: „Leichtfertige Casino-Konzession“. In: Der Spiegel. Nr. 23, 2002, S. 163 (online3. Juni 2002).
  6. G. Meyer; J. Häfeli; C. Mörsen, M. Fiebig (2010). Die Einschätzung des Gefährdungspotentials von Glücksspielen: Ergebnisse einer Delphi-Studie und empirischen Validierung der Beurteilungsmerkmale. In: Sucht, 56, S. 405–414 (online – 30.01.2011).
  7. G. Meyer, L. Girndt, T. Brosowski, T. Hayer (2019). Validierung eines Screening-Instruments zur frühzeitigen Identifikation eines problematischen Spielverhaltens in Spielhallen. In: Prävention und Gesundheitsförderung (doi:10.1007/s11553-019-00724-5 – 10.05.2019).
  8. T. Hayer, T. Turowski, M. von Meduna, T. Brosowski, G. Meyer (2018). Studie zur Wirkung und Optimierung von Spielersperren und Sozialkonzepten in Spielhallen in Hessen – Abschlussbericht. Wiesbaden, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration (online – 30.11.2018).
  9. G. Meyer, M. von Meduna, T. Brosowski (2015). Spieler- und Jugendschutz in Spielhallen: Ein Praxistest. In: Sucht, 61, S. 9–18 (online – 31.03.2015).
  10. Gerhard Meyer: Konsequenzen für das Suchtgefährdungspotenzial von LOTTO 6 aus 49 bzw. äquivalenten Lotterieangeboten im Markt bei Freigabe der Veranstaltung für mehrere Anbieter. Gesundheitswissenschaftliches Gutachten im Auftrag des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB). Archiviert vom Original; abgerufen am 4. Mai 2020.
  11. American Psychiatric Association: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM-5. Washington, DC 2013, Fifth Edition, ISBN 978-0-89042-555-8
  12. World Health Organization. International Classification of Diseases 11th Revision.
  13. Dieter Richter: Umgehen Geldspielgeräte die Spielverordnung? – Einige grundsätzliche Anmerkungen, Gewerbearchiv, 2019, Heft 11, S. 422–426 (online).
  14. G. Meyer (2019). Neu zugelassene Geldspielautomaten umgehen die Vorgaben der Spielverordnung. In: Gewerbearchiv, 65, S. 184–188 (online – 10.05.2019).
  15. Zocken ohne Limit. In: Der Spiegel. Nr. 48, 2018, S. 50–51 (online – 24.11.2018).
  16. G. Meyer, M. Bachmann: Spielsucht: Ursachen, Therapie und Prävention von glücksspielbezogenem Suchtverhalten. Springer, 3. Auflage, Berlin 2011, ISBN 978-3-642-20069-4, doi:10.1007/978-3-642-20070-0
  17. Stefanie Bolzen, Ileana Grabitz: Zweifelhaftes Zocker-Gutachten. Teure Studie sollte Debatte um strittigen Glücksspielstaatsvertrag versachlichen – Bundesländer frisierten es um. In: Die Welt. 9. Juni 2010 (Online [abgerufen am 25. Januar 2020]).
  18. G. Meyer, T. Hayer: Problematisches und pathologisches Spielverhalten bei Glücksspielen: Epidemiologie und Prävention. In: Bundesgesundheitsblatt 53, S. 295–305, 2010 (online).
  19. Glücksspiel in Deutschland in staatlicher Hand, Informationen des Deutschen Lotto- und Totoblocks, Website lotto.de (Memento vom 25. November 2010 im Internet Archive)
  20. G. Meyer (2018). Prävention der Glücksspielsucht in Norwegen: Ein Vorbild für die Reform des Glücksspielstaatsvertrages. In: Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht, 13, S. 213–218 (online – 15.08.2018).

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]